Eine nachhaltige Produktion ist fast überall möglich

06.09.2021

Die Schweiz ist bekannt für ihren Erfolg im Export. Aber auch beim Import gehört die Schweiz zu den führenden Ländern der Welt. Der Aufbau komplexer Lieferketten für die Einfuhr von Lebensmitteln oder Industriegütern ist eine grosse Stärke zahlreicher Schweizer Unternehmen. Dabei spielt auch die Nachhaltigkeit eine immer wichtigere Rolle. Lieferketten nach hohen Standards zu gestalten, ist eine grosse Herausforderung aber auch eine Chance für Schweizer Importeure. Wir haben mit Salome Hofer, Leiterin Nachhaltigkeit bei Coop über Nachhaltigkeitsstandards, Versorgungssicherheit und die Bedeutung von Freihandelsabkommen gesprochen.

Lebensmittel aus dem Ausland haben einen schlechten Ruf. Man denkt dabei an überfischte Meere, schwindende Waldflächen, Luftverschmutzung oder Massentierhaltung. Wäre es besser für die Umwelt, wenn wir nur noch inländische Lebensmittel konsumieren?

Nein, das glaube ich nicht. Eine nachhaltige Produktion ist grundsätzlich überall möglich. Richtig ist aber, dass in der Schweiz die Umweltstandards strenger sind als im Ausland. Wir sind aber ohnehin auf Lebensmittel aus dem Ausland angewiesen, deshalb finde ich es falsch, Nachhaltigkeit rein regional oder gar lokal zu denken. International betrachtet sind einheitliche Standards mit einer hohen Glaubwürdigkeit entscheidend. Ein gutes Beispiel ist Fairtrade Max Havelaar, ein Fairtrade-Standard, mit dem wir bereits seit vielen Jahren zusammenarbeiten. Das ist ein verlässlicher Standard für Fairtrade-Produkte, der in vielen Ländern der südlichen Halbkugel zum Einsatz kommt und funktioniert.

Bei welchen importierten Produkten ist es schwierig, die nachhaltige Produktion sicherzustellen?

Ein aktuelles Beispiel ist Kokosöl. Der Bedarf nimmt zu, insbesondere aufgrund der steigenden Nachfrage nach veganen Produkten. Kokosöl eignet sich aufgrund seiner Beschaffenheit für viele Anwendungen. Das Öl wird aber zurzeit erst in geringen Mengen mit nachhaltigen Standards hergestellt. Hier müssen wir nun eine Bio-Fairtrade Beschaffungskette aufbauen. Dazu arbeiten wir in diesem Beispiel eng mit dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) und weiteren Partnern zusammen. Auch bei anderen Produkten, die bis jetzt vorwiegend konventionell hergestellt wurden, bauen wir nachhaltige Lieferketten eigenständig auf, sowohl in der Schweiz als auch im Ausland.

In der Schweiz wird viel Kaffee und Kakao verarbeitet, Rohstoffe die punkto Ökobilanz und Arbeitsbedingungen umstritten sind. Machen die Hersteller genug, um die Nachhaltigkeit bei diesen Produkten zu fördern?

Bei nachhaltiger Schokolade sind wir mit unserem Produktionsbetrieb Halba führend in der Schweiz. Wir haben enorm viel erreicht. Heute sind 88% der von Halba abgesetzten Schokolade gemäss einem Nachhaltigkeitsstandard produziert. Unsere nachhaltige Schokolade ist auch im Ausland beliebt. In der gesamten Branche hat ein grosses Umdenken stattgefunden. Viele weitere Schweizer Hersteller von Kaffee und Schokolade haben sich mittlerweile auch der Nachhaltigkeit verpflichtet und arbeiten mit entsprechenden Standards.

Die Abstimmung über das Freihandelsabkommen mit Indonesien hat gezeigt, dass viele Menschen den Nachhaltigkeitsstandards bei Produkten wie Palmöl nicht vertrauen. Was können wir tun, um dieses Vertrauen zu stärken?

Im Kern geht es um die Glaubwürdigkeit eines Standards. Dazu braucht es in erster Linie unabhängige und unangekündigte Überprüfungen. Gleichzeitig müssen wir die Standards weiterentwickeln. Ein Beispiel ist der MSC-Standard für Fisch und Meeresfrüchte. Dort gab es in letzter Zeit Kritik an der Wirksamkeit. Die Probleme sind erkannt und werden angegangen. Pauschale Kritik am MSC-Standard, ohne dabei konkrete Lösungen anzubieten, bringt wenig. Die Standards können weiterentwickelt und verbessert werden. Dazu braucht es die Mitwirkung aller beteiligten Akteure.

