Stellungnahmen zu den Grossratssitzungen vom 9. und 16. Februar 2022

04.02.2022

Die Handelskammer beider Basel nimmt zu diversen Traktanden der Grossratssitzungen vom 9. und 16. Februar 2022 Stellung.

Traktandum 12.1: Motion Luca Urgese und Konsorten betreffend attraktives Steuerumfeld für Familien und Fachkräfte

Die Motion fordert eine Reduktion der Einkommenssteuerbelastung für Familien und Fachkräfte. Der Regierungsrat soll dem Grossen Rat innert zwei Jahren eine entsprechende Vorlage unterbreiten. Aktuell sind bei der Regierung eine Gemeindeinitiative und mehrere parlamentarische Vorstösse hängig. Sie haben gemeinsam, dass sie höhere Abzüge bei der Einkommenssteuer fordern, sei es für Kinder, Krankenkassen-prämien oder die externe Kinderbetreuung. Der Regierungsrat hat in seiner Berichterstattung zur Gemeindeinitiative "Entlastung von Familien" angekündigt, die verschiedenen Forderungen zu einem umfassenden Gegenvorschlag zusammenzufassen. Die Handelskammer unterstützt eine gemeinsame Behandlung aller hängigen Vorstösse, damit ein kohärentes und stimmiges Gesamtpaket verabschiedet werden kann. Sie ist jedoch der Meinung, dass im Rahmen dieses Gesamtpakets auch über eine Reduktion des Einkommenssteuersatzes gesprochen werden muss. Diverse Standortvergleiche zeigen immer wieder, dass der Kanton Basel-Stadt bei mittleren und höheren Einkommen eine überdurchschnittliche Steuerbelastung aufweist. Bestätigt wurde dies in einer von Prof. Kurt Schmidheiny erstellten Analyse, die im Themendossier Kantonsfinanzen Basel-Stadt der Handelskammer publiziert wurde. Im internationalen Standortwettbewerb spielen nicht nur die Steuerbelastung, sondern auch weitere Standortfaktoren wie die Lebensqualität, die Infrastruktur oder das Bildungssystem eine wichtige Rolle. Aber auch die Steuern sind ein wichtiger Faktor. Die Einführung der OECD-Mindeststeuer für Unternehmen wird dazu führen, dass sich der Standortwettbewerb auf andere Faktoren konzentriert. Einer dieser Faktoren wird die Steuerbelastung für die Mitarbeitenden sein. Es ist daher wichtig und richtig, sich frühzeitig darum zu kümmern, in diesem Bereich wettbewerbsfähig zu sein. Die positiven Rechnungsabschlüsse der letzten Jahre – trotz Pandemiekosten in dreistelliger Millionenhöhe - bieten dafür den notwendigen finanziellen Spielraum. Deshalb ist jetzt der richtige Zeitpunkt, den Einkommenssteuersatz zu senken.

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Traktandum 12.7: Motion Daniel Hettich und Konsorten betreffend Regionales Logistikflächenkonzept

Mit 12'000 Beschäftigten, 810 Betriebsstätten und 1.9 Milliarden Franken Bruttowertschöpfung pro Jahr ist die Logistik eine der beiden Leitbranchen des Wirtschaftsstandorts Basel. Als bedeutende Arbeitgeberin sorgt sie zudem für ein grosses Angebot an mitunter auch niederschwelligen Arbeitsplätzen. Die Logistik ist jedoch nicht nur in punkto Beschäftigung und Wertschöpfung von erheblicher Bedeutung, sondern auch als Anbieterin von wichtigen Querschnittsdienstleistungen. So ermöglicht sie anderen Branchen in der Region das effiziente Wirtschaften – gerade auch der Pharmaindustrie. Eine Schwächung der Logistik hätte also nicht nur für die rund 12'000 Logistikbeschäftigten, sondern auch für das wirtschaftliche Ökosystem als Ganzes verheerende Folgen. Dieses Szenario ist leider nicht undenkbar, da die Branche aufgrund der aktuellen Flächenkonkurrenz stark unter Druck steht. Für eine effiziente Funktionsweise benötigt die Logistik Lager- und Umschlagsflächen möglichst nahe an der Stadt. Diese werden aber zunehmend für Wohnüberbauungen reserviert. Eine Problematik, welche im aktuellen Regionalen Güterverkehrskonzept Basel von AggloBasel und dem Logistikcluster, der Branchenvereinigung der Region Basel, bereits aufgezeigt wurde. Wird die Logistik aus dem urbanen Raum verdrängt, haben die längeren Transportwege eine verminderte Qualität der Logistik-dienstleistungen sowie gleichzeitig eine unerwünschte Verkehrszunahme zur Folge. Zudem kann die Logistik dadurch ihre für die Gesamtwirtschaft wichtigen Querschnittsdienstleistungen nicht mehr optimal erbringen. Die Handelskammer beider Basel unterstützt deshalb die Motion, welche den Kanton Basel-Stadt auffordert, in Zusammenarbeit mit dem Kanton-Basellandschaft ein regionales Logistikflächenkonzept zu erstellen. Dadurch wird sichergestellt, dass die für die Gesamtwirtschaft wichtigen Bedürfnisse der Logistik in der Raum- und Richtplanung sowie insbesondere der Arealentwicklung miteinbezogen werden.

