Gesetzesentwurf Partizipation Quartierbevölkerung

19.08.2021

Für die Handelskammer beider Basel ist es wichtig, bei Veränderungen – gerade den anstehenden Entwicklungen von Arealen – die lokale Bevölkerung einzubeziehen. Der vorliegende Gesetzesentwurf berücksichtig die Interessen der Bevölkerung jedoch zu einseitig und fokussiert auf die organisierte Mitsprache. Weder die Wirtschaft noch andere Interessenvertreter werden im Gesetz berücksichtigt, oder haben ähnliche Möglichkeiten sich einzubringen. Da zudem eine Unterscheidung von Arealen in öffentlichem und privatem Eigentum fehlt und eine dringend nötige Regulierungsfolgeabschätzung nicht vorgesehen ist, lehnt die Handelskammer den vorliegenden Gesetzesentwurf ab.

Ausgangslage

Gestützt auf Paragraf 55 der Kantonsverfassung des Kantons Basel-Stadt und aufgrund von Vorstössen im Grossen Rat, hat die Regierung einen Entwurf für das Partizipationsgesetz erarbeitet. Das Präsidialdepartement hat zur Vernehmlassung zum Gesetzesentwurf eingeladen und zudem einen Entwurf des Ratschlags zum Partizipationsgesetz veröffentlicht.

Konzeption

Das Gesetz definiert die Mitwirkung der Bevölkerung, die künftig Partizipation genannt wird, nach Paragraph 55 der Kantonsverfassung. Dabei regelt das Gesetz, welche Anspruchsgruppen den Partizipationsprozess wie anstossen bzw. an diesem teilnehmen können. Durchgeführt würde die Partizipation entweder als Anhörung, oder als weiterführende Partizipation. Genannt als Vertreter der Bevölkerung sind Quartierorganisationen wie bspw. Stadtteilsekretariate.

Forderungen

• Die Handelskammer beider Basel empfindet es als wichtig, bei Entwicklungen im Kanton Basel-Stadt, die Bevölkerung zu involvieren. Aufgrund der Verfassungsgrundlage ist dies zwingend. Es ist daher sinnvoll, den Prozess genauer zu definieren. Die Handelskammer teilt die Auffassung, dass ein transparenter Prozess für alle Beteiligten einen Mehrwert bieten kann.

• Nicht berücksichtigt im Gesetzesentwurf und im Entwurf des Ratschlags sind weitere Interessengruppen wie z.B. die Wirtschaft oder Umweltverbände. Die frühzeitige Berücksichtigung aller Interessengruppen ist elementar für die Erarbeitung mehrheitsfähiger Vorschläge und Lösungen – dies betrifft insbesondere die im Ratschlagsentwurf genannten Beispiele der Konzept- und Arealentwicklungen (Stadtteilrichtplan, Tramnetzentwicklung, VoltaNord, klybeckplus, Areal Wolf usw.). Das Vernehmlassungsverfahren ist dafür nicht im gleichen Masse geeignet. Wir fordern daher, die Aufnahme weiterer Interessengruppen im Partizipationsgesetz, so dass diese frühzeitig in den Prozess und gleichwertig wie die Quartierbevölkerung involviert werden können.

• Im Gesetzesentwurf wie auch im Ratschlag fehlt bei den Arealentwicklungen eine klare Unterscheidung zwischen Arealen in privatem und in öffentlichem Eigentum. Diese Unterscheidung ist nicht nur aus eigentumsrechtlichen Gründen zwingend, sondern auch aus Gründen der Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit und den Involvierten im Partizipationsprozess. Der Kanton hat denn auch nicht die gleichen Rechte und Befugnisse auf Arealen in privatem Eigentum, wie er diese auf eigenen Arealen besitzt. Die Handelskammer fordert eine Unterscheidung dieser zwei Typen im Gesetz mit abgestuften bzw. abgeschwächten Partizipationsprozessen bei Arealen in privatem Eigentum.

• Im Gesetzesentwurf fehlen wichtige Punkte, die negative Auswirkungen des Prozesses verhindern könnten. So muss der Partizipationsprozess transparent gestaltet sein, darf zu keinen Verzögerungen auf Entwicklungsgebieten führen und die Involvierten müssen für das Quartier repräsentativ sein – so kann der übermässige Einfluss von Partikularinteressen verhindert werden. Wir fordern, dass das Gesetz in diesen Punkten ergänzt wird.

• Die Handelskammer beider Basel kritisiert die schriftliche Vereinbarung zwischen Kanton und Quartierorganisation im Rahmen der Partizipation (Paragraf 5, Absatz 3). Damit ist die Unabhängigkeit nicht gegeben, Stadtteilsekretariate werden gegenüber anderen Organisation bevorteilt und weiteren Interessenvertretern wird die Mitwirkung erschwert. Die Handelskammer beider Basel fordert eine Streichung des Absatzes bzw. eine Aufweichung, sodass auch Organisationen ohne schriftliche Vereinbarung gleichberechtigt am Prozess mitwirken können.

• Auf Seite 40 des Ratschlagentwurfs wird die Frage, ob Unternehmen direkt oder indirekt vom Gesetz betroffen sein können, mit Nein beantwortet. Die Handelskammer beider Basel kommt zum gegenteiligen Schluss. Es sind diverse Szenarien denkbar, wie Unternehmen negativ betroffen sind. Beispiele sind Entwicklungsareale in privater Hand, deren Entwicklung verzögert werden könnte, womit die Eigentümer der Areale direkt negativ betroffen wären. Ebenfalls sind diverse indirekte negative Folgen denkbar, wenn bei Konzept- und Arealentwicklungen die Meinung der lokalen Bevölkerung zwar früh einfliesst, jene der Wirtschaft aber nicht berücksichtig wird. Die Handelskammer beider Basel fordert daher eine Durchführung der Regulierungsfolgeabschätzung.

