Teilrevision Bundesgesetz über den Umweltschutz

23.12.2021

Mit der Änderung des Umweltschutzgesetzes sollen in verschiedenen Bereichen pertinente Anliegen auf gesetzlicher Ebene geregelt werden. Die Handelskammer beider Basel begrüsst insbesondere, dass die heute vorherrschende Rechtsunsicherheit beim Lärmschutz durch klarere Gesetzesbestimmungen vermindert werden soll. Dabei ist zentral, dass das raumplanerische Ziel der Siedlungsentwicklung nach innen nicht durch übermässige Lärmschutzbestimmungen verunmöglicht wird. Während die Vorlage diesbezüglich die richtige Stossrichtung aufweist, benötigt sie in einigen Belangen noch Anpassungen, damit die gewünschte Intensivierung der Verdichtung tatsächlich realisiert werden kann. Auch die neuen Bestimmungen zur Beschleunigung der Altlastenbereinigung befürwortet die Handelskammer im Grundsatz. Es besteht jedoch namentlich in Bezug auf die pauschalen Abgeltungen an die Kantone noch Änderungsbedarf.

Zusammenfassung der Forderungen
  • Räume, die nicht über das Öffnen der Fenster gelüftet werden, sollen von der Errechnung des Mindestanteils der ruhigen Räume nach Art. 22 Abs. 2 lit. a ausgenommen werden.
  • Für die Anforderung eines «ruhigen» Aussenraums nach Art. 22 Abs. 2 lit. b soll eine Ausnahmeregelung vorgesehen werden.
  • Da der Lärmschutz bereits bei der Baubewilligung sowie in der Raumplanungsgesetzgebung ausreichend berücksichtigt wird, sollen Art. 24 Abs. 2 und Art. 24 Abs. 3 gestrichen werden.
  • Es muss sichergestellt werden, dass allfällige Mehrkosten, welche zur Einhaltung der neuen Lärmschutzmassnahmen anfallen, nicht auf benachbarte emissionsintensive Industrie- oder Gewerbebetriebe überwälzt werden.
  • Da eine höhere Personendichte in den Nachbargrundstücken zu einer Erhöhung des Störfallrisikos von Industriebetrieben führen kann, soll vermehrt auf bestehende Instrumente zur Koordination zwischen Raumplanung und Störfallvorsorge zurückgegriffen werden.
  • Bei den pauschalen Abgeltungen nach Art. 32ebis Abs. 8 muss sichergestellt werden, dass diese von den Kosten abgezogen werden, welche der Kanton den Verursachern für seinen administrativen Aufwand allenfalls in Rechnung stellt.
  • Die pauschalen Abgeltungen nach Art. 32ebis Abs. 8 sollen zudem ausschliesslich zur Administration der Altlastenbereinigung und nicht zweckfremd verwendet werden.
Konzeption

Die in der Teilrevision des Bundegesetzes über den Umweltschutz (USG) vorgesehenen Änderungen betreffen die Altlasten, den Lärmschutz, das Umweltstrafrecht sowie einige weitere Bereiche. Die Änderungen haben Auswirkungen auf die Standortqualität der Region Basel, insbesondere auch was die Entwicklung von Überbauungen angeht. Die Handelskammer nimmt daher Stellung zu den Bereichen Lärm und Altlasten. Die Änderung bezüglich Lärmschutz zielt darauf ab, die Möglichkeiten zur Siedlungsentwicklung nach innen zu verbessern und gleichzeitig die Bevölkerung vor Lärm zu schützen. Neu sollen direkt auf Gesetzesstufe Kriterien für die Erteilung von Baubewilligungen in lärmbelasteten Gebieten festgelegt werden. Diese Kriterien würden die derzeit in der Lärmschutzgesetzgebung vorgesehene Interessenabwägung ersetzen und so voraussichtlich die Rechtssicherheit erhöhen. Mit den Änderungen im Bereich der Altlasten möchte der Bundesrat erreichen, dass belastete Standorte rascher untersucht und saniert werden. Voruntersuchungen, welche in die Zuständigkeit der öffentlichen Hand (Kantone oder Gemeinden) fallen, würde der Bund neu bis 2028 und Sanierungen bis 2040 abgelten. Kann der Verursacher nicht ermittelt werden oder ist er zahlungsunfähig, soll die Beteiligung des Bundes an den Kosten der Sanierungsmassnahmen von 40 auf 60 Prozent steigen. Zur Entschädigung der administrativen Aufgaben der Kantone sollen ausserdem zusätzliche pauschale Abgeltungen eingeführt werden.

