«Zweiten Lockdown unbedingt vermeiden»

03.09.2020

Der Vorstand der Handelskammer beider Basel begrüsste kürzlich Professor Aymo Brunetti in Basel. Der Ökonom zeigte eindrücklich die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Coronakrise auf.

Professor Dr. Aymo Brunetti, Vorsteher Volkswirtschaftliches Institut der Universität Bern, zeigte den Vorstandsmitgliedern der Handelskammer Szenarien zu den volkswirtschaftlichen Auswirkungen der aktuellen Gesundheitskrise auf.

Gefährliche Kombination: Rückgang BIP und privater Konsum

Der rekordtiefe Fall des Schweizer Bruttoinlandprodukts von minus 8,2 Prozent gemäss aktuellen Zahlen des SECO macht der Wirtschaft zu schaffen. Allerdings zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den Sektoren: Während die Finanz- und Versicherungsbranche bisher ein Minus von 2 Prozent verzeichnete, musste die Gastronomie einen Rückgang von über 54 Prozent gegenüber dem Vorquartal hinnehmen. Was allerdings die aktuelle Situation so historisch speziell mache, sei der gleichzeitige Rückgang des privaten Konsums von minus 8,6 Prozent, so Brunetti. Denn dieser sei beispielsweise während der Finanzkrise von 2009 ziemlich stabil geblieben.

Weltweit massive Auswirkungen

Brunetti prognostiziert deshalb einen global stärkeren Einbruch als bei der Finanzkrise. Weltweit sei mit einem BIP-Rückgang von knapp 5 Prozent zu rechnen. Dieser «völlig ungewöhnliche Makro-Schock» so Brunetti, zwinge uns, in der Wirtschaftspolitik in Szenarien zu denken: «Denn die Kombination von gleichzeitig einem Produktionsrückgang auf der Angebotsseite und dem Einbruch von Konsum und Investitionen auf der Nachfrageseite ist einmalig». Hinzu komme eine grosse Unsicherheit über den weiteren Verlauf.

Professor Aymo Brunetti © Universität Bern Adrian Moser
Drei Szenarien denkbar

Denkbar seien folgende drei unterschiedlich wahrscheinliche Szenarien: Erstens, eine relativ gesunde Erholung der Wirtschaft, zweitens eine anhaltende Rezession und Finanzkrise sowie drittens eine Überhitzung und Inflationsdruck.

Momentan herrsche bei den Prognosen das erste Szenario vor, also eine relativ gesunde Erholung. Voraussetzung dafür ist eine ausgeglichene Entwicklung von Angebot und Nachfrage, die keine weiteren grösseren wirtschaftspolitischen Stimulierungsmassnahmen seitens des Staats nötig machen.

Bei grösseren Ansteckungswellen und einem weiteren umfassenden Lockdown tritt Szenario zwei in den Vordergrund: Konsum und Investitionen gehen zurück. Es käme zu einem starken Nachfrageeinbruch mit Deflationsrisiken. Die Bank- und Handelsbücher der Banken würden grössere Verluste erleiden, was die Gefahr einer echten Finanzkrise birgt. Hier wären zusätzliche fiskalische Stimulierungsmassnahmen angebracht, wie Konjunkturpakete.

Ein mittelfristig denkbares Szenario wäre ebenfalls gravierend für die Wirtschaft: Eine Überhitzung mit Inflationstendenzen. Eine stark wachsende Nachfrage kombiniert mit der extrem expansiven Geldpolitik und De-Globalisierungstendenzen könnten eine Inflationsdynamik auslösen, die dann zu destabilisierenden Zinserhöhungen führen könnten. Gerade wegen dem mittelfristigen Überhitzungsszenario sei Vorsicht mit heutigen Stimulierungsmassnahmen angebracht, denn diese könnten als potenzielle Brandbeschleuniger wirken.

Weiteren Lockdown vermeiden

Welches Szenario eintritt, hängt entscheidend davon ab, wie sich die Corona-Pandemie weiterentwickelt. Ein zweiter umfassender Lockdown sei unbedingt zu vermeiden, resümierte Brunetti abschliessend.

Ein vertiefendes Papier von Professor Aymo Brunetti dazu kann hier eingesehen werden.

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