Der Regierungsrat im Kommunikations-Orkan

05.05.2021

Wie ein Orkan fegt die Pandemie seit rund einem Jahr über den Planeten. COVID-19 ist das Mega-Thema der Jahre 2020 und 2021 und hat die Kommunikationslandschaft durcheinandergewirbelt. Als Gesundheitsdirektor bekommt man das sehr direkt mit. Ein paar persönliche Bemerkungen.

Eine ansteckende Krankheit verunsichert uns stark. Wer verunsichert ist, sucht Sicherheit durch Information. Deshalb ist die Vermittlung, Erklärung und Einbettung von Information zentral für eine erfolgreiche Krisenbewältigung. Damit sind wir als Behörden enorm gefordert. Ein paar Zahlen mögen dies verdeutlichen:
Unser Departement beantwortete im Jahr 2020 1'434 Medienanfragen – im Jahr zuvor waren es 205. Wir verschickten 2020 rund 170 Medienmitteilungen. Nur acht davon betrafen andere Themen als COVID-19. Die neu geschaffene Webseite www.coronavirus.bs.ch hatte in sechs Monaten 1,48 Millionen Besuchende und über 3,3 Millionen Seitenaufrufe. Die Zahl der Facebook-Abonnenten des Gesundheitsdepartements stieg von 473 auf über 2500 an. Und bei der neu geschaffenen und kostenlosen Corona-Infoline des Kantons gingen im Jahr 2020 schliesslich rund 16'000 Anrufe ein.

Selbstredend ist es für die Behörden wie alle übrigen Beteiligten anspruchsvoll bis unmöglich, in diesem Umfeld allen Bedürfnissen gerecht zu werden und Fehler zu vermeiden. Dies gilt umso mehr, weil durch die Omnipräsenz des Themas unterdessen jede und jeder eine Meinung hat zu den schwierigen medizinischen und epidemiologischen Fragen, die sich aktuell stellen und denen sich unter normalen Umständen nur Expertinnen und Experten zuwenden würden. Es ist wie im Fussball, wo es alle auch immer besser wüssten und könnten als Trainer und Spieler. Mit dem Unterschied, dass Corona die gesamte Öffentlichkeit beschäftigt und nicht nur einen Teil des Publikums, wie etwa die Fussballinteressierten. Corona-Desinteressierte gibt es eigentlich gar nicht.

Wir alle haben zu COVID-19 und den geeigneten Strategien der Pandemiebewältigung längst unsere eigene fachliche Meinung. Nicht nur das, viele von uns verbinden damit inzwischen starke moralische Haltungen. Das ist berechtigt, denn die Krise hat die für uns zentralen Werte wie Freiheit, Verantwortung, Rücksicht und Solidarität mit ganzer neuer Aktualität erfüllt und in ein schwieriges Spannungsverhältnis zueinander versetzt. Entsprechend gereizt wird das Thema in der Öffentlichkeit diskutiert.

Das äussert sich vermehrt in einer moralischen Aufladung der Berichterstattung in den Medien, gerade auch über öffentliche Personen. Die für die Schweiz lange Zeit charakteristische Zurückhaltung bröckelt, teilweise schwindet auch der Respekt für das Privatleben von Amtspersonen. Fairnesshalber sei aber auch gewürdigt, dass sich sehr viele Medienschaffende weiterhin um sachliche, differenzierte und wahrheitsgetreue Berichterstattung bemühen. Das ist wohltuend.

Wir werden die Pandemie überwinden. Als Nachbeben wird dann die politische Aufarbeitung folgen. In der Replay-Funktion wird es wiederum viel Kritik geben, sicher auch berechtigte. Dann aber sollten wir den Kommunikationstakt wieder verlangsamen und allseits zur typisch-schweizerischen Unaufgeregtheit zurückfinden. Bis dahin liegt noch viel sorgenvolle und hektische Kommunikationsarbeit vor uns.

Lukas Engelberger, Regierungsrat und Vorsteher des Gesundheitsdepartements Basel-Stadt.

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