Vernehmlassung zum Gegenvorschlag «Biodiversitätsinitiative»

09.07.2021

Für eine zielführende Stärkung der Biodiversität und des Landschaftsbildes braucht es nicht weitere Auflagen, Nutzungseinschränkungen oder Schutzflächen, sondern neue innovative Förderungsmassnahmen. Mit dieser Haltung macht sich die Handelskammer beider Basel für eine Überarbeitung des Gegenvorschlags zur Biodiversitätsinitiative stark.

Ausgangslage

Mit der Volksinitiative «Für die Zukunft unserer Natur und Landschaft (Biodiversitätsinitiative)» soll der Schutz der Artenvielfalt gestärkt und die Baukultur der Schweiz verbessert werden. Gemäss der Initiative soll zur Zielerreichung auch direkt in die Entwicklung des Siedlungsgebiets eingegriffen werden. Als Vertreterin der Industrie-, Dienstleistungs- und Handelsunternehmen in den beiden Basel setzt sich die Handelskammer beider Basel für attraktive und wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen für ihre Mitglieder ein. Da bei einer Umsetzung der Biodiversitätsinitiative neue Nutzungseinschränkungen zu erwarten sind, beteiligen wir uns im Vernehmlassungsverfahren zum Gegenvorschlag des Bundesrates und hoffen, mit unserem Input zu einer zielorientierten und angemessenen Problemlösung beitragen zu können.

Die Handelskammer beider Basel ist sich der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung der Biodiversität bewusst und anerkennt die Vorzüge eines attraktiven Landschaftsbildes. Gleichwohl beobachten wir bereits heute tiefgreifende Nutzungseinschränkungen durch den Natur- und Heimatschutz. Wir befürchten, dass die vorliegende Initiative sowie der von Bundesrat vorgeschlagene Gegenvorschlag zu weiteren Einschränkungen führt und sich unverhältnismässig stark auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Schweiz auswirkt.

Gemäss der nationalen Arealstatistik 2013 / 2018 des Bundesamts für Statistik sind über 90 Prozent der Landesfläche durch Landwirtschaftsflächen (36 %), bestockte Flächen (33 %) und unproduktive Flächen (22 %) geprägt. Urbanisierte Räume spielen demgegenüber eine untergeordnete Rolle (Gebäudeareal: 5 %, Verkehrsflächen: 3 % und Gewerbe- und Industrieareale: 1 %). Der Einfluss der Siedlungsflächen und insbesondere der Gewerbe- und Industrieareale muss in diesem Kontext richtig eingeordnet werden. Es gilt sicherzustellen, dass Nutzungseinschränkungen und deren Folgekosten in einem angemessenen Verhältnis stehen und am richtigen Ort ansetzen.

Forderungen der Handelskammer beider Basel

Die Handelskammer beider Basel teilt die Ansicht des Bundesrates, dass die Volksinitiative mit ihren Forderungen zu zahlreichen Zielkonflikten führt. Wir sind der Ansicht, dass der vorgeschlagene Weg die wesentlichen Probleme nicht lösen kann und vermeidbaren Schaden verursacht. Daher lehnen wir die Initiative «Für die Zukunft unserer Natur und Landschaft (Biodiversitätsinitiative)» entschieden ab. Gleichwohl anerkennen wir Handlungsbedarf zur Biodiversitätsförderung und im begrenzten Mass auch zum Schutz des Landschaftsbildes. Das Engagement des Bundesrates zur Ausarbeitung eines indirekten Gegenvorschlags ist daher folgerichtig. Obschon der im Entwurf vorliegende Gegenvorschlag noch Optimierungspotenzial hat, greift er einige gute Punkte auf. Diese sind:

