
Finanzplatz Basel im Auge des Sturms
Die Welt befindet sich im geopolitischen Wandel. Das hinterlässt auch in der Finanzwelt Spuren. Inwiefern dessen Auswirkungen für den Finanzplatz Basel spürbar sind, diskutieren Expertinnen und Experten an unserem «Spotlight Finance Basel».
«Sicher ist, dass nichts sicher ist. Selbst das nicht», mit diesem Ringelnatz-Zitat eröffnete Moderator Andi Lüscher unseren Finanzevent. Handelskammerdirektor Martin Dätwyler griff dies in seiner Begrüssung auf und betonte, dass gerade in Zeiten, die von Wandel, Auseinandersetzungen und Unsicherheiten geprägt sind, Erfahrungsaustausch und Impulse für Lösungsansätze wichtig sind. Dafür bietet «Spotlight Finance Basel» Raum.
Von fünf D’s geprägt
Prof. Jan-Egbert Sturm, Direktor KOF Konjunkturforschungsstelle, nannte in seinem einführenden geopolitischen Tour d’Horizon folgende fünf «D» als die grössten Herausforderungen: Demografie, Dekarbonisierung, Deglobalisierung, Demokratieschwund und Digitalisierung.
«Für langfristigen Wohlstand war die Globalisierung in den letzten Jahrzehnten ein wichtiger Faktor», so Sturm. «Wir brauchen technologischen Fortschritt. Wir brauchen Spezialisierung, damit wir uns mehr leisten können. Die Globalisierung hat dafür gesorgt, dass unsere politischen und institutionellen Rahmen verständlich und stabil waren. Damit zwischen den Ländern kooperiert wird und wir nicht nur das Recht des Stärkeren haben», so Sturm weiter.

Blick auf die USA
Die USA habe ein Potenzialwachstum von rund 2,5 Prozent. Im Euroraum betrage dieses ungefähr 1,25 Prozent, in Deutschland gar nur 0,5 Prozent. In der Schweiz seien es immerhin 1,5 Prozent. Das Potenzialwachstum stehe in engem Zusammenhang mit der Verfügbarkeit von Erwerbspersonen, führte Sturm weiter aus: «Pro erwerbstätige Person arbeiten wir tendenziell immer weniger. In den USA ist der verfügbare Kapitalstock deutlich höher. Das ist wichtig für die Investitionstätigkeit. Wir brauchen Investitionen, um den technologischen Fortschritt meistern zu können.» Das Investitionswachstum korreliere jedoch mit der Unsicherheit. Mehr Unsicherheit führe zu einer Abnahme der Investitionen.
Die Produktionslücke in Europa sei sehr gross: Es werde weniger produziert, als angesichts des Potenzialwachstums der Fall sein müsste. Ein Grund dafür sei die wirtschaftspolitische Unsicherheit. Diese sei in Europa – insbesondere in Deutschland – noch grösser als in den USA, wo sie in den letzten Monaten massiv angestiegen sei.
Die Leistungsbilanz der USA sei seit vielen Jahren negativ. Das liege am Warenhandel. Präsident Trump wolle das korrigieren. Die geplante Einführung der Zölle führe zu einem Zollniveau, wie wir es seit dem zweiten Weltkrieg nicht mehr hatten. Der US-Haushalt sei zu 27,1 Prozent defizitfinanziert. Das lasse sich mit den erwarteten Zolleinnahmen nicht decken. Die Politik von Trump könne letzten Endes deshalb nicht funktionieren, so das Fazit von Sturm.
Mit Unsicherheit und Risiken umgehen lernen
Anschliessend diskutierten Manuel Plattner, Chief Risk Officer BLKB, Urs Bienz, CFO Baloise Schweiz, und Stephan Erni, Leiter Strategieberatung PwC Schweiz, darüber, wie Banken und Versicherungen mit den geopolitischen Unsicherheiten umgehen.
Die Kadenz und Intensität von Unsicherheiten und Krisen habe sich deutlich erhöht. Prognosen seien schwierig – so der Grundtenor. Der Beratungsbedarf der Kunden steige, um all diese Unsicherheiten in eine verwertbare und diskutierbare Struktur zu bringen.
Geopolitik ist Wirtschaftspolitik. Die Antwort auf Krisen sei üblicherweise nicht businessfreundlich, es gebe neue Regulierungen. Ein Beispiel sei die Kapitalregulierung für die UBS. Ein Damoklesschwert, das über dem Finanzplatz Schweiz schwebe, so Stephan Erni.
Urs Bienz ergänzt, dass die Regulierungen in den letzten Jahren gewaltig zugenommen hätten. Nur schon die Entwicklung des Nachhaltigkeitsreportings koste mehrere Millionen.
Ebenfalls massiv zugenommen hätten die Cyberrisiken und die damit verbundenen Kosten, um Angriffe abzuwehren, erläuterte Manuel Plattner. Für Banken und Versicherungen seien nicht nur direkte Angriffe auf das eigene Unternehmen ein Risiko, sondern auch Attacken auf ihre Systemanbieter. Zudem würden die Angriffe immer wie intelligenter und damit schwieriger abzuwehren. Für Versicherer eröffne mit Cyber-versicherungen dies ein neues Geschäftsfeld.