Beurteilung und Forderungen im Bereich Lärm

Die Handelskammer befürwortet grundsätzlich die Abstimmung raumplanerischer Ziele – namentlich die Siedlungsentwicklung nach innen – mit dem Schutz der Bevölkerung vor Lärm. Um die Zersiedlung der Schweiz einzudämmen, ist eine verdichtete Bauweise zentral. Es ist zudem für den Wirtschaftsstandort wichtig, dass die Weiterentwicklung der Bausubstanz ermöglicht wird. Da sich die Ansprüche an Gebäude in den letzten Dekaden gewandelt haben, sind Umbauten und Ersatzneubauten unerlässlich. Die aktuell übertriebenen Lärmschutzbestimmungen verunmöglichen oder erschweren vielfach im Bewilligungsverfahren oder vor Gericht Neubau- und vor allem Ersatzbauprojekte. Diese böten nicht nur zusätzliche und dem heutigen Bedarf angepasste Wohnflächen, sondern wären energetisch und aus lärmtechnischer Perspektive den zu ersetzenden, bestehenden Gebäuden überlegen. Die Handelskammer begrüsst daher die grundsätzliche Stossrichtung der vorgeschlagenen Regelung. Dadurch ist eine erhöhte Rechtssicherheit für die Erteilung von Baubewilligungen bei gleichzeitigem Schutz der Bevölkerung vor Lärm zu erwarten. Auch die Ausnahmen in Bezug auf den Fluglärm sind zu begrüssen. Ob sich die Situation für Neubauten und Ersatzneubauten tatsächlich verbessert, hängt jedoch wesentlich von der konkreten Umsetzung der neuen Vorschriften, namentlich auch der revidierten Verordnung zum Gesetz, ab. Zusätzlich sieht die Handelskammer einige gewichtige Anpassungen an der Vorlage vor, damit die gewünschte Intensivierung der Verdichtung tatsächlich realisiert werden kann. Weiter weisen wir darauf hin, dass bei Umzonungen in der Nähe von Gewerbezonen eine gute Koordination zwischen Raumplanung und Störfallvorsorge zentral ist. Unsere Anpassungsforderungen und Bedenken werden im Folgenden detailliert ausgeführt:

Teilweise Einhaltung der Immissionsgrenzwerte
In Art. 22 soll Klarheit geschaffen werden, wann Baubewilligungen in lärmbelasteten Gebieten erteilt werden können. Art. 22 Abs. 2 lit. a besagt, dass nicht in allen Räumen die Immissionsgrenzwerte eingehalten werden müssen. Da dies eine Verbesserung gegenüber dem heutigen Zustand darstellt, befürworten wir den Absatz grundsätzlich. Die vorgeschlagene Regelung ist jedoch zu starr und lässt sich zu wenig an den aktuellen Stand des Wohnungsbaus anpassen. So werden die Räume in modernen Bauten nicht zwingend durch Fensteröffnen gelüftet. Da Zimmer, in denen ein anderes Lüftungssystem eingerichtet ist, irrelevant für die Lärmbelastung der Wohnbevölkerung sind, sollten diese nicht unter Art. 22 Abs.2 lit. a fallen. Auf Stufe Verordnung sollte der Prozentsatz der «ruhigen» lärmempfindlichen Räume tiefer angesetzt werden als dies im Erläuternden Bericht vorgeschlagen wird, beispielsweise auf mindestens 50 Prozent anstatt mindestens 60 Prozent.

Aussenräume
Der in Art. 22 Abs. 2 lit. b gestellten Anforderung, wonach jede von Grenzwertüberschreitungen betroffene Wohneinheit über einen Aussenraum verfügen muss, an dem zudem die Planungswerte am Tag eingehalten werden müssen, steht die Handelskammer kritisch gegenüber. Diese würde dazu führen, dass sich die Situation für Bauvorhaben in vielen Fällen nur unwesentlich verbessern würde, da diese Anforderung vor allem in Innenstädten nicht umsetzbar wäre. Wir fordern deshalb, dass wenn die in Art. 22 Abs. 2 lit. b gestellte Anforderung nicht erfüllt werden kann, eine Ausnahmeregelung vorgesehen wird. In die Interessenabwägung im konkreten Fall soll insbesondere einfliessen, ob mittels technischer Lösungen eine Lärmverminderung herbeigeführt werden kann. Neben Rechtssicherheit ist die Möglichkeit abweichender Einzelfalllösungen für Investoren entscheidend. Sie kann darüber entscheiden, ob ein konkretes Projekt umgesetzt wird, oder nicht.

Freiraum und Massnahmen in akustischer Hinsicht
Die Handelskammer erachtet zudem die in Art. 24 Abs. 2 genannten Bedingungen zur Änderung von Nutzungsplänen als redundant. Dies einerseits, da der Lärmschutz bereits bei der Erteilung der Baubewilligungen berücksichtigt wird und da andererseits auch in der Raumplanungsgesetzgebung – namentlich in Art. 3 Abs. 3 lit. b des Bundesgesetzes über die Raumplanung – Lärmschutzmassnahmen bei der Planung vorgesehen sind. Aus diesem Grund kann auch auf Art. 24 Abs. 3, der sich auf Art. 24 Abs. 2 bezieht, verzichtet werden.