  • Die Tatsache, dass der Gegenvorschlag den Ruf nach einem ungeschmälerten Erhalt der Kerngehalte der Schutzwerte nicht aufnimmt, ist zu begrüssen. Wie in den Erläuterungen des Bundesrates festgehalten, könnten mit dieser Bestimmung bereits durch kleinste Schutzflächen untergeordneter Priorität unverhältnismässige Zielkonflikte mit grossem wirtschaftlichen Kollateralschaden verursacht werden. Dazu zählt beispielsweise auch die Umsetzung der Energiestrategie, zu deren Umsetzung neue Infrastrukturen geschaffen werden müssen. Daher fordern wir den Bundesrat dazu auf, einen Schritt weiterzugehen und als Teil des Gegenvorschlags die Hindernisse zur Nutzung erneuerbarer Energiequellen durch Bedenken des Natur- und Landschaftsschutz deutlich einzuschränken. Mit der Einstufung der Produktion erneuerbarer Energien als «nationales Interesse» im Rahmen der Energiestrategie 2050 wurde ein wichtiger Grundsatzentscheid gefällt. Dieser Entscheid sollte aber auch klare Konsequenzen für die entsprechenden Bau- und Bewilligungsverfahren haben. Die dadurch verbesserten Realisierungschancen von nachhaltigen Energieprojekten würde der langfristigen Gewährleistung der Versorgungssicherheit zugutekommen und wäre elementar zur Realisierung der Energiestrategie des Bundes. Zudem ist eine Decarbonisierung der Energieproduktion global gesehen auch ein Beitrag zur Biodiversität.
  • Ebenfalls begrüssen wir die durch den Gegenvorschlag entschärfte Untergrabung der Kantons- und Gemeindeautonomie. Der Erhalt des Subsidiaritätsprinzips ist für die föderale Raumpolitik der Schweiz von grosser Bedeutung und darf nicht ohne weiteres infrage gestellt werden.
  • Auch das Kosten-Nutzen-Verhältnis ist im vorliegenden Gegenvorschlag deutlich besser. Gemäss den Schätzungen des Bundesrates führt die Umsetzung des indirekten Gegenvorschlags zu Mehrkosten im Bundeshaushalt von ca. 100 Millionen Franken jährlich. Diese kommen zusätzlich zu den bereits bestehenden Kosten zur Biodiversitätsförderung durch Programmvereinbarungen, Leistungsnachweise und private, kantonale sowie kommunale Initiativen etc. dazu. Die Schätzung der Mehrkosten, welche durch die Initiative anfallen würden, liessen sich aufgrund der fehlenden Massnahmen nicht genau bestimmen. Der Bundesrat rechnet ausgehend von angenommenen Massnahmen mit Mehrkosten von ca. 443 Millionen Franken jährlich.
  • Die deutliche Abschwächung des Ästhetikparagrafen im Vergleich zur Initiative ist ebenfalls zu begrüssen. Insbesondere für zonenkonforme, funktional gebaute Gewerbe- und Industrieanlagen fordern wir als Handelskammer einen generellen Verzicht auf solche zusätzlichen Vorschriften. Denn weitere Auflagen belasten den Werkplatz Schweiz unnötig und scheinen mit Blick auf die Arealstatistik und dem Flächenbedarf dieser Bauten (1 Prozent der Landesfläche) als unangemessen.

Neben diesen grossmehrheitlich positiven Aspekten des Gegenvorschlags fordern wir vom Bundesrat weitere Nachbesserungen in zentralen Punkten des Gegenvorschlags. Konkret fordern wir:

  • Einen Verzicht auf die Verankerung des 17 Prozent Flächenziels zum Schutz von Tieren und Pflanzen im Natur- und Heimatschutzgesetz.
  • Die Aufhebung der Ungleichbehandlung von Landwirtschaftsbetrieben ausserhalb und Grundeigentümer innerhalb Siedlungsgebiets.
  • Eine Aufhebung restriktiver Schutzflächen mit Nutzungseinschränkungen für die Grundeigentümer innerhalb der Siedlungsflächen.

Von der Festsetzung eines konkreten Flächenziels im Natur- und Heimatschutzgesetz halten wir aus unterschiedlichen Gründen nichts. Wie der Bundesrat in seinen Erläuterungen schreibt, entscheidet nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität der Biodiversitätsflächen über ihren biodiversitätsstiftenden Nutzen. Zudem erweckt dieses Ziel den Eindruck, dass nur geschützte und nicht anderweitig genutzte Flächen einen ökologischen Wert haben können. Doch gerade in urbanen Räumen existieren viele vom Menschen geschaffene Nischen, welche nicht geschützt werden müssen, um ihre biodiversitätsstiftende Wirkung zu entfalten. Zudem zeichnen sich bei der konkreten Umsetzung dieses Ziels eine Vielzahl von Konflikten ab. Da jeder Kanton unterschiedliche Voraussetzungen mit sich bringt, ist von einer generelle Weitergabe dieses 17 Prozent Flächenziels an die Kantone abzuraten. So lassen sich beispielsweise die Voraussetzungen des urbanen und kleinräumigen Kantons Basel-Stadt nicht mit den Verhältnissen in einem grossen und rural geprägten Kanton wie beispielsweise dem Kanton Graubünden vergleichen.

