Raumkonzept Schweiz
Die Handelskammer beider Basel unterstützt grundsätzlich das im Raumkonzept formulierte Leitbild der Innenentwicklung. Wir begrüssen den Fokus auf eine nachhaltige Raumnutzung – sehen jedoch erhebliche Umsetzungsdefizite. Die aktuellen Rahmenbedingungen verhindern eine wirksame Verdichtung, erschweren Investitionen und gefährden die Standortattraktivität der Schweiz.
Das Raumkonzept bleibt zu vage, wenn es um die zentralen Hürden der Innenentwicklung geht: nicht mehr zeitgemässe Planungsinstrumente, langwierige Verfahren und ein zu geringes Gewicht wirtschaftlicher Aspekte. Die Innenentwicklung braucht bessere Voraussetzungen – sowohl rechtlich als auch institutionell.
Ausgangslage
Entsprechend der Leitidee des Raumkonzepts wird eine vielfältige Schweiz angestrebt, die allen Raum bietet, um sich gesellschaftlich und wirtschaftlich zu entfalten. Dabei sollen die Menschen umweltverträglich handeln, Ressourcen schonen und bestehende Strukturen weiterentwickeln. Der zusätzlich benötigte Platz soll «meistens im Bestand durch Transformation und Weiterentwicklung» entstehen. Das Prinzip der Innenentwicklung wird im Raumkonzept zu Recht hervorgehoben. In der Realität jedoch scheitert die Umsetzung an zunehmend hemmenden Rahmenbedingungen. Die Verdichtung nach innen ist jedoch dringend erforderlich, doch unter den aktuellen Bedingungen kaum praktikabel. Die Planungspraxis ist durch hohe Komplexität, langsame Prozesse und mangelnde Flexibilität geprägt. Es zeigt sich, dass die Nutzungskonflikte und die Wohnungsnot zunehmen – ohne dass das vorliegende Konzept klare Lösungsansätze bietet. Das Konzept setzt vor allem auf Teilhabe, Mitwirkung Dritter und die Stärkung transparenter Prozesse. Konkrete Lösungsvorschläge für die Zielkonflikte zwischen den Klimazielen, dem knappen Boden und dem Bedürfnis nach mehr Arbeits-, Logistik- und Wohnflächen werden nicht aufgezeigt. Das Konzept lässt Optimierungen bei den formellen und materiellen Rahmenbedingungen vermissen. Letztlich scheint die Verantwortung auf die «Unternehmen, die raumwirksame Tätigkeiten ausüben», übertragen zu werden – so tragen «diese (...) auch Verantwortung für die nachhaltige Raumentwicklung – besonders solche mit öffentlicher Beteiligung». Trotz fehlender Gesetzeskraft dient das Raumkonzept faktisch als Orientierungsrahmen für raumrelevante Entscheide. Entsprechend fordern wir eine stärkere Fokussierung auf die Umsetzungshürden – in klarer, wirtschaftsnaher Sprache.
Hauptforderungen
Raumplanung
- Innenentwicklung zur Priorität erklären: Die vom RPG geforderte Verdichtung wird nicht erreicht. Die Folge sind steigende Immobilienpreise, die Verdrängung von Wirtschafts- und Logistikflächen und eine ineffiziente Raumnutzung – ein Verdichtungsversagen mit volkswirtschaftlichen Konsequenzen.
- Einführung einer vierten Strategie umsetzen: Inhalt ist die Optimierung der Vorgaben zur Raumplanung sowie zum Verfahrens- und Planungsrecht. Dabei können exemplarisch folgende Punkte als eine Grundlage dieser angesehen werden:
- Beschleunigung der Verfahren
- Einschränkung von Einsprachemöglichkeiten
- Einführung eines Bundes-Labels: Für strategisch relevante Arbeitszonen sowie beschleunigte Verfahren.
- Aktualisierung der Planungsinstrumente
- Die Nutzungsplanung muss modernisiert werden, um besser auf dynamische Entwicklungen reagieren zu können.
- Ländliche und urbane Räume differenziert betrachten: Differenzierte Strategien je nach Raumtyp statt einheitlicher Lösungsansätze.
- Optimierung des Bau- und Planungsrechts
- Einführung von Mindestbauhöhen, eines Bonus-/Malus-Systems für den Verdichtungsfortschritt sowie einer Priorisierung von Dichte.
- Stärkung regionaler Strukturen: Durch Förderung interkommunaler Entwicklungsträger, gestützt auf klare Leistungsvereinbarungen zwischen Bund, Kantonen, Gemeinden und Wirtschaft.
