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«Wasserstoff ist ein wichtiges Puzzlestück»

30.03.2023

Für Prof. Dr. Frank Krysiak, Umweltökonom an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel, ist klar: Die Schweiz sollte die Energiezukunft gemeinsam mit den Nachbarländern angehen.

Herr Krysiak, warum ist aus ihrer Sicht Wasserstoff oder insbesondere grüner Wasserstoff ein Energieträger der Zukunft?

Frank Krysiak: Wir müssen dekarbonisieren, und grüner Wasserstroff ist ein möglicher Weg dazu. Er lässt sich gut in vielen Prozessen einsetzen. Ein weiterer Grund ist, dass viele Prozesse elektrifiziert werden und Wasserstoff eine gute Ergänzung zur Elektrifizierung ist. Gerade in den Sommermonaten wird zukünftig mehr erneuerbarer Strom erzeugt werden als benötigt wird. Hiermit grünen Wasserstoff zu erzeugen, ist eine Möglichkeit, diesen Überschuss in den Winter zu übertragen. Grüner Wasserstoff ist zwar nicht die einzige Lösung für die Energiezukunft, aber er ist ein wichtiges Puzzlestück. Wasserstoff macht aber nur Sinn, wenn wir ihn mit erneuerbarem Strom erzeugen können.

Ist die Produktion in der Schweiz konkurrenzfähig, wenn wir an die grossen Wüsten- und Küstenprojekte denken, wo grüner Wasserstoff dann vielleicht viel günstiger produziert werden kann?

Ich sehe die Schwierigkeit weniger bei den Kosten als bei den kleinen Speichermöglichkeiten in der Schweiz. Ein grosser Teil unseres Winterbedarfs an grünem Wasserstoff müsste wahrscheinlich woanders erzeugt werden, zum Beispiel in Dänemark, wo bis 2030 einer der grössten grünen Energieparks der Welt entsteht. Wasserstoff könnte von dort über den European Hydrogen Backbone in die Schweiz gelangen. Bis wir an solche internationalen Infrastrukturen angeschlossen sind, dauert es aber sicherlich noch lange. Trotzdem sollten wir jetzt schon in der Region damit anfangen, Wasserstoff nutzbar und verfügbar zu machen. Denn die regionale Infrastruktur, die es hierfür braucht, benötigt eine lange Vorbereitungszeit und viel Raumplanung.

Müssen die Konsumentinnen und Konsumenten von grünem Wasserstoff jetzt schon bereit sein, sich umzustellen und ihre Prozesse anzupassen?

Es ist ein Henne-Ei-Problem. Wenn niemand die Infrastruktur schafft, wird auch niemand bereit sein, die Prozesse auf Wasserstoff umzustellen, und wenn sich keine Kunden finden, wird es sehr schwierig, die Infrastruktur zu finanzieren. Es braucht einen klaren Entscheid der Politik und der Wirtschaft, sonst würde der Weg zum Wasserstoff viel länger dauern. Basel hat sich ja entschieden, bis 2037 klimaneutral zu sein.

Wie wirken sich aus Ihrer Sicht die aktuelle Energiekrise und die Geopolitik auf die Förderung von Wasserstoff in der Schweiz und in Europa aus?

Einerseits machen wir uns viel intensiver Gedanken über Versorgungssicherheit. Andererseits ist zu beobachten, dass es aus pragmatischen Gründen einen gewissen Rückschritt gibt und zum Beispiel in Deutschland grosse Flüssiggasterminals gebaut werden – eine Infrastruktur, die, wenn man sie nicht auf Wasserstoff umrüsten kann, nicht zukunftsfähig ist. Deshalb ist nicht klar, wie die momentane Krise sich auswirken wird.

Dr. Sebastian Deininger (links), Leiter Verkehr, Raumplanung, Energie und Umwelt bei der HKBB, im Gespräch mit Prof. Dr. Frank Krysiak.
Wie weit ist die Schweiz bei der Produktion von grünem Wasserstoff und welche Herausforderungen sehen Sie?
Bei der Produktion von grünem Wasserstoff ist die Schweiz nicht sehr weit im Vergleich zu anderen Ländern. Für die Schweiz würde es aus Kostengründen viel Sinn machen, die Energiezukunft gemeinsam mit den Nachbarländern anzugehen. Bei der Zusammenarbeit mit den Nachbarländern braucht es die Entscheidung, ob wir gemeinsam die Energiezukunft bestreiten möchten. Und wenn man das gemeinsam angehen möchte, dann sollte die Schweiz bei Projekten wie dem European Hydrogen Backbone auch in der Planung dabei sein. Die Frage, ob es dafür das Rahmenabkommen mit der EU braucht, ist der EU überlassen.
 