Wie sieht es beim Palmöl aus?

Palmöl hat sehr gute Eigenschaften. Für zahlreiche Produkte stehen aktuell noch keine Alternativen bereit, da diese teilweise grossen Einfluss auf die Beschaffenheit, Textur und Qualität eines Produkts haben können. Der Ertrag pro Fläche ist bei Palmöl sehr hoch und dementsprechend die Produktion sehr effizient. Aber es gibt bezüglich Umwelt- und Sozialstandards grosse Herausforderungen. Genau deshalb fördert Coop seit vielen Jahren den Anbau von nachhaltigem Palmöl in den betroffenen Ländern und setzt künftig bei den Coop-Eigenmarken auf Bio-Knospe-Palmöl.

Kritiker des Freihandels verlangen, dass wir mit Ländern wie Brasilien oder Indonesien gar nicht erst handeln, weil es dort keinen Umweltschutz und keine Arbeiterrechte gäbe. Wie sehen Sie das?

Ich halte Isolation für den falschen Ansatz. Coop als Unternehmen hat andere Unternehmen als Geschäftspartner und keine Staaten. Für uns ist entscheidend, dass sich unsere Geschäftspartner an unsere Nachhaltigkeitsanforderungen halten. Mit langfristigen Beziehungen zu Geschäftspartnern haben wir in vielen Regionen zu mehr Nachhaltigkeit in der Produktion beigetragen.

Manche halten Nachhaltigkeit für einen Marketing-Trick. Unternehmen würden weiterhin Profit auf Kosten der Umwelt und der Arbeitsbedingungen vor Ort machen. Wie reagieren sie auf solche Kritik?

Wir wissen, dass wir mit den richtigen Standards und Massnahmen zu mehr Nachhaltigkeit für unsere Kundinnen und Kunden beitragen können und wir werden diesen Weg auch in Zukunft weitergehen. Auch bei den Herstellern steht das Thema Nachhaltigkeit immer mehr im Fokus.

Die Pandemie hat den Wunsch nach Selbstversorgung gestärkt. Wie gross ist die Gefahr, dass wir in einer Krise nicht genug Lebensmittel haben und wie können wir uns dagegen wappnen?

Der Schweizer Detailhandel hat in der Pandemie eindrücklich bewiesen, dass wir die Versorgung sicherstellen können, auch wenn es nicht immer einfach war. Ich sehe es als wenig realistisch an, dass wir wirklich ein ernsthaftes Versorgungsproblem bekommen. Bei Coop setzten wir gezielt auf langfristige Beziehungen zu verschiedenen Lieferanten. Das schafft Vertrauen und bietet uns kurzfristige Ausweichmöglichkeiten. Die Schweiz ist von der Grösse und den klimatischen Bedingungen her aktuell beispielsweise nicht in der Lage, gewisse Gemüsesorten in genügender Menge zu produzieren. Die Einbindung anderer Länder in unsere Handelsbeziehungen ist wichtig für die dortige Entwicklung und hilft uns bei der Versorgungssicherheit.

Salome Hofer ist Leiterin Nachhaltigkeit bei Coop

Der Weg zu mehr Wohlstand und einer nachhaltigeren Entwicklung ist eine gemeinsame Aufgabe von uns allen. Unternehmen spielen dabei eine zentrale Rolle. Handel und ausländische Direktinvestitionen haben die Armut auf der Welt in den letzten Jahrzehnten massiv reduziert. Die Lebensqualität und der Wohlstand haben insgesamt deutlich zugenommen. Langfristig wirkt sich der Handel auch positiv auf die Umwelt aus. Laut UNO ist der Handel ein zentraler Schlüssel für die Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele. Auch die Unternehmen der Region Basel spielen dabei eine wichtige Rolle. Mit ihren hohen Standards und ihren innovativen Produkten leisten sie einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigeren Entwicklung auf der Welt. Mit einer Beitragsreihe wollen wir aufzeigen, warum Handel die Nachhaltigkeit begünstigt und nicht hemmt.

Lesen Sie mehr zu #WANDELDURCHHANDEL

Daniel Kehl, Habasit

Dr. Monica Rubiolo, Staatssekretariat für Wirtschaft

Vinko Castrogiovanni, Fiege

Prof. Rolf Weder, Universität Basel

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Kommentare

Es wurden noch keine Kommentare verfasst.

Member.HUB