Page 20 - Grundsatzpapier_Bildung
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Höhere Berufsbildung in die Moderne führen     ten der höheren Berufsbildung, die in international                     Gymnasiale Maturität modernisieren
               Akademisierung von Bildungsgängen der höheren Be-  ausgerichteten Unternehmen arbeiten oder sich im in-                Mit den anstehenden Anpassungen des Rahmenlehrplans und der Revisi-
               rufsbildung: Die Tendenz, Bildungsgänge der höheren  ternationalen Umfeld beruflich betätigen, ein grosses             on der Maturitätsanerkennungsverordnung soll die gymnasiale Maturi-
               Berufsbildung zu akademisieren respektive auf Hoch-  Interesse an international vergleichbaren Titeln ihrer            tät modernisiert werden. Die Wirtschaft fordert, dass nicht nur die
               schulebene zu verschieben, ist kritisch zu hinterfragen.  Abschlüsse. Deshalb unterstützen wir Massnahmen,             Grundlagenfächer wie Mathematik und Deutsch gestärkt, sondern auch
               Wenn die berufliche Grundbildung um Weiterbildungs-  welche die höhere Berufsbildung international besser              das Grundlagenfach Informatik sowie eine Art «Berufliche Orientierung
               perspektiven beschnitten wird, die keine Berufsmaturi-  positionieren und ihre Visibilität steigern. Seit 2020 ist     für das Gymnasium» oder Laufbahncoaching eingeführt werden.
               tät voraussetzen, schmälert sich deren Attraktivität.  in Deutschland der Titel «Professional Bachelor / Mas-
                                                              ter» anerkannt. Es gilt daher, möglichst rasch eine Titel-              Rolle der Fachmittelschule
               Internationale Aner kennung und  Vergleichbarkeit der  äquivalenz herzustellen, damit die Wettbewerbsfähig-            Wir sind der Meinung, dass die Fachmittelschule eine berechtigte Funk-
                 Abschlüsse und Titel: Die höhere Berufsbildung leidet  keit im europäischen und internationalen Raum für die         tion im Bildungssystem hat, sofern sie in Fachbereichen auf nicht univer-
               darunter, dass dieses System und damit auch sein Wert  Absolventinnen und Absolventen der höheren Berufs-              sitäre tertiäre Bildungsgänge vorbereitet, in denen es keine berufliche
    20         international kaum bekannt ist. Um nicht benachteiligt  bildung gewährleistet ist und der Wert dieser Bildung          Grundbildung  gibt.  Diese  Voraussetzung  ist  im  Berufsfeld  Gestaltung                          21
               zu sein, haben vor allem Absolventinnen und Absolven-  in der Schweiz wieder gestärkt wird.                            (Berufslehre Grafikerin / Grafiker) und in den Berufsfeldern Gesundheit
                                                                                                                                      und Soziales mit den Berufslehren (Fachfrau / Fachmann Gesundheit und
                                                                                                                                      soziale Lehre) nicht erfüllt. Diese Berufslehren werden von den Angebo-
                                                                                                                                      ten der Fachmittelschule als Vollzeitschule konkurrenziert, da allgemein-  ⁷   Bundesamt für Statistik Bildungs­
                                                                                                                                      bildende Schulen ihres höheren Prestiges wegen für leistungsfähige   abschlüsse (SBA) 2018
                                                                                                                                                                                                    ⁸   Bundesamt für Statistik Bildungs­
                                                                                                                                      Schülerinnen und Schüler attraktiver erscheinen als die Berufslehre. Das   perspektiven Szenarien 2013–2022 für
               ALLGEMEINBILDENDE SCHULEN                                                                                              schwächt die berufliche Grundbildung. Die Fachmittelschule hat sich aus   ⁹   Zahlenspiegel BS (2019–2021)
                                                                                                                                                                                                      das Bildungssystem, T15.1.3
               DER SEKUNDARSTUFE II                                                                                                   den Berufsfeldern zurückzuziehen, in denen es duale Berufslehren gibt.  ¹⁰  Bildungsbericht Schweiz 2018, S. 154




               Gymnasium bereitet auf universitäres Hoch-     eine Verlängerung der Bildungszeit beziehungsweise
               schulstudium vor                               ein Eintritt in die Berufslehre über Umwege und für
               Die Gymnasien haben als Vorbereitungsschulen auf  die Gesellschaft höhere Bildungskosten.
