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von Olivier Haegeli, Präsident Handels- und SCHWEIZER INDUSTRIE HÄLT MIT Europäischen Union, Stärkung unserer
Industriekammer Jura CCIJ und CEO KNOW-HOW DAGEGEN Wirtschaftsdiplomatie, Ausbau von Frei-
Willemin-Macodel Dennoch gibt die Schweizer Industrie nicht handelsabkommen, Sicherung der Liefer-
Als Präsident der Handels- und Industrie- auf. Sie handelt. Sie investiert in Zukunfts- ketten. Es geht um unsere wirtschaftliche
kammer des Jura und als engagierter technologien, in Automatisierung, in Kom- Souveränität.
Unternehmer in der Präzisionsindustrie petenzen. Sie erfindet sich täglich neu –
sehe ich täglich, wie lebenswichtig offene oft mit engen Margen, aber mit grossem FREIHANDEL IST LEBENSWICHTIG
Märkte für das wirtschaftliche Gefüge der Willen. Sie glaubt an sich, weil sie weiss, Freihandel ist lebenswichtig für unsere
Schweiz sind. So macht der Aussenhandel was sie wert ist. Doch diese Dynamik er- Regionen, unsere Mitarbeitenden, unsere
über 40 Prozent unseres Bruttoinland- gibt nur Sinn, wenn sie in einem offenen Lernenden. Jeder produzierende Betrieb,
produkts (BIP) aus, wenn man die auslän- und vorhersehbaren wirtschaftlichen Rah- der exportiert, stärkt die Schweiz. Jedes
dischen Vorleistungen von unseren Expor- men stattfindet. Ein Binnenmarkt mit gefertigte Teil, jede international einge-
ten abzieht. Und sogar fast 70 setzte Innovation ist ein Beweis
Prozent, wenn man sie mitein- unserer Fähigkeit, zu bestehen,
rechnet – weltweit ausserge- «OHNE DIREKTEN, STABILEN ohne der Angst nachzugeben.
wöhnliche Zahlen. Und es sind UND VERLÄSSLICHEN Und jede Einschränkung dieser
nicht nur die grossen multina- Fähigkeit schwächt unsere
tionalen Unternehmen, die da- ZUGANG ZU MÄRKTEN IST Kraft zu gestalten, zu beschäfti-
für verantwortlich sind, son- UNSER ERFOLGSMODELL gen und Wissen weiterzugeben.
dern auch unsere KMU, die Wir sind ein Land, das entwi-
wesen tlich dazu beitragen. Wir STARK GEFÄHRDET.» ckelt, exportiert und Fortschritt
verkaufen weltweit Komponen- schafft. Das darf nicht verges-
ten, Maschinen, hoch speziali- sen werden.
siertes Know-how. Ohne direkten, stabilen neun Millionen Einwohnerinnen und Ein-
und verlässlichen Zugang zu diesen Märk- wohnern kann die Schweizer Innovations- WEITER PRODUZIEREN,
ten ist unser Modell stark gefährdet. kraft keinesfalls dauerhaft tragen. INNOVIEREN, EXPORTIEREN
In einer immer instabileren, fragmentier-
US-ZÖLLE SETZEN WIRTSCHAFT LIBERALE MARKTWIRTSCHAFT teren Welt ist die Versuchung gross, sich
UNTER DRUCK SCHAFFT GLEICHGEWICHT zurückzuziehen und Mauern zu errichten.
Genau dieses Szenario spielt sich derzeit Die liberale Marktwirtschaft ist kein dog- Doch das ist nicht das Wesen der Schweiz.
ab. Die geopolitische Lage spitzt sich zu: matisches Modell. Sie ist ein Gleichge- Unser Land hat es stets verstanden, politi-
Handelskonflikte, Fragmentierung techni- wicht, ein Vertrag zwischen Verantwor- sche Neutralität mit wirtschaftlichem En-
scher Normen, zunehmende regulatorische tung und Freiheit. Und Offenheit ist eines gagement zu verbinden. Es hat sich für
Instabilität. Der Verzicht auf das Rahmen- ihrer wesentlichen Fundamente. Protektio- Qualität, Präzision und Integrität entschie-
abkommen mit der Europäischen Union, nismus abzulehnen ist keine Naivität – es den. Es sind diese tief verwurzelten Werte,
unserer wichtigsten Wirtschaftspartnerin, ist Kohärenz. Es bedeutet, daran zu glau- die uns leiten müssen, um die aktuellen
hatte rasch spürbare Folgen: Ausschluss ben, dass fairer Austausch, Transparenz Herausforderungen zu meistern.
aus Schlüsselprogrammen in der Forschung, und Qualität gegenüber Abschottung und
Verlust des erleichterten Zugangs zu Angst bestehen können. Dieses Modell hat Wir müssen entschlossen handeln. Den
Zertifizierungen, Zunahme nichttarifärer der Wirtschaft und der Gesellschaft zu Rückzug ablehnen. Unsere Werte bekräfti-
Handelshemmnisse. Und seit dem 7. August Wohlstand verholfen. Es verdient, ohne gen. Die Offenheit mit Anspruch verteidi-
2025 erheben die USA auf zahlreiche Zögern verteidigt zu werden. Die Wirt- gen – ohne Naivität, aber mit Kraft. Weiter
Schweizer Industrieprodukte willkürliche schaftskreise müssen ihre Verantwortung produzieren, weiter innovieren, weiter ex-
Zölle von 39 Prozent. Für die betroffenen übernehmen. Zu oft bleibt die Stimme der portieren. Mit Stolz.
Industrieprodukte ist der Handel faktisch industriellen KMU ungehört. Wir brau-
zum Erliegen gekommen, während ameri- chen eine offensive Agenda in der aussen-
kanische Waren, die in die Schweiz gelan- wirtschaftlichen Politik: die Bilateralen III
gen, mit 0 Prozent besteuert werden. für starke Handelsbeziehungen mit der
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