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IN SYMBIOSE
        FOKUS














        Die Schweizer Wirtschaft ist schon heute auf Fach- und Arbeitskräfte aus dem

          Ausland angewiesen. Warum die Arbeitsmigration vor dem Hintergrund des

          demografischen Wandels an Bedeutung gewinnt und warum es im Bereich der
          Personenfreizügigkeit Sicherheit braucht, erläutert Elisabeth Schneider-Schneiter.




        Der Fach- und Arbeitskräftemangel       Was fordern Sie konkret für Fachkräfte     Arbeitnehmenden mit tiefen und mittleren
          verschärft sich weiter. Sind ausländische  aus Drittstaaten?                 Einkommen sogar verbessert. Der Zugang
        Arbeitskräfte die Lösung?               Wir sollten es zum Beispiel Hochschul-  zu ausländischen Fachkräften hilft den
        Der Mangel an Arbeitskräften hat mittler-  absolvierenden oder Start-up-Gründerinnen  Unternehmen, sich am Standort Schweiz
        weile auf fast alle Branchen übergegriffen,  und -gründern aus Drittstaaten erleichtern,  zu entwickeln, bei uns im Land zu bleiben
        neben den Pflegeberufen insbesondere auf  in der Schweiz zu bleiben und hier zu arbei-  und damit genügend Arbeitsplätze für
        die ICT-Branche und die Life Sciences-  ten. Zudem müssen wir für ausländische   Einheimische zu schaffen und zu sichern.
        Industrie.  Es  braucht verschiedene  Mass-  Talente ein  attraktives Umfeld bieten. Das  84 Prozent der seit 2002 aus dem EU-/
        nahmen: In erster Linie ist das inländische  gelingt etwa, indem                                  EFTA-Raum Zugewan-
        Arbeitskräftepotenzial auszuschöpfen. Die  wir die Steuern mode-  «ZUWANDERER SIND                derten verfügen laut
        Erhöhung des Rentenalters hilft zum Bei-  rat halten.       GRÖSSTENTEILS  HOCH                   einer Studie von
        spiel,  dem Fachkräftemangel entgegenzu-                                                            Avenir Suisse über
        wirken. Zudem müssen wir dafür sorgen,  Was kann die               QUALIFIZIERTE                  eine berufliche Grund-
        dass Frauen im Berufsleben bleiben bezie-    Wirtschaft tun?     FACH KRÄFTE, DIE DIE             bildung oder Maturi-
        hungsweise rasch wieder in den Beruf  Viele    Unternehmen    SCHWEIZ DRINGEND                    tät,  55 Prozent über
          zurückkehren oder auch in höheren Pensen   sehen den demografi-                                   einen  Hochschulab-
        eingesetzt werden. Es braucht aber unbe-  schen Wandel als             BENÖTIGT.»                 schluss. Das heisst,
        dingt auch den Zugang zu Fachkräften im  Chance. Sie zeichnen                                     das sind grösstenteils
        Ausland, insbesondere in der EU.        sich aus durch eine gezielte Nachwuchsför-  hoch  qualifizierte  Fachkräfte,  die die
                                                derung und weitsichtige Personalentwick-  Schweiz dringend benötigt.
        Ist die Zuwanderung von Fach- und       lung. Eine ausgewogene Verteilung bei der
          Arbeitskräften ausreichend geregelt?  Altersstruktur der Mitarbeitenden kann  Wie wichtig ist ein gutes Verhältnis
        Zwischen der Schweiz und der EU gilt die  einem  etwaigen Personalmangel effektiv   zwischen der Schweiz und der EU?
        Personenfreizügigkeit. Diese definiert bei-  entgegenwirken.  Unternehmen sollten ver-  Eine enge Zusammenarbeit mit der EU ist
        spielsweise, wer in der Schweiz leben und  suchen, die Kompe tenzen und Stärken älterer  zentral für den Erfolg unserer Unternehmen.
        arbeiten darf, welche Diplome anerkannt  Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie das  Es ist entscheidend, dass der Bundesrat so
        werden und wer Zugang zu Sozialleistun-  Potenzial von Frauen effizienter zu nutzen.  bald wie möglich die Sondierungs gespräche
        gen hat. Wenn wir in den Beziehungen                                           mit der EU abschliesst und beide Seiten
        zur  EU aber weiterhin keine tragfähige  Nehmen  Arbeitskräfte aus dem Ausland  an den Verhandlungstisch zurückkehren.
          Lösung finden, ist die Personenfreizügigkeit  den Schweizerinnen und Schweizern die  Denn die Schweiz ist zwar ein gewichtiger
        über kurz oder lang gefährdet. Das müs-  Jobs weg?                             Player im Herzen Europas, aber keine Insel
        sen wir unbedingt verhindern. Für Fach-  Diese Sorgen haben sich bisher nie bewahr-  und damit auf gute wirtschaftliche Bezie-
        kräfte aus Drittstaaten sollten wir die Rah-  heitet.  Zahlreiche  Studien  haben  gezeigt,  hungen zu ihrer wichtigsten Handelspart-
        menbedingungen verbessern, indem wir  dass die Personenfreizügigkeit die einhei-  nerin angewiesen. •
        beispielsweise die Kontingente erhöhen  mischen Arbeitskräfte kaum verdrängt.   GABRIEL SCHWEIZER, Leiter Aussenwirtschaft
        und die Zulassungskriterien  liberalisieren.  Sie hat die Situation der einheimischen     g.schweizer@hkbb.ch








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