«Mit Annahme der Steuervorlage 17 sichern wir vor allem, dass wir unsere Standortattraktivität halten können»

28.01.2019

Am 23. Januar 2019 fand auf Facebook ein interaktiver Livestream zur Basler Steuervorlage mit Regierungsrätin Dr. Eva Herzog statt. Sehen Sie untenstehend die wichtigsten Fragen und Antworten des Interviews als Text zusammengefasst sowie das gesamte Interview als Video zum Nachschauen.

Christian Keller, Chefredaktor, Prime News: Herzlich willkommen zum Livestream direkt aus der Handelskammer beider Basel. Es geht heute um ein Thema, das zugegebenermassen etwas spröde wirkt, aber es ist ein ganz wichtiges Thema. Es geht nämlich um die Steuervorlage. Heute haben Sie die Möglichkeit, Regierungsrätin und Finanzdirektorin Eva Herzog Fragen zu stellen zu dieser komplexen Vorlage und Ihre Einwände, was Sie an der Vorlage stört, einzubringen. Sie haben die Möglichkeit mit der Regierungsrätin zu diskutieren. Fügen Sie Ihre Meinung oder Fragen direkt unter den Kommentaren ein. Wir werden diese bestmöglich berücksichtigen.

So, Frau Herzog, guten Abend

Regierungsrätin Dr. Eva Herzog: Guten Abend.

Keller: Bevor wir beginnen auf die Fragen einzugehen, bitte ich Sie, zuerst in wenigen und verständlichen Worten zu sagen, wieso diese Steuervorlage in Basel überhaupt notwendig ist und welches die wichtigsten Punkte der Vorlage sind?

Herzog: Also, es ist eine Vorlage, die einerseits eine Unternehmenssteuerreform ist und anderseits Steuerreformen für die Bevölkerung beinhaltet. Der Anlass für die Unternehmenssteuerreform ist, dass unsere bisherigen Besteuerungsformen für Statusgesellschaften international nicht mehr akzeptiert sind. Deshalb ist die Schweiz gefordert, ihre Unternehmenssteuern anzupassen. Dies war damals der Grund für die Unternehmenssteuerreform.

Gleichzeitig stehen in Basel-Stadt schon länger Forderungen an, auch mal wieder etwas für die Bevölkerung zu machen. Wir haben dazu viele Vorstösse gehabt. Darum sind mit dieser Reform auch Steuerentlastungen für die Bevölkerung verbunden. Insgesamt profitiert die Bevölkerung bei diesem Paket mit 150 Millionen Franken: 70 Millionen durch Steuersenkungen, 70 Millionen durch Erhöhung der Kinderzulagen und 10 Millionen durch Erhöhungen der Prämienverbilligungen.

Die Unternehmen profitieren im Endeffekt mit 100 Millionen Franken. Der Gewinnsteuersatz wird gesenkt, beim Kapitalsteuersatz wird eine Patentbox eingeführt, die Dividendenbesteuerung wird erhöht und die Unternehmen, also die Wirtschaft, werden in einem Umfang von 70 Millionen Franken die Kinderzulagen erhöhen, deswegen sind es schlussendlich netto nur 100 Millionen Franken. Denn Kinderzulagen sind etwas, was die Unternehmen finanzieren. Ich glaube, das sind die wichtigsten Punkte.

Keller: Sie haben ganz viele einzelne Bestandteile aufgezählt. Man sieht, es ist doch sehr komplex, aber eben es geht um sehr viel. Nun ist im Vorfeld die Frage eingegangen: Das Ganze ist ja auch noch abhängig von Bern. Das heisst, eigentlich gibt es eine eidgenössische Steuervorlage. Diese ist bekannt, das erste Mal ist sie abgelehnt worden. Seit Jahren ein Seilziehen. Jetzt, wenn diese Vorlage in Bern wieder abgelehnt würde, ist dann alles für nichts gewesen in Basel?