Digitalisierung heisst auch Standortverantwortung
Den Ball nahm Pascal Wild, Head Consulting & Business Developement ti&m AG, in seinem Input zu Shoring von IT-Services auf. Die digitale Selbstversorgung liege in der Schweiz unter 20 Prozent. Dies bedeute in einem Umfeld, in dem aktuell 72 Prozent aller Erdenbürgerinnen und -bürger in autokratischen Staaten leben, Abhängigkeiten und Unsicherheiten. Die weltweiten Spielregeln hätten sich in den vergangenen Monaten verändert, hin zu «der Stärkere regiert». Deshalb gewinne es an Bedeutung, wo ein Unternehmen seine IT-Infrastrukturen habe und wo es IT-Leistungen beziehe. In der Schweiz sei der Datenschutz gewährleistet, das spreche für ein Onshoring. Allerdings sei die Skalierung infolge eines kleineren Talentpools und hoher Löhne in unserem Land beschränkt. Ein Offshoring berge geopolitische Risiken, werfe rechtliche Fragestellungen und teilweise kommunikative Probleme auf. Friendshoring mit Partnerländern, welche dieselben Werte und Kultur teilen sowie politische Stabilität ausweisen, könne eine attraktive Option sein.
Auch wenn das Offshoring der IT-Services in den vergangenen 20 Jahren für Unternehmen ökonomisch erfolgreich gewesen sei, bedeute es auch einen Raubbau an technischer Souveränität in der Schweiz. Um unabhängig zu bleiben, sei es notwendig die digitale Kompetenz in Schlüsseltechnologien bei uns sicherzustellen. Resilienz gewinne man mit lokaler Steuerbarkeit, so Wild abschliessende.

Erhellende Breakout-Sessions
Die Teilnehmenden hatten die Gelegenheit in drei verschiedenen Breakout-Sessions die Themen Shoring im Finanzwesen, fragmentierte Weltwirtschaft im Blick der Versicherungen oder die zweite Präsidialzeit von Trump vertieft zu diskutieren.
Einblick in Wirtschaftsjournalismus
In der abschliessenden Talkrunde mit den Wirtschaftsjournalisten Michael Heim der Handelszeitung, Eflamm Mordrelle von der NZZ und Jonathan Progin von Finanz und Wirtschaft stand der Umgang mit den Verlautbarungen von US-Präsident Trump im Zentrum.
Auch für Medienschaffende sei es schwierig einzuschätzen, welche Aussagen und Handlungen von Präsident Trump Auswirkungen für die Wirtschaft haben und was reine Provokation ist. Als wichtigster Politiker der Welt müsse man ihn ernst nehmen. Fakt sei auch, dass Trump bei den Leserinnen und Lesern Aufmerksamkeit und damit Klicks in den Online-Medien generiere. Man spüre allerdings auch bereits eine gewisse Trump-Verdrossenheit.
Auf die Frage des Moderators, was die Fusion von Baloise und Helvetia bedeute, schätze Mordrelle dies als «revolutionär» für den Schweizer Versicherungsmarkt ein. Progin ergänzte, dass sich Basel damit in die oberste Liga als Versicherungsstandort in Europa katapultiere.
Abschliessend wagte die Talkrunde eine Einschätzung zur Einführung von Negativzinsen durch die Nationalbank. Dies reichte von der Meinung, dass die Nationalbank nicht davor zurückschrecke bis zur Ansicht, sie kämen aufgrund des starken Frankens sich bald wieder. Dieses Mal wäre jedoch wahrscheinlich niemand überrascht und würde auf dem falschen Bein erwischt.
Austausch und Networking
Den abschliessenden Apéro nutzten die Teilnehmenden rege, um sich auszutauschen und Kontakte zu pflegen. Unser nächstes «Spotlight Finance Basel» findet übrigens am 17. Juni 2026 statt.