- Insbesondere Regionen wie das Laufental mit erkennbarem Entwicklungspotenzial verdienen im Raumkonzept besondere Beachtung. Die im Konzept aufgelisteten Gebiete bedürfen aus unserer Sicht Ergänzungen.
- Aktualisierung der Planungsinstrumente
- Wirtschaftliche Nutzungen besser integrieren: Raumplanung ist Standortpolitik. Sie muss wirtschaftliche Nutzungen aktiv fördern – nicht behindern. Auch könnte der Begriff 'Wirtschaft' noch differenziert dargestellt werden. Insbesondere die Industrie und ihre Bedürfnisse an den Raum werden im Konzept zu wenig thematisiert.
- Reformbedarf insbesondere in Städten: Die städtische Planung bleibt hinter den Möglichkeiten zurück. Teils wirkt sie durch überregulierende Ansätze sogar verdichtungshemmend – «Planung muss ermöglichen, nicht blockieren».
- Positiv bewerten wir den Ansatz zur Förderung räumlicher und regionaler Stärken. Dieser könnte noch ausgebaut werden, denn in der kleinräumigen Schweiz muss nicht jede Region jede Funktion erfüllen. Eine funktionale Schwerpunktsetzung begünstigt eine effizientere Raumnutzung.
- Wir sind der Meinung, dass das Raumkonzept explizit auf die Bedürfnisse künftiger Generationen – insbesondere der Jugend, Familien und jungen Fachkräfte – eingehen sollte.
Mobilität & Energie
- Das Raumkonzept soll Innovationen wie autonome Systeme, Urban Air Mobility und Energie-Kopplung (z. Rechenzentren und Wärmenutzung) integrieren. Planungen müssen technologieoffen, bezahlbar und effizient bleiben. Auch Technologien wie Wasserstoff oder moderne Kernkraftwerke müssen als mögliche Optionen betrachtet werden, um Versorgungssicherheit und Effizienz zu gewährleisten.
- Zielergänzungen: Mehr Bezug zu ökonomischer Resilienz, bezahlbarer Energieversorgung, technologischer Offenheit und aktiver Verdichtung.
- Schaffung der räumlichen Voraussetzungen für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft.
- Leitbild 2050: Wird grundsätzlich positiv beurteilt, es fehlt jedoch ein klarer wirtschafts- und zukunftsorientierter Fokus.
Im Folgenden nehmen wir im Detail Stellung zum Thema Mobilität als Teil der Strategie 3 (S. 35 ff) sowie zum Handlungsraum «Trinationaler Metropolitanraum Basel» (S. 43 ff).
Mobilität als Schlüssel der Raumentwicklung
Eine leistungsfähige, technologieoffene und vernetzte Mobilitätsinfrastruktur ist essenziell für die räumliche Entwicklung der Schweiz.
Wir regen an, den Satz «Wir schöpfen die Möglichkeiten einer effizienten Nutzung der Verkehrsinfrastruktur aus, um Raum und Kosten für Ausbauten zu sparen» wie folgt zu präzisieren:
«Wir schöpfen die Möglichkeiten einer effizienten Nutzung der Verkehrsinfrastruktur aus und setzen Ausbauten um, wo diese notwendig sind.»
Ebenso ist die Bedeutung des Wasserverkehrs hervorzuheben. Der Satz «Die Schweiz ist auf eine gute Anbindung an die europäischen und globalen Verkehrssysteme angewiesen, durch Schiene, Strasse und Luftverkehr» sollte ergänzt werden um:
«Der Gütertransport über den Rhein leistet einen wesentlichen Beitrag zur sicheren Landesversorgung der Schweiz.»
Wir fordern zudem die ersatzlose Streichung des Satzes:
«In Städten und Agglomerationen bevorzugen wir die Bahn, Tram und Bus oder die nichtmotorisierte Mobilität per Velo und zu Fuss».
Der Ausbau von öffentlichem Verkehr und Langsamverkehr ist sinnvoll, eine aktive Bevorzugung gegenüber dem motorisierten Individualverkehr (MIV) jedoch nicht zielführend. Für eine optimale, nachfrageorientierte Mobilität werden alle Verkehrsträger benötigt.
Darüber hinaus ist es essenziell, den grenzüberschreitenden Verkehr durch geeignete Infrastrukturen gezielt zu fördern – insbesondere an stark frequentierten internationalen Knotenpunkten. Ebenso müssen besonders überlastete Verkehrsachsen durch gezielte Ausbauten sowie durch Massnahmen zur gleichmässigeren Auslastung effektiv entlastet werden.
