Page 7 - 2025_07_31_Tribune_inkl_Beilage
P. 7

Juso-«Erbschaftssteuer»:



                     Besteht Handlungsbedarf?












            Die mögliche Einführung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer von 50 Prozent
            auf grosse Vermögen verunsichert vermögende Personen, Unternehmerinnen und
            Unternehmer. Sie stehen vor der Frage, ob sie im Vorfeld der Abstimmung vom 30.
            November 2025 Vorkehrungen treffen müssen.

            Von Andrea Opel und Stefan Oesterhelt




            Am 30. November 2025 wird die Schweiz über die von der       Nach geltendem Recht sind Schenkungen an direkte
            Juso lancierte «Erbschaftssteuer» abstimmen. Vorgesehen   Nachkommen in fast allen Kantonen steuerfrei. Die Über-
            ist eine bundesrechtliche Erbschafts- und Schenkungs-     tragung auf ausländische Trusts oder Stiftungen eignet sich
            steuer von 50 Prozent auf Vermögensteile, sofern der      demgegenüber meist nicht: Das Vermögen wird in der Regel
            Nachlass (inkl. Vorempfänge) insgesamt 50 Millionen       weiterhin dem Übertragenden zugerechnet. Hat dieser sei-
            Franken überschreitet. Die Einnahmen sollen nach der Ab-  nen Wohnsitz zum Todeszeitpunkt in der Schweiz, fiele die
            sicht der Initiantinnen und Initianten für sozial gerechte   neue Steuer an.
            Klimaschutzmassnahmen und  den  ökologischen  Umbau
            der Wirtschaft verwendet werden.                          Wegzug auch später möglich
                                                                      Ein Wegzug – auch nach dem Abstimmungstag – verhindert
            Annahme unwahrscheinlich                                  die Bundeserbschaftssteuer, sofern der Lebensmittel-
            Der  Bundesrat  erwartet  trotz  hohem  Steuersatz kaum   punkt effektiv ins Ausland verlegt und dort ein nachhaltiger
            Mehreinnahmen, da der überwiegende Teil der Betroffe-     Wohnsitz begründet wird. Der Wegzug gilt nämlich nicht
            nen im Fall der Annahme der Initiative die Schweiz ver-
            lassen dürfte. Damit drohten Ausfälle insbesondere bei
            den kantonalen Vermögenssteuern, welche die Kantone
            und Gemeinden durch allgemeine Steuererhöhungen
            kompensieren müssten. Zusätzlich wären Standort- und
            Beschäftigungseffekte durch den Wegzug von Familien-                             Prof. Dr. Andrea Opel,
            unternehmen zu erwarten. Auch die Philanthropie würde                            Universität Luzern
            verlieren, weil selbst gemeinnützige Zuwendungen hälftig                         Opel ist seit 2016 Ordinaria für Steuerrecht an der
            besteuert würden. Sogar eine Zuwendung an eine Um-                               Universität Luzern. Davor hielt sie eine Assistenzpro-
                                                                                             fessur inne. Opel ist zudem Co-Chefredaktorin der
            weltschutzorganisation wie Greenpeace würde der Erb-                             Steuer Revue sowie Präsidentin der Trägerorganisa-
            schaftssteuer unterliegen.                                                       tion für die höhere Fachprüfung für Steuerexperten.


               Obwohl die Prognosen klar gegen eine Annahme
            sprechen – auf Bundesebene hat noch keine Juso-
            Initiative eine Mehrheit gefunden –, herrscht Verunsiche-
            rung. Viele potenziell Betroffene prüfen Vorkehrungen für
            den – unwahrscheinlichen – Fall der Annahme. Im Vorder-                          Stefan Oesterhelt,
            grund stehen Schenkungen an Nachkommen und der                                   Partner bei der Anwaltskanzlei Homburger AG
            Wegzug aus der Schweiz.                                                          Oesterhelt ist seit 2012 Partner der Anwaltskanzlei
                                                                                             Homburger AG, wo er Unternehmen und natürliche
                                                                                             Personen im Gebiet des nationalen und internationalen
               Schenkungen hätten vor dem 30. November 2025 zu er-                           Steuerrecht berät und vor den Gerichten vertritt.
            folgen. Später könnte eine rückwirkende Erfassung im Rah-                        Zudem ist er Co-Chefredaktor der Steuer Revue und
            men der «Erbschaftssteuer» drohen, sofern der Schenkende                         Lehrbeauftragter für Steuerrecht an der HSG St. Gallen.
            im Schenkungszeitpunkt in der Schweiz wohnhaft wäre.





                                                                                                                        7
   2   3   4   5   6   7   8