Page 9 - Kantonsfinanzen
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er zugleich beschloss, auf die Verrechnung der kumulativen Negativteue-  ⁵  Statistisches Amt Basel-Stadt, Bruttoin-
 landprodukt nach Grossregion und
 rung der Jahre 2011 bis 2017 von 1,2 Prozent zu verzichten.  Kanton, Januar 2021. Provisorische Zahlen
 für 2019.          Das Collective-Action-Dilemma   6
 ⁶  Mehr dazu: Silvio Borner, Über Schulden
 Das Bruttoinlandprodukt des Kantons ist im Zeitraum von 2012 bis 2019   und Überschuldung, S. 78 ff.  Individuen verfolgen bei Wahlen und Abstimmungen ihre persönlichen Interessen.
 ⁷  Vgl. Theo Haldemann/Thomas Brändle/
 von 32,2 auf 39,8 Milliarden Franken, also um über 23 Prozent, ange-  Martin Baur, Ökonomische Einsichten und   Jedes Mitglied des Kollektivs versucht im Rahmen von demokratischen Ent-
 wachsen.   Dies hat zum einen Auswirkungen auf die Verschuldungsquote,   Empfehlungen für eine gute Finanzpolitik   scheiden, den persönlichen Nutzen zu maximieren. Es werden diejenigen Ausgaben
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 der Regierung, in: Adrian Ritz/Theo
 worauf wir im nächsten Kapitel zurückkommen. Zum anderen führt ein   Haldemann/Fritz Sager (Hrsg.), Blackbox   favorisiert, die einem besonders viel bringen.
 Wachstum der Wirtschaft auch zu einem Wachstum der Staatsausgaben.  Exekutive, Zürich 2019, S. 320 f.
                    Öffentliche Leistungen, die aufgrund eines solchen Entscheides erbracht
 Oft wird das kontinuierliche Ausgabenwachstum auch mit dem Bevölke-    werden, stehen allen offen, sie werden daher tendenziell übernutzt. Die Kosten
 rungswachstum der letzten Jahre begründet. Eine genauere Betrachtung   werden aber nicht oder nur teilweise den Nutzern auferlegt, sondern vor allem
 zeigt, dass die grössere Bevölkerung den höheren Aufwand nur zum Teil   dem Kollektiv. Ein Teil der Nutzungskosten wird demnach abgeschoben. Deshalb
 08  zu erklären vermag. So zeigt eine Berechnung des Betriebsaufwands pro   besteht ein Interesse des Einzelnen daran, Ausgaben zu kollektivieren.  09
 Kopf, dass dieser von 18’076 Franken pro Kantonseinwohnerin und - ein-
 wohner im Jahr 2012 auf 20’430 Franken im Jahr 2020 angestiegen ist.
 Es fand demnach ein Ausgabenwachstum überproportional zum Bevölke-
 rungswachstum statt (siehe Abbildung 2).     Dieses Ausgabenwachstum ist auf Basis der politischen Ökonomie durch-
                                              aus erklärbar: Staatliche Ausgaben und Schulden haben Allmendcharak-
                                              ter, das heisst, sie gehören allen gemeinsam. Dies führt unweigerlich zum
                                              sogenannten Collective-Action-Dilemma (vgl. Box). Insbesondere in wirt-
                                              schaftlich guten Zeiten tendiert die Politik deshalb dazu, die Ausgaben
                                              anwachsen zu lassen. Problematisch ist dabei insbesondere, dass sich die
                                              Ausgaben in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten nicht ohne Weiteres zu-
                                              rückfahren lassen. Langwierige politische Prozesse und starker Wider-
 BETRIEBSAUFWAND PRO KOPF                     stand durch die Nutzniesser der Ausgaben erschweren Kostensenkungs-
                                              massnahmen enorm. Führt dies dazu, dass die Ausgaben die Einnahmen
                                              des Kantons übersteigen, folgt eine höhere Staatsverschuldung zulasten
 21’000                                       zukünftiger Generationen.
 20’430
 20’500
 20’000
                               FORDERUNG
 19’500
                               EINFÜHRUNG EINER  AUSGABENBREMSE
 19’000
                               DER KANTON FÜHRT EINE AUSGABENBREMSE EIN, DIE FÜR NEUE
 18’500
 18’076                          AUSGABEN AB EINER DEFINIERTEN HÖHE EIN QUALI FIZIERTES MEHR
 18’000
                               IM GROSSEN RAT VORSIEHT.
 17’500
 17’000

 16’500                                       Dieser Grundtendenz und Problematik lässt sich nur mit wirkungsvollen
 2012  2013  2014  2015  2016  2017  2018  2019  2020  Begrenzungs- und Kontrollmöglichkeiten entgegenwirken, die auch in
                                              wirtschaftlich guten Zeiten verhindern, dass die Ausgaben übermässig an-
                                              steigen.   Zu berücksichtigen ist bei derartigen Regelungen selbstverständ-
                                                    7
 Abbildung 2: in Franken, ohne Pensionskassen-Reform
 Quelle: Jahresrechnungen Basel-Stadt, Statistisches Amt Basel-Stadt, eigene Berechnungen;   lich stets, dass nötige und sinnvolle Investitionen möglich bleiben.
 2012–2015: Stand Wohnbevölkerung per 31. Dezember, ab 2016: mittlere Wohnbevölkerung



 Entwicklung der Ausgaben                                                                Entwicklung der Ausgaben
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