Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz gehen Hand in Hand

09.12.2021

Bei der Frage um die Nachhaltigkeit des Handels rückt der Transport vermehrt ins Zentrum der Diskussion. Logistik-Unternehmen erfüllen eine wichtige Funktion des Handels, indem sie Produkte möglichst effizient von A nach B transportieren. Dabei verursachen sie jedoch auch Treibhausemissionen. Als Export-Drehscheibe der Schweiz beheimatet die Region Basel eine hohe Zahl an Logistik-Unternehmen. Wir haben uns mit Vinko Castrogiovanni, Managing Director Switzerland der Logistik-Firma Fiege, getroffen und mit ihm über Logistik, Nachhaltigkeit und Versorgungssicherheit gesprochen.

 

Die Pandemie hat die globalen Lieferketten durcheinandergebracht. Wie haben Sie das bei Fiege erlebt und wie sieht die Lage zurzeit aus?

Wir erleben dies sowohl direkt als auch indirekt durch unsere Kunden. Pandemisch bedingt haben wir das Glück, dass wir aufgrund unserer Kundenstruktur – also dass diese in verschiedenen Branchen tätig sind – nicht so stark betroffen waren. In den Branchen Chemie und Pharma lief es stabil bis sehr gut weiter, im Bereich Online Retail sogar wesentlich stärker, wohingegen die Verkaufszahlen im stationären Retail drastisch runtergingen. In der internationalen Spedition und im nationalen Transport hatten wir den gleichen Effekt und haben hier, auch durch unsere Kundenstruktur getrieben, einen verzögerten Nachholeffekt gespürt. Aktuell ist das Volumen der Aufträge stark und stabil. Dies liegt allerdings auch am Jahresendspurt, dem Weihnachtsgeschäft und an den Internetfeiertagen wie Black Friday, Cyber Monday oder dem Singles Day.

Sind die jetzigen Verwerfungen in den Lieferketten vorübergehender Natur oder sehen Sie auch langfristige Veränderungen?

Ich denke bei den extrem starken Verwerfungen, die wir in den letzten Monaten gesehen haben, kamen viele Dinge zusammen. Die Pandemie, Unwetterkatastrophen, welche die Containerterminals lahmgelegt haben, oder auch die Suez-Blockade durch das Schiff «Ever Given», die starke Auswirkungen hatten. Diese Katastrophen sowie die Verknappung von Schiffkapazitäten und die extrem hohen Frachtraten haben eine grosse Verunsicherung bei den Industrieunternehmen herbeigeführt. Dies zeigt sich insbesondere durch die Erhöhung von Beständen, was sich wiederum auf die Verfügbarkeit von Lagerflächen auswirkt. Wir kommen bei der Lager-Verfügbarkeit inzwischen an eine natürliche Grenze.

Der Logistik-Markt hat sich allgemein von einem Nachfragemarkt zu einem Anbietermarkt gewandelt. Früher waren es die verladenden Unternehmen, die die Preise kontrollieren konnten, nun sind es die Reedereien und die Spediteure. Es wird fast jeder Preis bezahlt, weil die Kapazitäten knapp sind. Die jetzige Lage halte ich nicht für gesund und nachhaltig. Ich persönlich denke, dass sich alle Parteien, die an der Supply Chain beteiligt sind, mit der Zeit auf ein gesundes Niveau und Stabilität einigen werden. Es ist aber schwer abzuschätzen, wann sich die Situation normalisiert.

Der Klimagipfel in Glasgow hat gezeigt, dass wir immer noch sehr viel tun müssen, um den Klimawandel zu stoppen. Wäre es nicht sinnvoll, weniger Güter um die Welt zu transportieren und stattdessen mehr selber herzustellen?

Es ist wichtig, dass wir diese Frage ganzheitlich betrachten. Der Transport macht bei vielen Produkten nur einen kleinen Teil der Ökobilanz aus. Wenn Sie zum Beispiel den Lebenszyklus eines Iphones anschauen, dann entfällt nur ein kleiner Teil der CO2-Emissionen auf den Transport. Der grösste Anteil – etwa 80 Prozent - liegt in der Produktion. Bei anderen Produkten mit geringerem Wertschöpfungsanteil – wie etwa Lebensmitteln - sieht es oft anders aus und eine lokale Produktion ist naheliegend. Aber auch dort ist es wichtig, dass das Produkt dort hergestellt wird, wo dies möglichst umweltfreundlich gelingt. Das heisst nicht, dass wir den Transport ausser Acht lassen sollten. Wir sollten aber die Ökobilanz eines Produkts immer ganzheitlich betrachten und auch die Herstellung und das Sourcing miteinbeziehen.

Die Schiffe, Flugzeuge und Lastwagen, die wir für den Transport brauchen, stossen viel CO2 aus. Welche Möglichkeiten gibt es, diese Emissionen zu reduzieren und was tut Ihre Branche konkret?

