«Wir profitieren enorm von EU-Geldern, die wir für die Forschung bekommen»

12.09.2019

Ein Gespräch mit Prof. Dr. Christa Tobler, Professorin für Europarecht am Europainstitut der Universität Basel.

Frau Tobler, welche Rolle spielt das Europainstitut in Basel?

Die Rolle des Europainstituts hat sich im Laufe der Zeit stark verändert. Bei der Gründung im Jahr 1990 standen dort vor allem Unterricht und Forschung zum Verhältnis der Schweiz zu Europa im Mittelpunkt. Unterdessen ist das Institut in die Universität Basel eingegliedert und mit der Zeit haben sich breitere Perspektiven aufgetan. Jetzt machen wir sogenannte European Global Studies. Das heisst, wir schauen Europa im globalen Kontext und die Schweiz in diesem Gebilde an. In diesem Zusammenhang interessiert uns zum Beispiel auch China. Wir haben eine breitere Perspektive eingenommen, ohne das ursprüngliche Thema zu vernachlässigen.

Welche Forschungsfelder beschäftigen Sie?

Mein offizielles Arbeitsgebiet ist das Europarecht. Dabei habe ich zwei Spezialisierungen: Zum einen die Rechtsgleichheit und Diskriminierung, und zwar sowohl im Wirtschafts- als auch im Sozialrecht. Da bin ich Expertin für die europäische Kommission in einem Expertisenetzwerk. Und meine jüngere Spezialisierung ist das Verhältnis Schweiz – EU, also das bilaterale Recht und alles, was damit zusammenhängt.

Sie werden von verschiedenen politischen Gremien als Expertin konsultiert. Arbeiten Sie auch zusammen mit Wirtschaftsvertretern?

Unser Institut pflegt sehr gute Beziehungen zu verschiedenen Organisationen in der Region Basel, unter anderem auch im Rahmen unseres Fördervereins. Das ist sehr wichtig, da unsere Arbeit keinen Selbstzweck darstellt, sondern von Steuergeldern bezahlt wird und der Öffentlichkeit dienen soll.

Wie wichtig ist die EU für unsere Region?

Die EU ist die wichtigste Handelspartnerin der Schweiz und ganz speziell auch unserer Grenzregion. Unsere Wirtschaftsbeziehungen zur EU basieren heute nicht nur auf dem Freihandel mit Waren, sondern zum Beispiel auch auf der Personenfreizügigkeit und auf vielen Abkommen zu weiteren Themen. Das alles geht weit über klassische internationale Handelsabkommen hinaus.

Christina Tobler «Die EU ist die wichtigste Handelspartnerin der Schweiz und ganz speziell auch unserer Grenzregion», meint Prof. Dr. Christa Tobler, Professorin für Europarecht am Europainstitut der Universität Basel.

Nun gibt es die bilateralen Abkommen, die gut funktioniert haben. Warum braucht es noch einen weiteren Schritt der Institutionalisierung?

In rechtlichen Abkommen gibt es immer zwei Seiten: Es gibt die inhaltliche Seite, also zum Beispiel was heisst freier Personenverkehr oder freier Warenverkehr. Und dann gibt es die institutionelle Seite, bei der es darum geht, wie ein Abkommen funktioniert – sozusagen die Spielregeln. Das bilaterale Recht ist über viele Jahrzehnte entstanden. Die einzelnen Abkommen haben zum Teil nur rudimentäre und teilweise unterschiedliche institutionelle Regelungen. Es ist ein unübersichtliches System. Die EU ihrerseits hat einen Binnenmarkt mit einem klaren institutionellen System geschaffen, das insgesamt sehr gut funktioniert. Sie begann, darüber hinaus auch mit gewissen Nichtmitgliedsländern Binnenmarkt-Abkommen zu schliessen. So entstand der Europäische Wirtschaftsraum (EWR), der die Binnenmarktregeln der EU auf weitere Länder ausgedehnt hat. Heute sind dies unser Nachbar Liechtenstein sowie Island und Norwegen. Auch der EWR hat einen klaren institutionellen Rahmen. Die Schweiz macht bekanntlich beim EWR nicht mit. Durch die bilateralen Abkommen hat aber auch sie in gewissen Bereichen Zugang zu diesem erweiterten Binnenmarkt. Nur: Die institutionelle Seite unserer bilateralen Abkommen hat sich nicht an dieses veränderte Umfeld angepasst.

Das Rahmenabkommen verzögert sich. Was bedeutet das für die Schweiz, wenn es nicht bald abgeschlossen wird?

Kurzfristig heisst dies beispielsweise, dass das Stromabkommen immer noch nicht abgeschlossen werden kann. Weiter dürfte das Konformitätsbewertungs-Abkommen nicht mehr modernisiert werden. Dieses betrifft zurzeit die Medizinprodukte, und die fehlende Anpassung würde vor allem für der Standort Basel grosse Nachteile mit sich bringen. Schliesslich wird die EU ab 2021 ein neues Forschungsprogramm haben. Da könnten wir dann wohl nicht mehr voll teilnehmen. Für ein forschungsstarkes Land wie die Schweiz wäre das schwerwiegend.

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