Herzog: Nein, sicher nicht. Ich wäre aber froh, wenn wir vorerst über die Abstimmung vom 10. Februar sprechen könnten und was bei dieser Abstimmung alles enthalten ist. Denn das Wichtige an dieser Vorlage ist, dass sie ein ausgewogenes Paket für die Unternehmen und die Bevölkerung ist. Die Vorlage kommt beiden zugute. Die Unternehmen leisten einen wichtigen Beitrag an die Bevölkerung, damit es ausgewogen ist. Das ist am 10. Februar. Dies ist die kantonale Abstimmung und dann haben wir noch eine nationale Abstimmung am 19. Mai, die zum Teil auch die Grundlage für die kantonale Vorlage ist. Aber die Bestimmungen, die wir mit unserer Vorlage haben, können auch so in Kraft treten. Zum Teil fehlt es uns dann einfach einerseits an Mitteln und andererseits an gewissen gesetzlichen Vorgaben.

Keller: Gut, das heisst, es ist nicht alles abhängig von Bern, sondern ein Teil könnte bereits nach dem 10. Februar umgesetzt werden. Bei welchem Punkt müsste man dann Rücksicht nehmen auf Bern? Von was hängt dies ab?

Herzog: Die Einführung der Patentbox, die für Basel-Stadt sehr wichtig ist. Da brauchen wir die nationale Grundlage, damit wir sie so einführen können, wie sie jetzt vorgesehen ist. Die Einführung der Patentbox muss auch mit den internationalen Regeln konform sein.

Keller: Können Sie erklären was die Patentbox ist?

Herzog: Das Wesentliche an dieser Patentbox ist, was man damit macht. Man fördert damit nämlich Forschung, Entwicklung und Innovation. Und das ist das, was unser Land ausmacht, von dem der Wohlstand unseres Landes abhängt. Wenn ein Unternehmen in der Schweiz Forschung und Entwicklung betreibt, dann kann es über eine Patentbox tiefer besteuert werden, also die Gewinne werden nicht gleich hoch besteuert, um so die Innovation zu fördern. Dies ist der wesentliche Kern der Patentbox.

Keller: Dies betrifft vor allem grosse Firmen, wie zum Beispiel Roche oder Novartis. Richtig?

Herzog: Man muss nicht eine grosse Firma sein, um von der Patentbox zu profitieren. Man kann auch ein kleines Unternehmen sein, das auch nur in der Schweiz Absätze generiert. Man muss dafür nicht international aufgestellt sein. Dies ist ja gerade das Neue, was anders ist als an den bisherigen Instrumenten, die wir nun abschaffen. Es können alle Unternehmen, die Patente haben und innovativ tätig sind, von einer Patentbox profitieren. Aber natürlich ist es für unsere international aufgestellte Pharma ein ganz wichtiges Instrument.

Keller: Gut, sprechen wir über die kantonale Umsetzung. Sie haben es gesagt, 150 Millionen Franken rechnen Sie mit Mindererträgen, wenn diese Reform umgesetzt wird. Dies ist wahnsinnig viel Geld. Was sagen Sie den Kritikern, die sagen: „Das ist viel zu viel, das gibt einen Kahlschlag später, da müssen wir aufpassen?"

Herzog: Wir haben ja seit Jahren auf diese Reform hingearbeitet. Ich finde es sehr toll, wie dies in Basel abgelaufen ist. Wir haben viele Vorstösse gehabt für Steuersenkungen und wollten alles in ein Paket packen. Mit der Unternehmenssteuerreform, die wir machen müssen, wollten wir ein Paket erarbeiten, von dem alle profitieren. Im Gegensatz zu anderen Kantonen haben wir in den vergangenen Jahren keine Steuersenkungen gemacht und uns damit einen strukturellen Überschuss erarbeitet. Dies ist ein Überschuss, den wir nicht nur in einem Jahr erarbeitet haben, sondern über mehrere Jahre hinweg. Also ein Überschuss, der da ist und von einer Grössenordnung von ungefähr 150 Millionen Franken. Und diesen setzen wir nun für diese Reform ein. Das heisst, wir werden mittelfristig durch diese Reform keine Defizite haben - wir können uns das leisten. Wegen dem gibt es also keine Sparübungen oder Sparpakete, was uns natürlich sehr wichtig war.