Es gibt in der Logistik sehr viele Möglichkeiten, die Treibhaus-Emissionen zu reduzieren. Auf der technologischen Seite geht es vor allem um alternative Antriebe. Stichwort elektrischer Antrieb, Wasserstoff, synthetische Treibstoffe oder grüne Treibstoffe. Da wird zurzeit sehr viel gemacht. Noch wichtiger sind aber meiner Meinung nach die organisatorischen Möglichkeiten. Das heisst, dass wir die Transportrouten optimieren, die Auslastung erhöhen und Leerfahrten vermeiden. Hier sehen wir, dass Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz Hand in Hand gehen. Die kontinuierliche Effizienzsteigerung, welche der Markt verlangt, hilft letzten Endes auch der Umwelt. Transport- und Speditionsunternehmen suchen mit ihren Kunden stets neue Lösungen, um Transporte besser auszulasten. Das gehört zum Geschäft. Fahrer werden geschult, damit sie möglichst energieeffizient fahren. Gewisse produzierende und handelnde Unternehmen – auch kleinere - fahren immer noch mit eigenen LKWs. Hier müsste man schauen, dass man gemeinsam versucht, Synergien zu finden, um die bestehenden Kapazitäten besser zu nutzen.

Kunden möchten für die Lieferung ihrer Produkte möglichst wenig bezahlen. Spielt da die Nachhaltigkeit überhaupt eine Rolle?

Die Empfänger möchten für die Lieferung natürlich möglichst wenig zahlen und viele Kunden stellen noch immer die Kosten vor die Ökologie. Dies scheint sich jedoch nach und nach zu ändern. Grundsätzlich gilt aber auch hier, dass uns der Kostendruck zwingt, immer effizienter zu werden. Effizienter heisst auch ökologischer. Immer mehr Kunden fragen uns auch direkt, was wir alles für die Nachhaltigkeit tun. Dabei geht es nicht nur um ökologische Aspekte, sondern zum Beispiel auch um die Qualität der Arbeitsumgebung oder Gender Equality. Optimierungspotential sehen wir beispielsweise bei den Massengütern. Hier ist der Preisdruck so hoch, dass gewisse Unternehmen anstatt die Bahn den LKW nutzen, wenn und sobald dieser unwesentlich günstiger ist. Da braucht es mehr Transparenz und ein Umdenken. Auf der anderen Seite gibt es aber auch immer mehr Kunden, die mit uns Projekte machen, um ihren Carbon-Footprint gezielt zu reduzieren. Wir prüfen zurzeit auch eine neue Dienstleistung, bei der sich unsere Kundschaft an Emissionsreduktions-Projekten in der Schweiz beteiligen können.

Die Pandemie hat uns bewusst gemacht, wie abhängig wir von ausländischen Lieferungen sind. Ist die Versorgungssicherheit der Schweiz ausreichend? Wenn nein, was müssten wir tun, um diese zu verbessern?

Ich denke das ist eine Befürchtung, die bei jeder künftigen Krise wieder zum Thema wird. Grundsätzlich denke ich, dass die Versorgungssicherheit der Schweiz zurzeit ausreichend ist. Wir haben sowohl die Unternehmen, die dafür sorgen als auch den Bund mit Massnahmen wie der Pflichtlagerpolitik. Die Spitäler beispielsweise halten Pandemielager. Auch wir bieten solche Lager für verschiedene Kunden an. Ich habe den Eindruck, dass die Krisenlager schweizweit etwas besser koordiniert werden könnte. Da gibt es bestimmt ein gewisses Optimierungspotential. Auch im Handel und in der Industrie gibt es einiges zu verbessern. Den Just-in-time-Ansatz, vor allem international, halte ich in Zeiten, in denen die Supply Chains nicht gestört werden, für theoretisch sehr sinnvoll, aber es hat sich ja nun gezeigt, dass es nicht nachhaltig ist. Unternehmen sollten ihre Lieferketten und die Lagerhaltung von Grund auf durchdenken und optimieren, um krisenfester zu werden. Vieles davon geschieht auch bereits und Unternehmen wie das unsere stehen hier gerne unterstützend zur Verfügung.

Vinko Castrogiovanni ist Managing Director Switzerland der Logistik-Firma Fiege

 

Fiege Logistik (Schweiz) AG

FIEGE ist ein familiengeführtes Unternehmen in der fünften Generation und einer der führenden Kontraktlogistiker Europas. Das Unternehmen optimiert die Wertschöpfungsketten seiner Kunden in sämtlichen Teilbereichen bis hin zur vollständigen Abwicklung aller logistischen Aktivitäten. In der Schweiz beschäftigt Fiege an 6 Standorten rund 400 Mitarbeiter und innovative Supply Chain und Fulfillment Lösungen für die Branchen Retail, ECommerce, Pharma/Healthcare, Industrie und Chemie.

Der Weg zu mehr Wohlstand und einer nachhaltigeren Entwicklung ist eine gemeinsame Aufgabe von uns allen. Unternehmen spielen dabei eine zentrale Rolle. Handel und ausländische Direktinvestitionen haben die Armut auf der Welt in den letzten Jahrzehnten massiv reduziert. Die Lebensqualität und der Wohlstand haben insgesamt deutlich zugenommen. Langfristig wirkt sich der Handel auch positiv auf die Umwelt aus. Laut UNO ist der Handel ein zentraler Schlüssel für die Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele. Auch die Unternehmen der Region Basel spielen dabei eine wichtige Rolle. Mit ihren hohen Standards und ihren innovativen Produkten leisten sie einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigeren Entwicklung auf der Welt. Mit einer Beitragsreihe wollen wir aufzeigen, warum Handel die Nachhaltigkeit begünstigt und nicht hemmt.

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Daniel Kehl, Habasit

Dr. Monica Rubiolo, Staatssekretariat für Wirtschaft

Salome Hofer, Coop

Prof. Rolf Weder, Universität Basel

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