Konkret fordern wir folgende Anpassungen im Gesetzesentwurf

§1 Gegenstand und Inhalt
1 Dieses Gesetz bezweckt, dass die mit Planungsaufgaben betrauten Behörden die Quartierbevölkerung und weitere Anspruchsgruppen über Ziele und Ablauf der Planungen unterrichten und dafür sorgen, dass sich diese die Quartierbevölkerung in geeigneter Weise einbringen kann können.
2 Dieses Gesetz regelt, soweit nicht spezialgesetzliche Regelungen bestehen, die Voraussetzungen und die Durchführung von Partizipationsverfahren der Quartierbevölkerung und weiterer Anspruchsgruppen durch den Kanton Basel-Stadt.

3 Die Partizipation der Quartierbevölkerung und weiterer Anspruchsgruppen dient dazu, die staatliche Meinungs- und Willensbildung zu unterstützen sowie die Identifikation mit dem Lebensraum zu fördern. den unterschiedlichen Ansprüchen gerecht zu werden.
4 Unter Partizipation wird die informelle Mitwirkung der Quartierbevölkerung und weiterer Anspruchsgruppen verstanden.

§2 Formen von Partizipation
1 Die Partizipation kann in Form einer Anhörung oder einer weiterführenden Partizipation erfolgen:
a) Anhörung: Bei einer Anhörung stellt die zuständige Behörde ein Vorhaben vor, die Quartierbevölkerung und weiteren Anspruchsgruppen äussern ihre Meinung und bringt Anregungen ein.
b) Weiterführende Partizipation: Bei einer weiterführenden Partizipation bringt die Quartierbevölkerung und die weiteren Anspruchsgruppen im Rahmen eines Austauschprozesses Anliegen und Ideen ein. Die Prozesse müssen transparent ausgestaltet sein. Partikularinteressen dürfen nicht übergewichtet werden.
2 Einverstanden.

§3 Voraussetzungen für die Durchführung einer Partizipation
1 Eine Partizipation wird durchgeführt, wenn:
a) die Quartierbevölkerung oder andere Anspruchsgruppen aufgrund einer räumlichen Nähe oder einer zu erwartenden Auswirkung des Vorhabens auf das gesellschaftliche Zusammenleben im Quartier oder den öffentlichen Raum von einem Vorhaben besonders betroffen ist, und
b) innerhalb des Vorhabens für die zuständige Behörde ein ausreichender Handlungsspielraum besteht.
c) durch die Partizipation keine wirtschaftlichen Beeinträchtigungen zu befürchten sind.
d) die Eigentümerschaft bei privaten Vorhaben Bereitschaft signalisiert, sich auf eine Partizipation einzulassen.
2 Einverstanden.

§4 Verfahren
1 Einverstanden.
2 Die Quartierbevölkerung und die weiteren Anspruchsgruppen können kann bei der Fachstelle Stadtteilentwicklung Antrag auf Durchführung einer Partizipation stellen. Die Antragstellung erfolgt in der Regel über eine Quartierorganisation oder einen Verband.
3 Die Entscheidungshoheit über die Durchführung einer weiterführenden Partizipation liegt bei der für das Vorhaben zuständigen Behörde. Der Entscheid erfolgt schriftlich.
4 Das Verfahren ist so auszugestalten, dass möglichst keine Verzögerung des Vorhabens entsteht.
5 Das Verfahren ist so auszugestalten, dass verschiedene Anliegen angemessen berücksichtigt werden und die am Prozess Beteiligten repräsentativ für das betroffene Quartier sind.

§5 Zusammenarbeit mit einer Quartierorganisation
1 Die für ein Vorhaben zuständige Behörde sorgt dafür, dass die Quartierbevölkerung und die weiteren Anspruchsgruppen Kenntnis von der Partizipation haben hat und bezieht kann bei der Konzipierung und Umsetzung der Partizipation in der Regel eine politisch und konfessionell unabhängige Quartierorganisation ein einbeziehen.
2 Quartierorganisationen haben die Form eines Vereins im Sinne von Art. 60 ff. des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 10. Dezember 1907 aufzuweisen und bezwecken den Kontakt und Austausch von Informationen mit und unter der Quartierbevölkerung oder anderer Anspruchsgruppen.
3 Eine schriftliche Vereinbarung zwischen Kanton und Quartierorganisation regelt den Auftrag und die Zusammenarbeit im Rahmen der Partizipation.

§6 Ergebnis der Partizipation
1 Nach Abschluss der Partizipation informiert die für das Vorhaben zuständige Behörde die beteiligte Quartierbevölkerung und die Quartierorganisationen weiteren Anspruchsgruppen in geeigneter Form, inwiefern die von ihr vorgebrachten Anliegen berücksichtigt werden.
2 Einverstanden.

Fazit

Die Liste an Forderungen ist umfassend und zeigt, dass wir dem entworfenen Partizipationsgesetz aktuell nicht vorbehaltlos zustimmen können. In der jetzigen Form lehnen wir die Vorlage ab.

Stellungnahme zum Gesetzesentwurf über die Partizipation der Quartierbevölkerung

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