Verwaltungsräte - zwischen Beziehungsnetz und Professionalität

02.04.2020

Im Verhältnis zum Ausland, insbesondere zu Deutschland, haben Verwaltungsräte in der Schweiz eine besondere Verantwortung und tragen eine relativ weitgehende Haftung. Gleichzeitig verfügen sie über einen grossen Gestaltungsraum, weshalb man oft anstelle von Verwaltungsrat von einem «Gestaltungsrat» spricht.

von Felix Howald, Partner & Co-Geschäftsführer, Verwaltungsrat Management AG, www.vrmanagement.ch

Wie sieht es nun aus in Sachen Zusammensetzung und Rekrutierung von VR-Mitgliedern in der Schweiz? Ist es so, dass bis hinauf in die grossen Blue-Chip Firmen nach wie vor grosse Verbesserungspotenziale bestehen und noch zu oft von einem Beziehungsdelikt oder von einem Old-Boys-Networks gesprochen werden muss?

Seit der Jahrtausendwende hat sich in diesen Fragen in der Tat einiges getan. Grundsätzlich hat eine kontinuierliche Professionalisierung in der VR-Tätigkeit und -Organisation in vielen Schweizer Gremien Einzug gehalten. Man ist sich der verantwortungsvollen Funktion bewusster geworden. Prozesse, Inhalte und Zusammensetzungen wurden vielerorts verbessert. Börsenkotierte sowie auch staatsnahe Unternehmungen stehen zusätzlich im Fokus der Öffentlichkeit und müssen sich stetig auch der Debatte über wirkungsvolle und effiziente Unternehmensführung stellen.

Aber auch bei den mehrheitlich eigentümer- und familiengeprägten Unternehmungen ist einiges in Gang gekommen. Immer mehr Firmen setzen auf ein werthaltiges Zusammenspiel eines qualifizierten Verwaltungsrates, zusammen mit der Geschäftsleitung. Damit soll eine nachhaltig erfolgreiche Unternehmensfortführung sichergestellt werden. Dies insbesondere auch unter Beizug von externer VR-Expertise, sprich VR-Mitgliedern von ausserhalb der eigenen Familie mit mehrwertbringender Aussensicht. In diesem Kontext geht «Diversität» weit über das Geschlecht hinaus. In ihrer Gesamtheit bedeutet sie eine Durchmischung von Fähigkeiten, Kompetenzen, Werdegängen, Altersklassen und Persönlichkeitsprofilen.
Es hat sich somit viel bewegt in Sachen professionelle Zusammensetzung des VR Gremiums. Trotzdem ist es noch immer eine Minderheit von Firmen, welche das Thema strukturiert, bedacht und mit der nötigen Aufmerksamkeit und Ressourcen angeht. Dabei wären die Schritte zur zielführenden VR-Besetzung relativ naheliegend: Klare Definition des Anforderungsprofils, Suche geeigneter Kandidatinnen und Kandidaten ausserhalb des eigenen Beziehungsnetzes, kritische Prüfung der Bewerber/innen und schliesslich Treffen des Entscheids, bei welchem insbesondere auch der zwischenmenschlichen Komponente genug Gewicht zugeordnet werden muss.

Der herausforderndste Teil ist sicherlich die Suche, denn ein potenzieller Verwaltungsrat ist nicht einer, der von A nach B geht, also «on the move» ist und sich Stelleninserate anschaut. Somit ist dieser Prozess anders zu gestalten als bei der Besetzung einer GL- oder Kaderposition. Zudem gibt es keinen plausiblen Grund, einer Suche von VR-Mitgliedern weniger Bedeutung zukommen zu lassen als derjenigen von GL-Mitgliedern. Oder wer würde denn schon seinen CFO im eigenen Bekanntenkreis suchen?

 

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