Page 21 - Grundsatzpapier_Bildung
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Höhere Berufsbildung in die Moderne führen ten der höheren Berufsbildung, die in international Gymnasiale Maturität modernisieren
Akademisierung von Bildungsgängen der höheren Be- ausgerichteten Unternehmen arbeiten oder sich im in- Mit den anstehenden Anpassungen des Rahmenlehrplans und der Revisi-
rufsbildung: Die Tendenz, Bildungsgänge der höheren ternationalen Umfeld beruflich betätigen, ein grosses on der Maturitätsanerkennungsverordnung soll die gymnasiale Maturi-
Berufsbildung zu akademisieren respektive auf Hoch- Interesse an international vergleichbaren Titeln ihrer tät modernisiert werden. Die Wirtschaft fordert, dass nicht nur die
schulebene zu verschieben, ist kritisch zu hinterfragen. Abschlüsse. Deshalb unterstützen wir Massnahmen, Grundlagenfächer wie Mathematik und Deutsch gestärkt, sondern auch
Wenn die berufliche Grundbildung um Weiterbildungs- welche die höhere Berufsbildung international besser das Grundlagenfach Informatik sowie eine Art «Berufliche Orientierung
perspektiven beschnitten wird, die keine Berufsmaturi- positionieren und ihre Visibilität steigern. Seit 2020 ist für das Gymnasium» oder Laufbahncoaching eingeführt werden.
tät voraussetzen, schmälert sich deren Attraktivität. in Deutschland der Titel «Professional Bachelor / Mas-
ter» anerkannt. Es gilt daher, möglichst rasch eine Titel- Rolle der Fachmittelschule
Internationale Aner kennung und Vergleichbarkeit der äquivalenz herzustellen, damit die Wettbewerbsfähig- Wir sind der Meinung, dass die Fachmittelschule eine berechtigte Funk-
Abschlüsse und Titel: Die höhere Berufsbildung leidet keit im europäischen und internationalen Raum für die tion im Bildungssystem hat, sofern sie in Fachbereichen auf nicht univer-
darunter, dass dieses System und damit auch sein Wert Absolventinnen und Absolventen der höheren Berufs- sitäre tertiäre Bildungsgänge vorbereitet, in denen es keine berufliche
20 international kaum bekannt ist. Um nicht benachteiligt bildung gewährleistet ist und der Wert dieser Bildung Grundbildung gibt. Diese Voraussetzung ist im Berufsfeld Gestaltung 21
zu sein, haben vor allem Absolventinnen und Absolven- in der Schweiz wieder gestärkt wird. (Berufslehre Grafikerin / Grafiker) und in den Berufsfeldern Gesundheit
und Soziales mit den Berufslehren (Fachfrau / Fachmann Gesundheit und
soziale Lehre) nicht erfüllt. Diese Berufslehren werden von den Angebo-
ten der Fachmittelschule als Vollzeitschule konkurrenziert, da allgemein- ⁷ Bundesamt für Statistik Bildungs
bildende Schulen ihres höheren Prestiges wegen für leistungsfähige abschlüsse (SBA) 2018
⁸ Bundesamt für Statistik Bildungs
Schülerinnen und Schüler attraktiver erscheinen als die Berufslehre. Das perspektiven Szenarien 2013–2022 für
ALLGEMEINBILDENDE SCHULEN schwächt die berufliche Grundbildung. Die Fachmittelschule hat sich aus ⁹ Zahlenspiegel BS (2019–2021)
das Bildungssystem, T15.1.3
DER SEKUNDARSTUFE II den Berufsfeldern zurückzuziehen, in denen es duale Berufslehren gibt. ¹⁰ Bildungsbericht Schweiz 2018, S. 154
Gymnasium bereitet auf universitäres Hoch- eine Verlängerung der Bildungszeit beziehungsweise
schulstudium vor ein Eintritt in die Berufslehre über Umwege und für
Die Gymnasien haben als Vorbereitungsschulen auf die Gesellschaft höhere Bildungskosten.
das universitäre Hochschulstudium und auf wissen-
schaftliche Laufbahnen einen wichtigen Bildungsauf- MINT-Schwerpunktfächer wenig gewählt MINT-STUDIENWAHL
trag. Es braucht anspruchsvolle gymnasiale Maturitäts- Nur 20 bis 30 Prozent der Gymnasiastinnen und Gym-
schulen für begabte und motivierte Schülerinnen und nasiasten wählen ein Schwerpunktfach im Bereich 20 Chemie und Übrige MINT-Fächer Bauwesen Informatik Technik
Life Sciences
Schüler. Es besteht kein bildungspolitischer Bedarf, die MINT. Zwischen der Schwerpunktfachwahl an Gymna- 18
gymnasiale Maturitätsquote weiter zu erhöhen. Zusam- sien und der Wahl eines MINT-Studienfachs an der 16
men mit der Berufsmaturitätsquote wies die Schweiz Universität besteht indessen ein direkter Zusammen- 14
2018 eine Studienberechtigungsquote von gut 40 Pro- hang: 60 Prozent der Studierenden, die in einem 12
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zent auf. Diese Quote erscheint mit Blick auf das an- MINT-Fach an einer Universität oder ETH studieren, 10
zustrebende Qualitätsniveau der Hochschulbildung als haben bereits im Gymnasium einen MINT-Schwer- 8
vernünftig. 8 punkt gewählt. Um die Anzahl der MINT-Studierenden 6
an den universitären Hochschulen zu erhöhen, muss 4
Die Selektion bei Eintritt ins Gymnasium bedarf jedoch es gelingen, die Anzahl der Gymnasiastinnen und 2
der Verbesserung. Nachdem die Übertrittsquote 2018 Gymnasiasten in den MINT-Schwerpunktfächern zu 0
über 40 Prozent betrug, hat der Kanton Basel-Stadt die steigern. Zusätzlich sind gezielte Massnahmen zu er- 2009 2014 2019 2009 2014 2019 2009 2014 2019 2009 2014 2019 2009 2014 2019
Voraussetzungen für den Übertritt verschärft: 2020 greifen, um die Neugierde und das Interesse an Na-
sank die Quote auf 34,2 Prozent, stieg aber 2021 bereits turwissenschaften und Technik zu fördern. Mit dem Männer Frauen
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wieder auf 37,1 Prozent. Dennoch bleibt der Anteil zunehmenden Frauenanteil an den Gymnasien akzen-
der Jugendlichen hoch, die vorzeitig aus dem Gymnasi- tuiert sich das Problem, da Frauen nach den bisheri- In % aller Eintritte in ein Bachelorstudium, 2009–2019
um ausscheiden. Erfolgt die Selektion erst im Verlauf gen Erfahrungen schwieriger für MINT-Fächer zu mo- Quelle: Konjunkturforschungsstelle, Justus Bamert, Geschlechteranalyse in MINTStudiengängen:
Eine deskriptive Analyse (2020, Nr., 3, S. 84)
der Gymnasialzeit bedeutet dies für die Betroffenen tivieren sind.
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