Vertragspaket Bilaterale III

08.09.2025

Die Handelskammer beider Basel spricht sich mit Nachdruck für das Vertragspaket der Bilateralen III aus. Wir begrüssen die Stabilisierung und Weiterentwicklung des bewährten Bilateralen Wegs als eine strategische Investition in die Zukunft unserer Region und der ganzen Schweiz.

Die bilateralen Abkommen sind ein individuell ausgehandelter Schweizer Weg. Während andere Länder entweder Mitglied der EU sind oder gar keinen privilegierten Zugang zum Binnenmarkt haben, hat die Schweiz sich mit grossem diplomatischem Geschick ein massgeschneidertes Verhältnis zur EU geschaffen. Darauf können wir als Wirtschaftsnation stolz sein. Das vom Bundesrat mit der EU ausgehandelte Vertragspaket (Bilaterale III) sichert die erfolgreiche Weiterführung dieses Schweizer Wegs – klug, selbstbewusst und unabhängig.
Die Vernehmlassung zu den Bilateralen III umfasst im Wesentlichen die Protokolle zur Stabilisierung der bestehenden fünf Marktzugangsabkommen, drei neue Abkommen in den Bereichen Strom, Lebensmittelsicherheit und Gesundheit sowie Programmabkommen für Forschung und Weltraum und das Abkommen über den Schweizer Beitrag (Kohäsionsbeitrag). Dazu kommen verschiedene innenpolitische Begleitmassnahmen für die bestehenden und neuen Abkommen. Wir beziehen uns im Folgenden auf die für die Region Basel wichtigsten Aspekte der Vernehmlassung.

Marktzugang und MRA – zentraler Erfolgsfaktor für unsere Exportindustrie

Die EU ist und bleibt mit Abstand die wichtigste Handelspartnerin der Schweiz. 2023 entfielen 59 Prozent aller Warenexporte und -importe auf sie. Das MRA (Mutual Recognition Agreement), das 20 wichtige Produktkategorien abdeckt, ermöglicht es unseren Unternehmen, ihre Produkte nach schweizerischer Prüfung direkt in der EU in Verkehr zu bringen – ein entscheidender Vorteil für die hoch spezialisierte und tief in europäische Wertschöpfungsketten integrierte Schweizer Industrie. Die neu in den Bilateralen III verankerten institutionellen Elemente schützen die Schweiz in Zukunft vor einer willkürlichen Nicht-Aktualisierung des Abkommens durch die EU – wie im Bereich der Medizintechnik geschehen. Die Unternehmen profitieren von Planungssicherheit und Gleichbehandlung mit ihren Konkurrenten in der EU. Wir begrüssen es, dass bei der Rechtsentwicklung im MRA das Prinzip der Ergebniskompatibilität gilt. Das heisst, die Schweizer Regelung muss lediglich gleichwertig zu den EU-Rechtsakten sein, was eine eigenständige Schweizer Umsetzung mit einem gewissen Handlungsspielraum erlaubt. Aufgrund der Bedeutung und Dringlichkeit des MRA fordern wir, dass das MRA unabhängig vom Ratifikationsprozess möglichst rasch aktualisiert wird.

Personenfreizügigkeit – Grundlage für Fachkräfte, Wohlstand und Sozialwerke

Die Personenfreizügigkeit ist von höchster Bedeutung für die Unternehmen der Region Basel, die auf qualifizierte Fachkräfte angewiesen sind. Während in der Schweiz mehr Arbeitskräfte aus dem Erwerbsleben ausscheiden als junge Menschen nachrücken, füllt die qualifizierte Zuwanderung diese Lücke. Schätzungen gehen davon aus, dass bis 2035 rund 460’000 Personen im Arbeitsmarkt fehlen werden. Die Erwerbsquote der in der Schweiz lebenden EU-Staatsangehörigen ist dabei höher als die der einheimischen Bevölkerung. Insbesondere auch das Gesundheitswesen würde ohne Ärzte, Pflegepersonen und andere Fachkräfte aus der EU an seine Grenzen stossen.

Seit 1999 ist das reale BIP pro Kopf um 25 Prozent gestiegen – eine Wohlstandssteigerung, die nahezu doppelt so hoch ist wie in Deutschland und fast drei Mal so hoch wie in Frankreich. Auch die Löhne – einschliesslich der unteren Einkommen – sind laut Schweizerischem Lohnindex kontinuierlich gestiegen. Die qualifizierte Zuwanderung stützt zudem langfristig die Sozialversicherungen – wie ein aktueller Forschungsbericht zeigt. Zugewanderte zahlen mehr Beiträge ein, als sie Leistungen beziehen.

Die Anpassungen am Freizügigkeitsabkommen und die vom Bundesrat vorgeschlagene innenpolitische Umsetzung stellen sicher, dass die Freizügigkeit in einer für die Schweiz verträglichen Weise ausgestaltet bleibt. Es ist keine schrankenlose Einladung, sondern eine massgeschneiderte Lösung mit klaren Eckwerten: Einwanderung in die Sozialwerke wird verhindert, der Lohnschutz bleibt gewährleistet, die Schweiz behält die Möglichkeit zur Ausweisung krimineller EU-Bürger und kann die Freizügigkeit aufheben, wenn besondere Umstände es rechtfertigen. Es ist entscheidend, dass der flexible Arbeitsmarkt als zentraler Standortvorteil der Schweiz gewahrt bleibt – die vorgeschlagene Umsetzung trägt diesem Grundsatz grundsätzlich Rechnung. Allerdings lehnen wir die vom Bundesrat vorgeschlagene, sachfremde Massnahme 14 im Bereich des Kündigungsschutzes klar ab, da sie in keinem Zusammenhang mit dem Lohnschutz steht.

