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Juso-«Erbschaftssteuer»:
Besteht Handlungsbedarf?
Die mögliche Einführung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer von 50 Prozent
auf grosse Vermögen verunsichert vermögende Personen, Unternehmerinnen und
Unternehmer. Sie stehen vor der Frage, ob sie im Vorfeld der Abstimmung vom 30.
November 2025 Vorkehrungen treffen müssen.
Von Andrea Opel und Stefan Oesterhelt
Am 30. November 2025 wird die Schweiz über die von der Nach geltendem Recht sind Schenkungen an direkte
Juso lancierte «Erbschaftssteuer» abstimmen. Vorgesehen Nachkommen in fast allen Kantonen steuerfrei. Die Über-
ist eine bundesrechtliche Erbschafts- und Schenkungs- tragung auf ausländische Trusts oder Stiftungen eignet sich
steuer von 50 Prozent auf Vermögensteile, sofern der demgegenüber meist nicht: Das Vermögen wird in der Regel
Nachlass (inkl. Vorempfänge) insgesamt 50 Millionen weiterhin dem Übertragenden zugerechnet. Hat dieser sei-
Franken überschreitet. Die Einnahmen sollen nach der Ab- nen Wohnsitz zum Todeszeitpunkt in der Schweiz, fiele die
sicht der Initiantinnen und Initianten für sozial gerechte neue Steuer an.
Klimaschutzmassnahmen und den ökologischen Umbau
der Wirtschaft verwendet werden. Wegzug auch später möglich
Ein Wegzug – auch nach dem Abstimmungstag – verhindert
Annahme unwahrscheinlich die Bundeserbschaftssteuer, sofern der Lebensmittel-
Der Bundesrat erwartet trotz hohem Steuersatz kaum punkt effektiv ins Ausland verlegt und dort ein nachhaltiger
Mehreinnahmen, da der überwiegende Teil der Betroffe- Wohnsitz begründet wird. Der Wegzug gilt nämlich nicht
nen im Fall der Annahme der Initiative die Schweiz ver-
lassen dürfte. Damit drohten Ausfälle insbesondere bei
den kantonalen Vermögenssteuern, welche die Kantone
und Gemeinden durch allgemeine Steuererhöhungen
kompensieren müssten. Zusätzlich wären Standort- und
Beschäftigungseffekte durch den Wegzug von Familien- Prof. Dr. Andrea Opel,
unternehmen zu erwarten. Auch die Philanthropie würde Universität Luzern
verlieren, weil selbst gemeinnützige Zuwendungen hälftig Opel ist seit 2016 Ordinaria für Steuerrecht an der
besteuert würden. Sogar eine Zuwendung an eine Um- Universität Luzern. Davor hielt sie eine Assistenzpro-
fessur inne. Opel ist zudem Co-Chefredaktorin der
weltschutzorganisation wie Greenpeace würde der Erb- Steuer Revue sowie Präsidentin der Trägerorganisa-
schaftssteuer unterliegen. tion für die höhere Fachprüfung für Steuerexperten.
Obwohl die Prognosen klar gegen eine Annahme
sprechen – auf Bundesebene hat noch keine Juso-
Initiative eine Mehrheit gefunden –, herrscht Verunsiche-
rung. Viele potenziell Betroffene prüfen Vorkehrungen für
den – unwahrscheinlichen – Fall der Annahme. Im Vorder- Stefan Oesterhelt,
grund stehen Schenkungen an Nachkommen und der Partner bei der Anwaltskanzlei Homburger AG
Wegzug aus der Schweiz. Oesterhelt ist seit 2012 Partner der Anwaltskanzlei
Homburger AG, wo er Unternehmen und natürliche
Personen im Gebiet des nationalen und internationalen
Schenkungen hätten vor dem 30. November 2025 zu er- Steuerrecht berät und vor den Gerichten vertritt.
folgen. Später könnte eine rückwirkende Erfassung im Rah- Zudem ist er Co-Chefredaktor der Steuer Revue und
men der «Erbschaftssteuer» drohen, sofern der Schenkende Lehrbeauftragter für Steuerrecht an der HSG St. Gallen.
im Schenkungszeitpunkt in der Schweiz wohnhaft wäre.
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