Keller: Sofern Sie sich nicht verrechnet haben. Ich erinnere mich an Altbundesrat Merz, der in Zusammenhang mit der Steuerreform auch schon von 150 Millionen sprach und im Endeffekt waren es Milliardenausfälle. Woher wisse Sie also, dass diese 150 Millionen stimmen? Was machen Sie, wenn Sie sich komplett verrechnet haben?

Herzog: Das ist zweifellos ein Problem. Was Sie ansprechen ist eine ganz spezielle Besteuerung, Kapitaleinlagenprinzip heisst das. Das ist eine ganz dynamische Sache, aber die spielt nun keine Rolle. Selbstverständlich sind wir auch besorgt um die dynamischen Auswirkungen. Unternehmen richten sich vielleicht ja dann auch nach einem neuen System aus.

Aber was haben wir gemacht: Wir haben einerseits die statischen Ausfälle, also einfach im Vergleich: man senkt einen Satz und rechnet, wie viel weniger Einnahmen kommen. Wir haben zuerst intern Berechnungen gemacht, dann haben wir diese extern plausibilisieren lassen, dann haben wir nochmals extern die dynamischen Berechnungen machen lassen, um auch ein Gefühl zu bekommen, wie die Wirkung sein wird. Also, wir haben es wirklich doppelt und dreifach geprüft. Aber: Wirklich wissen, was wir in 1, 2, 3, 10, 20 Jahren für Einnahmen haben werden, das kann niemand.

Keller: Ok, aber haben Sie eine Wahrscheinlichkeitsquote? Haben Sie einkalkuliert, wie viel Abweichung möglich ist?

Herzog: Ja, wir haben selbstverständlich Annahmen getroffen. Die Experten, die dies plausibilisiert haben, haben das nach bestem Wissen und Gewissen gemacht. Aber selbstverständlich ist es möglich, dass es Abweichungen gibt und da ist es wichtig, dass wir nicht in einer desolaten Situation sind. Wir haben rund 2 Milliarden Schulden gesenkt in den letzten Jahren. Wir stehen sehr gut da. Wir könnten uns auch ein paar Jahre mit Defizit leisten. Unsere Schuldenbremse vom Staatshaushalt würde das verkraften. Wichtig zu wissen ist: Wir sind zurzeit in einer gesunden Ausgangslage und auch wenn es nicht genau so eintritt, können wir uns das leisten.

Keller: Die meisten Parteien unterstützen die Reform. Aber trotzdem, es gibt auch Opposition und eine Gegenbewegung, die sagt, was Sie hier machen, dass sei Kniefall vor den „Multis", also vor der Pharma, und sei Steuerdumping. Was entgegnen Sie dazu?

Herzog: Dies ist schlichtweg falsch. Zum Kniefall vor den „Multis" muss ich sagen, dass es uns offenbar nicht gelingt zu kommunizieren, wie die Steuersätze heute sind und wie sie Morgen sein werden. Lassen Sie mich nochmals versuchen zu erklären:

Also was heisst Multi? International aufgestellte Unternehmen zahlen heute zwischen 8 und 12% Steuern, inklusive Bundessteuern. Wenn wir diese Steuerreform machen, dann zahlen diese 13%. Dann können Sie selber rechnen, dann ist das mehr.

Wenn nun eine Firma von einer Patentbox profitieren kann, kommt man auf eine Gesamtbelastung von rund 11%. Also ist es gleich viel. Darum ist es einfach nicht wahr. Die internationalen Firmen zahlen gleich viel, wenn sie von einer Box profitieren können, wenn nicht mehr oder sogar deutlich mehr. Also es kann eine Steigerung geben von 8% auf 13%, das ist Fakt. Und diejenigen, die profitieren, sind die ordentlich besteuerten Unternehmen. Das sind die KMU. Diese profitieren, weil diese bis anhin zwischen 15 und 22% im Maximalfall besteuert werden. Mit der Senkung der Gewinn-und Kapitalsteuern zahlen diese künftig nur noch 13%. Alle bezahlen dann gleichviel.

Keller: Eine Publikumsfrage: Ab welchem Steuerjahr würde die Reform, wenn sie angenommen werden würde, in Kraft treten?

Herzog: Also, wie bereits gesagt, es gibt eine gewisse Abhängigkeit von der nationalen Reform. Für die natürlichen Personen wird aber die Steuersatzsenkung mit Sicherheit mit dem Steuerjahr 2019 in Kraft treten.