Forschung – Zukunftsfähigkeit und Innovationskraft sichern

Die Region Basel ist ein weltweit führender Forschungs- und Innovationsstandort. Das Forschungsabkommen stellt sicher, dass die Schweiz dauerhaft an Horizon Europe und künftigen Forschungsprogrammen teilnehmen kann. Besonders erfreulich ist der vollständige Zugang zu den strategischen Bereichen der EU wie Künstlicher Intelligenz sowie Quanten- und Raumfahrttechnologien. Für unsere Hochschulen ist der Zugang zu Horizon entscheidend, um weiterhin die besten Talente anziehen und in der Champions League der Forschung mitspielen zu können. Aber auch KMU und Start-ups profitieren. Für sie eröffnen die EU-Forschungsprogramme Zugang zu Fördermitteln, Partnerschaften und dem europäischen Binnenmarkt. Damit bleibt unsere Region attraktiv für Talente und Investitionen.

Stromabkommen – ein Pfeiler der Versorgungssicherheit

Eine sichere, stabile und bezahlbare Stromversorgung ist für die Schweiz nur möglich, wenn wir im Strombereich eng mit der EU zusammenarbeiten. Das Stromabkommen ist dafür unabdingbar. Es ermöglicht die gleichberechtigte Teilnahme an Handelsplattformen, steigert die Netzstabilität und sorgt dafür, dass neu auch Privatkunden ihren Stromanbieter frei wählen können. Ein Verbleib in der Grundversorgung ist weiterhin möglich. Positiv hervorzuheben ist, dass die für das Stromabkommen relevanten Umweltrechtsakte der EU nicht 1:1 übernommen werden müssen, sondern ein vergleichbares Schutzniveau genügt. So bleibt Raum für eine schlanke, auf Schweizer Bedürfnisse zugeschnittene Umsetzung.

Institutionelle Regelungen – Stabilität und Rechtssicherheit schaffen

Die Bilateralen III regeln erstmals verbindlich die dynamische Rechtsübernahme, beschränkt auf den Geltungsbereich der Abkommen. Diese Regelung garantiert unseren Unternehmen gleich lange Spiesse im Wettbewerb mit ihren europäischen Mitbewerbern, schützt vor Diskriminierung und sorgt für langfristige Planungssicherheit.

Der Streitbeilegungsmechanismus stellt sicher, dass Konflikte professionell und fair geklärt werden. Die Nutzung eines paritätischen Schiedsgerichts hat sich in anderen internationalen Abkommen bewährt. Der Europäische Gerichtshof wird ausschliesslich für die Auslegung von EU-Recht beigezogen. Ausgleichsmassnahmen müssen verhältnismässig ausgestaltet sein, die Verantwortung dafür liegt beim paritätischen Schiedsgericht. Sehr erfreulich ist zudem, dass es keine «Super-Guillotine» gibt, d.h. bei einem Nein zu einem neuen Abkommen sind die restlichen Verträge nicht betroffen. All das verhindert Willkür und stärkt die Rechtssicherheit.

Besonders begrüssen wir, dass die Schweiz künftig ein Mitspracherecht erhält, wenn die EU Bestimmungen aus den Bilateralen Verträgen überarbeitet. Damit kann die Schweiz ihre Interessen und Anliegen bei der Entwicklung neuer EU-Rechtsvorschriften, die für die Schweiz relevant sind, einbringen, bevor diese von der EU formal beschlossen werden. Wir erwarten vom Bundesrat, dass er diese Rolle aktiv wahrnimmt und die Wirtschaftsverbände frühzeitig in diesen Prozess miteinbezieht.

Fazit

Die Bilateralen III ermöglichen die Stabilisierung und Weiterentwicklung des bewährten bilateralen Wegs mit der EU. Zentrale Pfeiler in Handel, Forschung, Energie und Personenfreizügigkeit werden gestärkt. Das Vertragspaket ist massgeschneidert auf die Bedürfnisse der Schweiz, sichert den diskriminierungsfreien Zugang zum Binnenmarkt und schützt unsere Interessen.

Wir fordern deshalb eine rasche Ratifikation und eine Umsetzung, die schlank, unbürokratisch und unternehmensfreundlich bleibt. Es darf keine nationalen Überregulierungen geben, die über das EU-Recht hinaus gehen.

Gerade in Zeiten geopolitischer Spannungen, wirtschaftlicher Unsicherheit und eines schwächelnden Multilateralismus sind die Bilateralen III von strategischer Bedeutung. Sie stärken den Wirtschaftsstandort der Region Basel, sichern Arbeitsplätze und tragen zum Wohlstand und zur Lebensqualität in der ganzen Schweiz bei.

Wir unterstützen die Bilateralen III mit Überzeugung und appellieren an alle politischen Kräfte, die Weichen für eine erfolgreiche und stabile Zukunft unseres Landes zu stellen.

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