               das universitäre Hochschulstudium und auf wissen-
               schaftliche Laufbahnen einen wichtigen Bildungsauf-  MINT-Schwerpunktfächer wenig gewählt                              MINT-STUDIENWAHL
               trag. Es braucht anspruchsvolle gymnasiale Maturitäts-  Nur 20 bis 30 Prozent der Gymnasiastinnen und Gym-
               schulen für begabte und motivierte Schülerinnen und  nasiasten wählen  ein  Schwerpunktfach im  Bereich                   20   Chemie und      Übrige MINT-Fächer  Bauwesen       Informatik       Technik
                                                                                                                                              Life Sciences
               Schüler. Es besteht kein bildungspolitischer Bedarf, die  MINT. Zwischen der Schwerpunktfachwahl an Gymna-                18
               gymnasiale Maturitätsquote weiter zu erhöhen. Zusam-  sien und der Wahl eines MINT-Studienfachs an der                    16
               men mit der Berufsmaturitätsquote wies die Schweiz  Universität besteht indessen ein direkter Zusammen-                   14
               2018 eine Studienberechtigungsquote von gut 40 Pro-  hang:    60 Prozent der Studierenden, die in einem                   12
                                                                  10
                      7
               zent auf.   Diese Quote erscheint mit Blick auf das an-  MINT-Fach an einer Universität oder ETH studieren,               10
               zustrebende Qualitätsniveau der Hochschulbildung als  haben bereits im Gymnasium einen MINT-Schwer-                        8
               vernünftig.  8                                 punkt gewählt. Um die Anzahl der MINT-Studierenden                          6
                                                              an den universitären Hochschulen zu erhöhen, muss                           4
               Die Selektion bei Eintritt ins Gymnasium bedarf jedoch  es gelingen, die Anzahl der Gymnasiastinnen und                    2
               der Verbesserung. Nachdem die Übertrittsquote 2018  Gymnasiasten in den MINT-Schwerpunktfächern zu                         0
               über 40 Prozent betrug, hat der Kanton Basel-Stadt die  steigern. Zusätzlich sind gezielte Massnahmen zu er-                   2009  2014  2019  2009  2014  2019  2009  2014  2019  2009  2014  2019  2009  2014  2019
               Voraussetzungen für den Übertritt verschärft: 2020  greifen, um die Neugierde und das Interesse an Na-
               sank die Quote auf 34,2 Prozent, stieg aber 2021 bereits  turwissenschaften und Technik zu fördern. Mit dem                        Männer            Frauen
                                    9
               wieder auf 37,1 Prozent.   Dennoch bleibt der Anteil  zunehmenden Frauenanteil an den Gymnasien akzen-
               der Jugendlichen hoch, die vorzeitig aus dem Gymnasi-  tuiert sich das Problem, da Frauen nach den bisheri-            In % aller Eintritte in ein Bachelorstudium, 2009–2019
               um ausscheiden. Erfolgt die Selektion erst im Verlauf  gen Erfahrungen schwieriger für MINT-Fächer zu mo-              Quelle: Konjunkturforschungsstelle, Justus Bamert, Geschlechteranalyse in MINT­Studiengängen:
                                                                                                                                      Eine deskriptive Analyse (2020, Nr., 3, S. 84)
               der Gymnasialzeit bedeutet dies für die Betroffenen  tivieren sind.


               Sekundarstufe I                                                                                                                                                                                         Sekundarstufe I
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