«Wir investieren in Basel 200 Millionen»

03.03.2020

ETH-Präsident Joël Mesot betont im Interview mit der Basler Zeitung, wie wichtig der hiesige Standort für die ETH Zürich ist.

Herr Professor Mesot, wie wichtig ist Basel für die ETH?

Als ich letztes Jahr mein Amt als ETH-Präsident antrat, habe ich gefragt: Mit wem arbeiten wir zusammen? Da fielen die Namen von Weltklasse-Institutionen wie dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) oder der Stanford University - und jener von Basel. Wir haben mit Basel beispielsweise mehr Forschungskontakte als mit dem MIT. Der Standort ist also sehr wichtig.

Warum?

Basel ist ein Life-Sciences-Standort von Weltruf. Nicht nur mit der Universität ist der Austausch entscheidend, auch mit der ganzen Pharmaindustrie und weiteren Institutionen - zum Beispiel mit dem Friedrich-Miescher-Institut.

Wie sieht die Arbeit mit der Uni Basel konkret aus?

Wir haben über unser Departement für Biosysteme enge Kontakte zur Forschung der Universität Basel, mit der wir fünf gemeinsame Professuren haben. Auch in der Ausbildung hat sich die Zusammenarbeit seit 2017 intensiviert, seit die ETH Zürich einen neuen Bachelorstudiengang in Medizin einführte. Die Universität Basel ist eine unserer Partneruniversitäten, an denen unsere Studierenden das Medizinstudium fortsetzen können. Ein neues spannendes Feld zur Kooperation mit Basel hat sich durch das Botnar-Forschungszentrum für Kindergesundheit aufgetan. Diese Forschungsinitiative hat die Botnar-Stiftung 2018 mit einer grossen Schenkung ermöglicht.

Medizin ist allgegenwärtig. Warum dieser Fokus?

In der Medizin sind grosse Fortschritte erzielt worden. Sie wird immer mehr technologiegetrieben - und die Digitalisierung birgt grosses Potenzial für weitere Fortschritte in der Prävention, Diagnose und Therapie von Krankheiten. Andererseits ist der Druck auch vorhanden, dass die Kosten nicht explodieren. Hier erhoffe ich mir viel von der künstlichen Intelligenz und den Datenwissenschaften, wo die ETH viel Erfahrung beisteuern kann. Aber dazu brauchen wir den Zugriff auf Patientendaten, und hier ist die Schweiz gegenüber anderen Ländern im Rückstand, wie die jüngste Verzögerung beim elektronischen Patientendossier zeigt. Wir haben als kleines Land nicht so viele medizinische Daten: Darum sollten wir uns anstrengen und mehr tun, um Innovationen im Bereich E-Health zu ermöglichen.

Das ist ein nationales Problem. Wo haperts regional?

Ich denke, dass unser Bekanntheitsgrad in der Region noch zu klein ist. Die Leute sollen wissen, dass die ETH hier stark verankert ist. Wir investieren viel Geld - 200 Millionen - in das neue Life-Sciences-Gebäude im Schällemätteli, wo wir dann in unmittelbarer Nähe zum Biozentrum der Universität Basel und den Universitätskliniken sind. Der Bau geht gut voran, und ab Frühjahr 2022 sollten unsere Leute dann im neuen Gebäude arbeiten können.

Basel ist ein fruchtbarer Wirtschaftsstandort, und Sie wollen hier bekannter werden. Würden sich nicht auch grössere Investitionen lohnen, um einen richtigen Pflock einzuschlagen. Sagen wir: eine Milliarde?

Auch wir können kein Geld drucken, aber die erwähnten Investitionen in Infrastruktur und Personal sind ein klares Bekenntnis zu Basel.

Wieso ist der Auftritt weiterhin mit «ETH Zürich» und nicht mit «ETH Basel» versehen?

Das hätte sicher seinen Charme, würde aber wohl mehr Verwirrung stiften.

Was sind Ihre konkreten Pläne?

Wir setzen wie schon angedeutet auf datengestützte biomedizinische Forschung. Grundlagenforschung zur Krebsbekämpfung ist ein anderes wichtiges Thema, an dem wir arbeiten. Zusammen mit Spitälern, Universitäten und Firmen - etwa mit Roche - haben wir unter anderem mithilfe von künstlicher Intelligenz und Bioinformatik einen Tumor- Profiler entwickelt. Die Forschung dazu hat erst begonnen.

Apropos künstliche Intelligenz: Wie weit ist diese schon entwickelt?

Methoden der künstlichen Intelligenz gibt es schon lange. Allerdings haben jüngste Fortschritte des Maschinellen Lernens ein weltweites Wettrüsten befeuert, das hauptsächlich von den grossen IT-Konzernen geprägt ist. Wir müssen also auch hier aus Schweizer Sicht die Kräfte bündeln, wenn wir eine aktive Rolle spielen wollen. Aber bei allem Potenzial hat KI auch problematische Seiten, die wir nicht ignorieren können.

Welche?

Es gibt zum einen viele ethische Fragen, die sich mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz stellen. Andererseits steigen mit der rasanten Vernetzung unserer Welt die Gefahren aus dem Cyber-Space. Die ETH Zürich hat hier schon früh einen Schwerpunkt gesetzt und 2003 ein Kompetenzzentrum für Informationssicherheit geschaffen. Seit vergangenem Jahr bieten wir mit der École polytechnique fédérale de Lausanne einen gemeinsamen Master-Studiengang in Cyber-Security an.

Gibt es noch andere Pläne für Basel?

In der Quantenphysik ist Basel auch stark und hat soeben Bundesgelder für ein nationales Forschungsprogramm erhalten. Da arbeiten wir auch eng mit Basel zusammen.

Gibt es Schwierigkeiten, wenn man so eng mit den Partnern zusammenarbeitet?

Wissen Sie: Ich habe in den USA und Frankreich gearbeitet. Wenn ich dort erzähle, wie direkt die Wege zu den kantonalen und nationalen Behörden sind, staunen alle. Das ist wirklich aussergewöhnlich.

Aber ist man sich da nicht zu nah?

Zwischen Forschung und Industrie müssen klare Regeln gelten, die Freiheit der Forschung muss gewährleistet sein. Aber dafür gibt es grosses Verständnis. Severin Schwan betont zum Beispiel immer wieder, dass sich die Universitäten auf die Grundlagenforschung konzentrieren müssen. Und die grossen Player halten sich da an die Regeln und lassen uns frei arbeiten.

 

Das Interview ist erstmals in der Basler Zeitung vom 27. Februar 2020 erschienen. Geführt hat das Interview Sebastian Briellmann, Baz-Redaktor.

 

Joël Mesot - ein weitgereister Physiker

Der Physiker Joël Mesot ist seit Januar 2019 Präsident der ETH Zürich - als erster Welscher in der Geschichte. Der 55-jährige gebürtige Genfer hat in Festkörper physik promoviert und arbeitete an renommierten Instituten und Universitäten in Frankreich und den USA. Später war er auch Direktor des Paul-Scherrer-Instituts. Die BaZ hat Mesot an einem Anlass der Handelskammer beider Basel getroffen.

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