Trinationaler Metropolitanraum Basel
Als regionaler Wirtschaftsverband liegt unser Hauptfokus auf dem Trinationalen Metropolitanraum Basel. Hier befürworten wir vorwiegend das Kapitel «Trinationale S-Bahn zeitnah realisieren». Der Ausbau des Bahnknotens Basel – insbesondere das Herzstück zwischen Bahnhof Basel SBB und Badischen Bahnhof – ist Grundvoraussetzung für die Erreichung vieler Ziele des Raumkonzepts.
Zusätzlich ist die Logistik als Leitbranche der Region explizit zu benennen. Mit rund 13'000 Erwerbstätigen, 1.6 Mrd. CHF Bruttowertschöpfung und 740 Betrieben bildet sie – neben den Life Sciences – die zweite tragende Säule des Wirtschaftsraums Basel. Ebenso ist die Hightech-Industrie als strategischer Pfeiler der wirtschaftlichen Entwicklung explizit zu berücksichtigen – sie benötigt planbare, flexible Rahmenbedingungen.
Im Abschnitt zur nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung ist der Fokus wie folgt zu ergänzen:
«Mit neuen Impulsen und dem Fokus auf Life Sciences, Logistik, digitale Innovation und weitere nachhaltige, regional verankerte Wirtschaftszweige ist die Entwicklungsfähigkeit der bestehenden und die Anziehung neuer Unternehmen zu sichern sowie die Innovation zu fördern.»
Den Satz zur «Mobilitätswende durch grenzüberschreitende Raumplanung» lehnen wir ab – dieser sollte ersatzlos gestrichen werden.
Auch der Abschnitt «Innenentwicklung qualitätsvoll gestalten» sollte angepasst werden. Statt einer Einschränkung des MIV regen wir nachfolgende Formulierung an:
«Zudem sind die Nutzungen so anzuordnen, dass eine Region der kurzen Wege entstehen kann und die Mobilitätsbedürfnisse der wachsenden Bevölkerung mit den jeweils geeigneten Verkehrsmitteln effizient gedeckt werden.»
Wir unterstützen die Ausführungen zur Gateway-Funktion Basels, den internationalen Bahnverbindungen, der trinationalen S-Bahn und der Sicherung des Flughafens Basel-Mulhouse ausdrücklich. Der Raum Basel ist auf alle Verkehrsträger angewiesen, um seine Funktion als Tor zu Europa für die ganze Schweiz wahrnehmen zu können.
Im Abschnitt «Funktion als Gateway für die Schweiz stärken» sollte ergänzt werden:
«In die Infrastruktur der Region Basel als Logistikplattform – beispielsweise das trimodale Güterterminal Gateway Basel Nord – wird gezielt und kontinuierlich investiert.»
Erreichbarkeit mittels Strassennetz sicherstellen
Ein bislang fehlender, aber zentraler Aspekt betrifft die Strasseninfrastruktur. Der Verkehrsträger Strasse wird im Raumkonzept Schweiz nicht angemessen berücksichtigt. Mit einem Anteil von über 70 Prozent an der Personen- und über 60 Prozent an der Güterverkehrsleistung der Schweiz (Stand 2017) ist der Beitrag der Strasse zur Mobilität und Versorgung unbestritten. Wir fordern deshalb die Aufnahme eines neuen Abschnitts unter dem Titel «Erreichbarkeit mittels Strassennetz sicherstellen»:
Als Teil eines funktionierenden Gesamtverkehrssystems wird das Strassennetz im Handlungsraum nachfrageorientiert weiterentwickelt und stellt damit gemeinsam mit anderen Verkehrsträgern die Erreichbarkeit innerhalb der Region Basel, deren Anbindung an die restliche Schweiz sowie die Vernetzung mit Europa sicher.»
Fazit
Die Handelskammer beider Basel appelliert an die Autoren des Raumkonzepts, die wirtschaftliche Realität stärker zu berücksichtigen und die Voraussetzungen für Innenentwicklung substanziell zu verbessern. Nur mit einer realitätsnahen, praxisorientierten Raumplanung lässt sich die Zukunft der Schweiz als attraktiver Wirtschaftsstandort sichern.
Wir werden im Rahmen des Fachkongresses «Zone Zukunft» im Herbst 2025 ein vertiefendes Themendossier zur Raumentwicklung präsentieren und damit einen konkreten Beitrag zur Weiterentwicklung des Raumkonzepts leisten.