«Wohlstand ist kein Naturgesetz»

13.11.2018

Wirtschaftsfeindliche Initiativen schränken die Unternehmensfreiheit ein und gefährden damit unseren Wohlstand. Was brauchen Unternehmen, damit sie auch zukünftig erfolgreich sind? CEO Eric Malitzke von Fiege Logistik (Schweiz) AG über Planungssicherheit und Reformbedarf.

Wirtschaftsfeindliche Initiativen wie die «Selbstbestimmungsinitiative» oder die Unternehmensverantwortungsinitiative schaden unserer Wirtschaft. Sind Sie beunruhigt?

Bisher erscheint mir das Schweizer Stimmvolk lösungsorientiert in seinem Abstimmungsverhalten, weshalb ich die beiden genannten Initiativen auch nicht besonders fürchte. Die beiden Beispiele sind zudem sehr unterschiedlich: Die «Selbstbestimmungsinitiative» entspricht einer der vielen demonstrativ wehrhaften Scheinlösungen, wie sie Populisten in ganz Europa zunehmend proklamieren. Die Unternehmensverantwortungsinitiative greift nachvollziehbare ethische Probleme einer globalisierten Wirtschaftswelt auf - ist aber aus vielen Gründen nicht umsetzbar.

Wird die Planungssicherheit von Unternehmen zunehmend aufs Spiel gesetzt?

Wir neigen dazu zu vergessen, wie wichtig Planungs- und Investitionssicherheit für die erfolgreiche und stabile Entwicklung von Wirtschaftsräumen sind. Immer mehr werden kurzfristige Partikularinteressen in den Mittelpunkt gestellt. Für Unternehmen ist es aber unabdingbar, dass die Leitplanken, innerhalb deren wir wirtschaften, Beständigkeit aufweisen.

Wo besteht denn derzeit der dringendste Reformbedarf?

Aus meinem beruflichen Alltag erscheint mir eine kinder- und familienfreundlichere Politik dringend notwendig. Während bereits heute Unternehmen vor grossen Herausforderungen stehen, um sich die notwendigen Personalressourcen zu sichern, werden durch den demographischen Wandel der nächsten Jahre und Jahrzehnte die sozialen Sicherungssysteme der Schweiz (wie auch anderer europäischer Länder) stark strapaziert. Wir müssen also jetzt handeln, um Eltern bei der Kinderbetreuung finanziell zu entlasten. Nur so können wir die dringend notwendigen, in der Regel gut ausgebildeten Potenziale, schneller wieder in den Arbeitsmarkt integrieren. Gleichzeitig beeinflusst dies sicherlich auch den Entscheid, überhaupt Kinder haben zu wollen, positiv. Was ebenso wichtig ist, um die sozialen Sicherungssystemen aufrechtzuhalten.

Welche Hausaufgaben haben die Unternehmen?

Unternehmen müssen sich mehr in gesellschaftliche und politische Themen einbringen. Herausforderungen unserer Zeit wie gefühlte oder tatsächlich drohende soziale Unsicherheit, Digitalisierung und fortschreitende Automatisierung oder negative Umweltentwicklungen, wie der spürbare Klimawandel, müssen dringend Bestandteil gelebter Unternehmenspolitik sein.

Wie blicken Ihre ausländischen Kolleginnen und Kollegen auf die Schweizer Wirtschaft?

Sie bewundern die Stabilität und Stärke des Binnenmarktes oder auch die hohe Innovationskraft. Der hohe Grad an Wettbewerb wird allerdings häufig unterschätzt.

Es zeigt sich: Die Schweizer Wirtschaft hat die Krisen der Vergangenheit gut
überstanden. Wie fit ist sie für die Zukunft?

Aus der Vergangenheit zeigt sich, dass unsere Wirtschaft ein solides Fundament erarbeitet hat, um sich an Veränderungen anzupassen oder diese gar vorwegzunehmen. Dies hat sich insbesondere nach dem Frankenschock gezeigt. Zudem haben hohe Faktorkosten bereits in der Vergangenheit bemerkenswerte Innovationsfähigkeit und teilweise sogar Avantgardismus gefördert. Wenn diese Stärken die Zukunft prägen, wird die Schweiz die Vorteile des « Early Movers» oder «Early Adaptors» abschöpfen können.

Wie können wir unseren Wohlstand halten?

Wir müssen erkennen, dass unser Wohlstand nicht als Naturgesetz festgeschrieben steht. Disruptive Veränderungen werden unsere gewohnten Handlungsmuster zusehends auf die Probe stellen. Dazu brauchen wir weitsichtige Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft, die nicht reflexhaft emotionale Blockaden aufbauen, um komplexe und vielleicht auch unangenehme Fakten zu verhehlen. Nur dann können wir die unterschiedlichen Herausforderungen gemeinsam anpacken und die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen. 

Was brauchen unsere Leitbranchen?
SORGE TRAGEN ZUM STANDORT

Was die Nordwestschweiz als Standort auszeichnet, ist auch für die Bankenbranche wichtig: Regionalität und Nähe sind elementare Erfolgsfaktoren. Die BLKB, seit jeher fest verankert in der Region, sorgt dafür, dass die lokale Wirtschaft und Bevölkerung eine verlässliche und zukunftsorientierte Partnerin an ihrer Seite weiss. Damit das so bleibt, darf die Finanzmarktregulierung bewährte dezentrale Strukturen nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Regulatorische Belastungen für Unternehmen sind tief zu halten. Indem wir Sorge tragen zu unserem Standort, stärken wir den gesamten Finanz- und Werkplatz Schweiz.

John Häfelfinger, CEO, Basellandschaftliche Kantonalbank

 

KEINE ISOLATION

Als führender Life Sciences-Standort ist die Region auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen: Zahlreiche Unternehmen mit globaler Marktausrichtung sind in der Nordwestschweiz ansässig – für diese ist eine ausreichende Versorgung mit verfügbaren Kontingenten für ausländische Arbeitnehmer von zentraler, wenn nicht sogar von vitaler Bedeutung. Die Politik ist gefordert, dafür die notwendigen
gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen.

Marco Gadola, CEO, Institut Straumann AG

 

WELTFRIEDEN! 

Was zunächst wie der Stereotyp eines ebenso frommen wie naiven Wunsches im Rahmen einer «Miss-Wahl» klingt, ist derzeit durchaus ernst. Eine Verschärfung des Handelskrieges zwischen den USA und China wirkt sich nicht nur auf internationalen Handel und Transport – und damit unmittelbar auf die Logistikbranche – aus. Eine signifikante Abwertung des chinesischen Juan oder steigende Zinsen in den USA infolge der Verschärfung des Konfliktes könnten ferner die ohnehin volatilen Finanzmärkte unter Stress setzen. Eine andere Forderung, deren Umsetzung leichter möglich ist: Die mittelständisch geprägte Logistikindustrie der Schweiz muss in einer konzertierten Aktion das eigene Image aufpolieren, die eigene Diversität unterstreichen, um auch künftig Potenziale am Arbeitsmarkt zu begeistern und zu sichern. 

Eric Malitzke, CEO, Fiege Logistik (Schweiz) AG

 

 

Das Interview ist in der aktuelle twice-Ausgabe erschienen. 

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