Die Tatsache, dass landwirtschaftliche Betriebe, Verkehrsbetriebe, Energieversorgungsunternehmen, Betreiber von Freizeitanlagen und touristischen Anlagen oder Waldbesitzer und Forstbetriebe ausserhalb der Siedlungsfläche für ihren Beitrag an den Schutzzielen entschädigt und die Kosten für ihren Flächenunterhalt verrechnen können, während Grundeigentümer, Bauherren und Investoren im Siedlungsgebiet die Kosten für ökologische Ausgleichsflächen teilweise selbst tragen müssen, ist unhaltbar. Das Argument, dass Wohnüberbauungen und Firmengelände durch diese erzwungenen Massnahmen in verschiedener Hinsicht profitieren, ist grotesk und könnte genauso gut für die Akteure ausserhalb der Siedlungsflächen herangezogen werden.

Die schleichende Tendenz zur Schaffung neuer Auflagen und teilweise gravierender Eingriffe in die Eigentumsrechte von Grundstückbesitzern beobachten wir mit zunehmendem Befremden. Die dadurch geschaffenen Anreize zur präventiven Unterbindung hoher Biodiversitätswerte, beispielsweise durch den Einsatz von Chemikalien, sind kontraproduktive Konsequenzen dieser Politik. Sowohl die Initiative, als auch der Gegenvorschlag werden solche Fehlanreize weiter befeuern. Das Problem der langfristigen Nutzungseinschränkungen wird aber weder von der Initiative, noch vom Gegenvorschlag angegangen. Solche Nutzungseinschränkungen sind insbesondere im sich schnell wandelnden urbaren Raum, wie etwa der Stadt Basel, für Investoren mit grossen Unsicherheiten verbunden. Es ist davon auszugehen, dass Investoren und Unternehmen von sich aus bereit wären weitere Massnahmen zur Biodiversitätsförderung einzuleiten, wenn sichergestellt wäre, dass eine flexible Nutzung ihres Eigentums dadurch nicht in Gefahr ist. Daher fordern wir eine Aufhebung der restriktiven Schutzflächen innerhalb des Siedlungsraums. Inwiefern durch die Schaffung eines nationalen Biodiversitätsflächenhandels diese Flexibilität im Siedlungsraum geschaffen werden kann und dem freiwilligen Biodiversitätsschutz einen Wert gegeben werden kann, müsste weiter vertieft werden. Wir sind der Ansicht, dass ein gut konstruiertes Biodiversitätsflächenhandelssystem erfolgsversprechender ist, als restriktive Schutzbestimmungen und strikte Flächenziele. Zudem würde ein solcher Flächenhandel den betroffenen Grundeigentümer eine einfache und faire Interessenabwägung erlauben.

Fazit

Die Handelskammer beider Basel begrüsst die Ausarbeitung eines indirekten Gegenvorschlags zur Biodiversitätsinitiative. Gleichzeitig kann sie diesen in der aktuellen Form nicht unterstützen. Wir bitten den Bundesrat daher unsere Forderungen vertieft zu prüfen. Die aktuelle Fassung des Gegenvorschlags führt nach wie vor zu einer unnötigen Schwächung des Werkplatzes Schweiz, ist der Initiative aber klar vorzuziehen. Wie in unserer Stellungnahme ausführlich erläutert fordern wir am Gegenvorschlag des Bundesrates folgende Nachbesserungen:

  • Eine substanzielle Verbesserung der Realisierungschancen von Projekten zur Stärkung der Produktion erneuerbarer Energien im Vergleich zur aktuellen Situation.
  •  Den vollständigen Verzicht auf neue ästhetische Anforderungen an Gewerbe- und Industrieanlagen.
  • Den Verzicht auf die Festsetzung eines Schutzflächenziels von 17 Prozent der Landesfläche.
  • Den Verzicht auf restriktive Schutzflächen innerhalb des Siedlungsraums.
  • Eine Gleichbehandlung bezüglich der Entschädigung von biodiversitätsstiftenden Massnahmen innerhalb und ausserhalb der Siedlungsflächen.
  • Die Schaffung liberaler Anreize zu Förderung der Biodiversität den vorgesehenen und bestehenden Auflagen und Nutzungseinschränkungen vorzuziehen, respektive ganz auf diese zu verzichten.

Gerne sind wir als Handelskammer beider Basel bereit, im Rahmen unserer Möglichkeiten an einer Verbesserung des Gegenvorschlags aktiv mitzuwirken.

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