Keller: Also relativ schnell.

Herzog: Ja, schneller geht's nicht für die natürlichen Personen. Bei allen anderen Bestimmungen hat der Grosse Rat gesagt, er ist einverstanden, dass die Inkraftsetzung von dem Regierungsrat bestimmt wird. Und bei den juristischen Personen ist es möglich, dass man die Senkung bei der Gewinnsteuer für die Unternehmen auch schon 2019 macht und auch die Kapitalsteuer im 2019.

Keller: Im Kanton Bern ist eine Steuerreform bachab geschickt worden. Was meinen Sie, wird sich die Standortattraktivität mit der Annahme der Vorlage erhöhen und ist es richtig, dass Zürich eine ähnliche Vorlage plant?

Herzog: Mit der Annahme der Vorlage sichern wir vor allem, dass wir unsere Standortattraktivität halten können. Für den Cluster – das Zugpferd unserer Region – bleiben wir wirtschaftlich gleich attraktiv. Das ist mal das wichtigste. Das stimmt, für ordentlich besteuerte Unternehmen werden wir auch attraktiver. Dafür hätten wir aber nicht auf 13 Prozent erhöhen müssen. Insgesamt werden wir für alle Unternehmen attraktiver.

Die Abstimmung in Bern hatte nichts mit der Steuerreform zu tun. Ich finde es sehr ungeschickt, dass diese Abstimmung nun stattgefunden hat, in einer Zeit, in der alle bereits über die Steuerreform 17 sprachen. Denn nun wird dies gerne vermischt und als schlechtes Beispiel für die Umsetzung der Steuervorlage 17 genannt. Dabei ging es in Bern um die Abstimmung um tiefere Unternehmenssteuern, was nichts mit der Steuerreform 17 zu tun hat.

Und Zürich muss nun wie wir alle die kantonale Umsetzung machen. Wir haben diese Steuerreform aufgrund nicht weiter akzeptierten Steuerregimes. Das heisst wir müssen auf kantonaler und nationaler Ebene die Umsetzung der Steuerreformen machen. In Basel sind wir vergleichsweise relativ früh mit der Umsetzung. Viele stimmen im Mai über ihre Vorlagen ab, andere erst später im Jahr. Aber alle müssen dies machen.

Keller: Es ist immer wieder die Rede davon, dass es nur Gewinner bei dieser Vorlage gäbe. Doch was gewinnt beispielsweise der Betreiber eines Coiffeurgeschäfts, der nun aufgrund der Steuerreform mehr Abgaben für Sozialleistungen zahlen muss?

Herzog: Genau darum ist eben dieser Lastenausgleich so wichtig. Denn genau diese Branchen, die nicht hohe Löhne auszahlen können, profitieren von dem Lastenausgleich. Wenn wir das Minimum gar nicht erhöht hätten und nur den Teillastenausgleich eingeführt hätten, hätte der Inhaber nur profitiert. Die Mehrbelastung ist minim und dank dem Lastenausgleich und falls er Gewinn erzielt, profitiert er stark von der Gewinnsteuersenkung. Wenn er keinen Gewinn erzielt, versteuert er auch keinen Gewinn und hat nur eine minime Mehrbelastung, die – so denke – ich, verkraftbar ist. Der Gewerbeverband steht ja auch hinter dieser Vorlage und sieht dies gleich.

Keller: Noch eine letzte Frage zum Schluss: Wird einiges noch komplizierter, statt einfacher?

Herzog: Wenn wir nur eine Steuersenkung auf 13 Prozent gemacht hätten, wäre dies einfach zu kommunizieren gewesen. Damit hätten wir aber nicht das Problem bei den Grossunternehmen gelöst und die Bevölkerung hätte sicher nicht zugestimmt zur Vorlage. Deshalb haben wir die verschiedenen Forderungen seitens Wirtschaft und Politik miteinander verknüpft, damit wir eine ausgewogene Vorlage schaffen, von der alle gleichwohl profitieren. Die breite Allianz, die hinter dieser Vorlage steht, zeigt, dass es sich um ein ausgewogenes Paket handelt und man Ja zur Vorlage sagen kann.

 

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