Wäre es denkbar, in der Region Basel ein Ökosystem aufzubauen, in dem aus grünem Wasserstoff synthetische Derivate generiert werden, wie zum Beispiel grünes Methanol? Könnte die Region Basel zu einem Hub der erneuerbaren Energien werden?

Diese Technologien sind heute noch nicht auf einer gesellschaftlich relevanten Grösse verfügbar. Zudem ist die Methanisierung von Wasserstoff mit aufgefangenem CO2 noch ineffizient. Die Frage ist auch, für welche Anwendungszwecke man das macht. Für Pkws machen synthetische Kraftstoffe zum Beispiel wenig Sinn, dafür ist der Gesamtwirkungsgrad viel zu niedrig. Welche Energieträger in welchen Mengen für welche Zwecke in Zukunft benötigt werden, muss sich noch zeigen. Es braucht Experimente und Investitionen in diese Technologien. Wenn wir von fossilen Energieträgern weggehen, werden wir ein ganzes Spektrum verschiedener neuer Energieträger brauchen, und synthetische Stoffe werden sicher eine Rolle spielen.

Wo sehen Sie die Grenzen von Wasserstoff?

Wasserstoff wird eine Technologie sein, die wahrscheinlich hauptsächlich von professionellen Anwendern genutzt wird. Zudem ist grüner Wasserstoff heute als Energieträger noch teuer. Es braucht noch einen grossen Ausbau an erneuerbaren Energien, bis die Preise sinken. Die dritte Grenze ist die Speicherbarkeit – das gleiche Problem, das wir mit Erdgas haben.

Im Birshafen gibt es Tanklager, in denen heute hauptsächlich Erdöl und entsprechende Derivate eingelagert sind. Diese Flächen werden künftig frei. Könnte man diese Industrieflächen für Wasserstoff verwenden?

Die Technologie zur Wasserstoffspeicherung ist eine schon lange erforschte Technologie, ich sehe keine grossen Schwierigkeiten bei der Störanfälligkeit. Es braucht aber sicher noch eine Weile, bis die Bevölkerung davon überzeugt ist, dass es sich um eine sichere Technologie handelt. Mit kleinen, überschaubaren Projekten kann man aufzeigen, dass Wasserstoffspeicher sicher sind.

Wo kommt der grüne Wasserstoff genau her und wie kommt er in die Region Basel?

In näherer Zukunft wird Wasserstoff aus Europa kommen, zum Beispiel aus Dänemark. Für den Transport wäre für Basel wahrscheinlich zunächst die Rheinschifffahrt interessant. Langfristig wird Wasserstoff über eine Pipeline transportiert werden. Ob die Produktion künftig in Europa bleibt oder auch ausserhalb stattfinden wird, zum Beispiel in Nordafrika, ist eine Frage der politischen Entwicklung. Es geht ja nicht nur darum, günstig Wasserstoff zu produzieren, sondern auch darum, verlässlich zu produzieren.

Umweltökonomie an der Uni Basel

In der Abteilung Umweltökonomie an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel steht das Zusammenwirken von Ökonomie, Ökologie und Politik im Fokus. Die Lehre befasst sich mit Grundlagen der Umwelt- und Ressourcenökonomie sowie mit dem Zugang zu aktuellen Forschungsfeldern und -methoden. Die Forschung der Abteilung ist darauf ausgerichtet, grundsätzliche Einsichten in die Ziele und Wirkungsweisen von Umwelt- und Energiepolitik zu gewinnen. In den Projekten greifen die Forschenden aber auch politisch aktuelle Fragestellungen auf. Zur Zeit befassen sie sich vorrangig mit der Analyse der langfristigen Wirkungen von Klimapolitik, der Gestaltung von Energiemärkten sowie mit Fragestellungen aus dem Kontext nachhaltiger Entwicklung.

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