Page 21 - Stromzukunft
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weiterhin für Back-up-Kapazität genutzt. Diese beiden  Küste – aufgrund von Einsprachen massiv in Verzug.
               Kraft werks typen können jedoch nicht kostengünstig  Vor diesem Hintergrund ist derzeit unsicher, ob Über-
               flexibel hochgefahren oder gedrosselt werden. Deshalb  schusskapazitäten und damit auch überschüssig pro-
               kam es in Deutschland in der Vergangenheit häufig zu  duzierter Strom aus Deutschland, den die Schweiz
               einem Angebotsüberschuss von Strom, der exportiert  bislang  während  des  Winterhalbjahres  importierte,
               wurde. Mit dem Atomausstieg Deutschlands bis zum  auch künftig zur Verfügung stehen. Mit dem Ausstieg
               Jahr 2022 sowie dem kürzlich ebenfalls beschlosse-  Deutschlands aus der Kernenergie wird sich zudem
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               nen Aus stieg aus der Energiegewinnung durch Stein-  der Strommix während des Winterhalbjahres bezüg-
               und Braunkohle («Kohleausstieg») bis spätestens 2038  lich CO -Emissionen voraussichtlich verschlechtern.
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               fällt in unserem Nachbarland ein grosser Teil der Back-
               up-Kapazität für die erneuerbaren Energien weg, die  Auch Frankreich, aus dem die Schweiz rund ein Vier-
               anderweitig ersetzt werden muss.               tel ihres Bruttostromimports im Winter erhält, sowie
                                                              Österreich mit 20 Prozent befinden sich mitten im Um-
               Das Projekt Nord  Stream 2   – eine Gaspipeline mit  bau ihrer Energiesysteme und ihrer Kraftwerkparks.
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               enormer Kapazität als Direktverbindung zwischen der  Mit der weitgehend ersatzlosen Stilllegung des elsäs-
               Narwa-Bucht in Russland und Lubmin an der deut-  sischen Kernkraftwerks Fessenheim im Jahr 2020 
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               schen Ostseeküste – macht indes deutlich, woher die-  wurde auch in den zur Schweiz grenznahen französi-
               se Reservekapazitäten in Zukunft kommen sollen.  schen Regionen die Winterstromversorgung deutlich
               Deutschland investiert derzeit stark in Stromproduk-  angespannter. Bis Ende 2017 waren die drei Schwei-
               tionsanlagen, die mit Gas betrieben werden. Auch aus  zer Energiekonzerne Alpiq, Axpo und BKW Energie
               der Überlegung, dass nicht nur fossiles importiertes  mit 15 Prozent am Kernkraftwerk Fessenheim betei-
               Gas darin zum Einsatz kommen kann, sondern auch  ligt. Im Gegenzug wurden ihnen 15 Prozent der Strom-
               Gas aus erneuerbaren Energien, das aus Strompro-  produktion zugesichert. Die Möglichkeit, aus diesen
               duktionsüberschüssen mittels Power-to-Gas (P2G) ge-  Ländern während des Winterhalbjahres ausreichend
               wonnen wird. Mit Gas betriebene Stromanlagen haben  Strom zu importieren, damit die Versorgungssicher-
               zudem den Vorteil, dass sie deutlich rascher hoch-  heit in der Schweiz gewährleistet ist, wird daher eben-
               oder runtergefahren werden können als andere fossile  falls zukünftig eingeschränkt sein.
               Kraftwerke. So können sie sich flexibel an die Nachfra-
               ge nach Strom und das durch erneuerbare Energien
               abgedeckte Angebot anpassen. Ab 2023 könnte jedoch
               auch in Süddeutschland der Strom während des Winter-
               halbjahres infolge der Abschaltung von vier grossen
               Kernkraftwerken in Bayern und Baden-Württemberg 
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               knapp werden. Die wegfallende Kapazität wird des-
               halb durch bestehende und derzeit im Bau befindliche
               Gas- und Dampfkraftwerke (GuD) sowie bestehende
                                                              ⁸   Nachdem die Arbeiten an diesem Projekt zeitweise ruhten,
               Kohlekraftwerke aufgefangen, die ebenfalls bislang     wurde die Rohrverlegung im Dezember 2020 wieder auf-
               für die Spitzenlast sowie den Export Strom produzier-  genommen. Eine Fertigstellung wird für das Frühjahr 2021 erwartet.
                                                              ⁹   KKW Philippsburg 2 (1’400 MW) 2019 abgestellt, KKW
               ten. Gleichzeitig ist der Stromnetzumbau – insbeson-    Gundremmingen C (1’344 MW) Betrieb bis 2021, KKW Neckarwest -
               dere die Realisierung leistungsfähiger Stromtrassen   heim 2 (1’300 MW) Betrieb bis 2022, KKW Isar 2 (1’447 MW)
                                                                 Betrieb bis 2022.
               zum Transport von Windstrom von der deutschen   ¹⁰  Total 1’840 MW Leistung.




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