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FOKUS
        VIELFALT ALS








        DNA DER








        SCHWEIZ












        26 Kantone, vier Landessprachen und unterschiedliche                                    DR. BORIS ZÜRCHER ist Delegierter
                                                                                               der Schulleitung der ETH Zürich. Zuvor
          Kulturen und Lebensweisen: Vielfalt gehört zur Schweiz.                                war der Arbeitsmarktexperte unter
                                                                                                 anderem Direktor für Arbeit beim SECO,
        Und sie wird immer internationaler. Was unser Land für                                 Präsident der Aufsichtskommission über
                                                                                                den Fonds der Arbeitslosenversiche-
          Fachkräfte  interessant macht, warum die Wirtschaft                                    rung, Direktor und Chefökonom bei
                                                                                                 BAKeconomics, Vizedirektor und Chef-
          Zuwanderung braucht und wie wir alle davon profitieren,                               ökonom von Avenir Suisse sowie als
                                                                                                wirtschaftspolitischer Berater tätig.
          erklärt  Arbeitsmarktexperte Dr. Boris Zürcher.






        Die Schweiz hat eine lange Migrations-  rückzuführen. Es ist aber nicht so, dass sie  zurückzuführen. Die Unternehmen in der
        geschichte – was waren früher die       einfach kommen, sondern wir holen sie –  Schweiz rekrutieren daher vor allem jün-
          Beweggründe, zu gehen und zu kommen?  die Unternehmen rekrutieren sie. Das fällt  gere Personen, welche von der Alters-
        Bis ungefähr 1890 führten vor allem  ihnen leicht, weil sie gute und lukrative  struktur her die Einheimischen fast schon
          Armut und fehlende Perspektiven in länd-  Arbeitsplätze anbieten. Die Regel ist, dass  perfekt ergänzen. Mit dem Personenfrei-
        lichen Gegenden der Schweiz zu Abwande-  die Zuwanderung mit der Konjunktur in  zügigkeitsabkommen kommen die Leute
        rung. In der zweiten  Industrialisierungs-  der Schweiz steigt, und die Bereitschaft  vor allem aus den umliegenden Ländern,
        phase bis zum Ersten Weltkrieg trugen die  der Zuwanderer, hierherzukommen, hängt  also aus Deutschland, Italien oder Frank-
        aufblühende Wirtschaft und die damit  wiederum von der Konjunktur im Her-      reich.
        steigende Beschäftigung zu einem positi-  kunftsland ab. Je besser also die Wirt-
        ven  Wanderungssaldo bei.  Die  Zwischen-  schaft in der Schweiz  im  Vergleich  zum  Müssen wir Angst vor Zuwanderung
        kriegszeit wiederum war von einer  Ausland läuft, umso höher ist der Bedarf  haben?
          Nettoabwanderung geprägt. Es gingen vor-  nach Arbeitskräften und umso höher die  Angst würde ich nicht sagen. Aber es ist
        wiegend Menschen, die in ihre Heimatlän-  Bereitschaft, hierherzukommen. Kommt  verständlich, dass eine so hohe Zuwande-
        der zurückkehrten. Seit dem Ende des  hinzu, dass sich die Zugewanderten dank  rung, wie wir sie aktuell erfahren, vor al-
        Zweiten Weltkrieges war die Schweiz  der Mehrsprachigkeit der Schweiz auch  lem gesellschaftlich herausfordernd ist.
        schliesslich fast dauerhaft auf ausländi-  einfacher integrieren.              Zudem wird in der Zuwanderungsdiskus-
        sche Arbeitskräfte angewiesen.                                                 sion die Personenfreizügigkeit oft mit der
                                                Wie entwickelt sich unsere  Gesellschaft?  Asylzuwanderung vermischt, die tatsäch-
        Was macht die Schweiz heute für         Der Bevölkerungsanteil der über 50-Jähri-  lich problematisch sein kann.
          Zuwanderung attraktiv?                gen in der Schweiz ist in den letzten 30 bis
        Die Zuwanderung aus der EU und der EFTA  40 Jahren deutlich gestiegen. Dies ist
        ist praktisch vollständig auf das hohe Be-  hauptsächlich auf die steigende Lebens-
        schäftigungswachstum in der Schweiz zu-  erwartung und die sinkende Geburtenrate






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