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BILATERALE
        FOKUS







       IM FOKUS














        Warum die Schweiz und die EU für erfolgreichen Handel konstruktiv verhandeln
          müssen? Das erläutern Handelskammer-Präsidentin Elisabeth Schneider-Schneiter

        und Dr. Thomas Hafen, Präsident unserer Aussenwirtschaftskommission, im Gespräch.




                Elisabeth  Schneider- Schneiter:  besser als noch vor ein paar Jahren, als das  Hafen: Der Paketansatz erlaubt, die Wei-
               Um auch zukünftig als starkes  Rahmenabkommen gescheitert ist. Die  terentwicklung der Verträge zu sichern
                 und offenes Land an der europä-  Kantone unterstützen die Verhandlungen  und zugleich den so oft beschworenen
                 ischen Vernetzung teilzuneh-   jetzt sehr konstruktiv. Das ist ein grosser  «Souveränitätsverlust» einzugrenzen. Meis-
        men, ist es zentral für die Schweiz, dass  Vorteil. In  den  Sondierungsgesprächen  tens handelt es sich sowieso um die Nach-
        wir den bilateralen Weg fortsetzen. Wir  konnte der Bundesrat wichtige Konzessio-  führung technischer Normen. Das ist ver-
        stehen mitten in den Verhandlungen über  nen  erringen  und  viele  Punkte  klären.  tretbar, ebenso wie die letztinstanzliche
        die Bilateralen III. Nach unzähligen Jahren  Trotzdem gibt es aus gewissen Kreisen  Kompetenz des Europäischen Gerichts-
        des Ringens liegt eine Lösung in Griffweite.   Widerstand. Wie beurteilst du das?  hofes bei der Auslegung von europäischem
        Was bedeutet das für exportierende Unter-                                      Binnenrecht. Dass wir neue Abkommen
        nehmen wie deines?                      Hafen: Lohnschutz ist in meinen Augen  brauchen beim Strom oder bei der Lebens-
                                                wichtig, konnte aber im Rahmen der Son-  mittelsicherheit, zeigt, dass wir mit unse-
        Thomas Hafen: Von innovativen KMU bis  dierungen mit der Non-Regression-Klausel  ren europäischen Nachbarn zusammen-
        international tätigen Konzernen: Der hin-  und weiteren Massnahmen vom Bund  arbeiten müssen und wollen, und dies auch
        dernisfreie Zugang zum europäischen   gesichert werden. Weitere Forderungen  in Bereichen, die nicht durch die bestehen-
        Markt und zu unserer wichtigsten Handels-  bringen uns nicht weiter und gefährden  den bilateralen Verträge gedeckt sind.
        partnerin EU sichert den
        Erfolg für export orien-                                                                     Schneider-Schneiter: Für
        tierte Unternehmen. Bühl-    «EXPORTIERENDE UND FORSCHENDE                                   unseren Innovationsstand-
        mann  verkauft über die              UNTERNEHMEN BRAUCHEN                                    ort ist ausserdem essenzi-
        Hälfte der Eigenprodukte         ENDLICH WIEDER RECHTS- UND                                  ell, dass wir Zugang zu den
        in  den  europäischen  Bin-                                                                  EU-Forschungsprogrammen
        nenmarkt. Weniger  als                   PLANUNGSSICHERHEIT.»                                haben. Die Schweiz  darf
        zehn Prozent unserer Pro-                                                                    nun teilweise wieder mit-
        dukte  bleiben im Land.                                                                      machen. Die aktuelle För-
        Die Schweizer Wirtschaft kann vom eige-  den funktionierenden Arbeitsmarkt. Statt  derperiode hat aber längst begonnen.
        nen Binnenmarkt nicht leben. Wir brau-  Partikularinteressen müssen wir das grosse  Lohnt es sich jetzt noch einzusteigen?
        chen offene Märkte, damit wir gut in der  Ganze im Blick behalten.
        Schweiz wirtschaften können.                                                   Hafen: Es lohnt sich immer noch und ist
                                                Schneider-Schneiter: Nun gilt es innen-  sehr wichtig. Zudem müssen wir beden-
        Schneider-Schneiter:   Davon profitiert  politisch die Reihen zu schliessen. Mit  ken, dass uns die EU den Zugang nur mit
        ganz besonders die Region Basel, die täg-  dem  Paketansatz  will der  Bundesrat  die  Vorbehalt gewährt hat. Wenn die Verhand-
        lich Güter im Wert von rund 150 Millionen  bestehenden Abkommen sichern und  lungen scheitern, sind wir wieder draus-
        Franken in die EU exportiert. Dazu müs-    wichtige neue in den Bereichen Strom und  sen. Für Bühlmann sind Forschungs-
        sen wir Sorge tragen. Die Ausgangslage  Lebensmittelsicherheit  abschliessen.  Was  projekte mit EU-Ländern zentral. In
        für eine Lösung mit der EU ist heute viel  ist dabei besonders wichtig?        früheren Jahren konnten wir manchmal


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