Betroffenheit von Industrie- und Gewerbebetrieben
Weiter möchten wir darauf hinweisen, dass von den Bestimmungen im Bereich Lärm und insbesondere der grundsätzlich zu befürwortenden Möglichkeit zum verdichteten Bauen unseres Erachtens indirekt auch Industrie- und Gewerbebetriebe betroffen sein können. Dies namentlich bei Mischnutzungen auf Transformationsarealen, welche bereits heute erhebliches Konfliktpotenzial bergen. Es muss dabei sichergestellt werden, dass allfällige Mehrkosten, welche zur Einhaltung der neuen Lärmschutzmassnahmen anfallen, nicht auf benachbarte emissionsintensive Industrie- oder Gewerbebetriebe überwälzt werden.

Koordination zwischen Raumplanung und Störfallvorsorge
Zudem sind bei einer Umzonung in der Nähe von Gewerbezonen eine gute Koordination zwischen Raumplanung und Störfallvorsorge wichtig, da eine höhere Personendichte in den Nachbargrundstücken zu einer Erhöhung des Störfallrisikos von Industriebetrieben führen kann. Ausserdem könnte die Erlaubnis für Störfälle empfindlich eingeschränkt werden, wenn in der Nähe Wohnungen gebaut werden. Dies würde gewisse industrielle Nutzungen bei den ansässigen Betrieben verunmöglichen. Die Instrumente für eine gute Koordination sind bereits vorhanden (siehe Planungshilfe des Bundes «Koordination Raumplanung und Störfallvorsorge») und können zu gesamthaft effektiven und kostengünstigen Lösungen für alle Beteiligte führen.

Beurteilung und Forderungen im Bereich Altlasten

Die Änderung des USG im Bereich Altlasten soll zu einer Beschleunigung der Altlastenbereinigung führen, indem unter anderem Fristen für die Leistungen des VASA-Fonds für Untersuchungen und Sanierungen gesetzt werden. Der VASA-Fonds, welcher dem Bund als Finanzierungsinstrument von Altlastenbereinigungen dient, speist sich aus Abgaben auf die Ablagerung von Abfällen. Neben der Setzung von Fristen soll die Beteiligung des Bundes an der Altlastenbereinigung in gewissen Fällen von 40 auf 60 Prozent erhöht und zur Entschädigung der administrativen Aufgaben der Kantone zusätzliche pauschale Abgeltungen eingeführt werden. Die Handelskammer unterstützt diese Änderungen im Grundsatz, bringt jedoch bezüglich den pauschalen Abgeltungen nach Art. 32ebis Abs. 8 folgende Forderungen an:

Abzug der pauschalen Abgeltungen bei Überwälzung der Kosten an Verursacher
Bei den pauschalen Abgeltungen nach Art. 32ebis Abs. 8 muss sichergestellt werden, dass diese von den Kosten abgezogen werden, welche der Kanton den Verursachern für seinen administrativen Aufwand in Rechnung stellt.

Zweckgemässe Verwendung der pauschalen Abgeltung
Bei den pauschalen Abgeltungen nach Art. 32ebis Abs. 8 handelt es sich um Subventionen des Bundes an die Kantone. Es muss sichergestellt werden, dass diese ausschliesslich zur Administration der Altlastenbereinigung und nicht zweckfremd verwendet werden.

Fazit

Die umfassende Vorlage zur Teilrevision des USG ist in ihrer Gesamtheit als positiv zu bewerten. Sie setzt wichtige Anliegen in verschiedenen Bereichen um. Jedoch besteht beim Lärm und bei den Altlasten noch Anpassungsbedarf. So ist der Lärmschutz weiterhin zu ausgeprägt, um eine wirkliche Siedlungsentwicklung nach innen zu erlauben. Dies insbesondere aufgrund der starren Vorschrift betreffend die Aussenräume. Es ist ausserdem sicherzustellen, dass benachbarte Industriebetriebe durch die verdichtete Bauweise der Wohnungen nicht benachteiligt werden – etwa dadurch, dass Sie aufgrund der erhöhten Personendichte ein grösseres Störfallrisiko tragen müssen. Im Bereich der Altlasten muss gewährleistet werden, dass die pauschalen Abgeltungen an die Kantone nicht zweckfremd eingesetzt werden und die damit abgegoltenen administrativen Aufgaben nicht zusätzlich den Verursachern in Rechnung gestellt werden.

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