Wir bitten Sie, die Motion zu überweisen

Traktandum 12.8: Motion Raphael Fuhrer und Konsorten betreffend integrale Signalisation von Tempo 30 in Basel-Stadt mit gleichzeitiger Beschleunigung des öffentlichen Verkehrs gemäss Kantonsverfassung §30

Die Motion fordert die flächendeckende Einführung von Tempo 30 im basel-städtischen Siedlungsgebiet. Die Handelskammer beider Basel spricht sich aus folgenden Gründen klar gegen dieses Ansinnen aus: Die integrale Einführung von Tempo 30 ist nicht der effizienteste Weg, um die Ziele der Motion, wie die Reduktion von Lärm und Luftschadstoffen, zu erreichen: Die Erfahrung zeigt, dass bei gesetzlich vorgeschriebenen Nachkontrollen nach Einführung von Tempo 30 oft festgestellt wird, dass diese Vorschrift nur unzureichend eingehalten wird. In einem solchen Fall müssen allerdings zwingend bauliche Massnahmen wie beispielsweise Schwellen oder Pflanzentröge umgesetzt werden (Art 6. der Verordnung des UVEK über die Tempo-30-Zonen und die Begegnungszonen). Solche Verkehrsbehinderungen haben aber nicht nur kontraproduktive Konsequenzen betreffend den Lärmschutz, sondern führen auch zu mehr Stop-and-Go-Verkehr, verbunden mit negativen Auswirkungen für Treibstoffverbrauch, wie auch Schadstoffemissionen. Effizienter für den Lärmschutz wirken «Flüsterbeläge». Diese führen gemäss Bundesamt für Umwelt im Vergleich zu einem normalen Belag im Schnitt zu einer Reduktion von etwa 6 Dezibel, also weit mehr als das Doppelte, was von Tempo 30 erwartet werden kann. Diese Massnahme kann mit dem vermehrten Gebrauch von geräuschoptimierten Reifen kombiniert werden. Die Zunahme an Elektrofahrzeugen verstärkt zudem den Trend hin zu weniger Lärmemissionen durch den motorisierten Individualverkehr. Dem fraglichen Nutzen der Motion steht indes der volkswirtschaftliche Schaden gegenüber, welcher aus dem vorhersehbaren Fahrzeitverlust resultiert. Der zusätzliche Zeitaufwand ist besonders bei Streckenabschnitten mit mittleren Verkehrsaufkommen, bei welchen nach dem heutigen Regime tatsächlich 50 km/h gefahren wird, beträchtlich. Rechnet man diesen auf das gesamte Strassennetz und die tausenden Automobilisten hoch, resultiert ein enormer Fahrzeitverlust, welcher zu hohen Opportunitätskosten führt. Die verlorene Zeit könnte effizienter mit produktiven Tätigkeiten oder Freizeitaktivitäten verbracht werden. Weiter wird auch der öffentliche Verkehr durch die Tempo 30-Signalisation ausgebremst und würde seine Attraktivität für die Nutzenden verlieren. Dies könnte zu einer Verlagerung auf andere Verkehrsmittel zur Folge haben. Aus diesem Grund spricht sich beispielsweise der Informationsdienst für den öffentlichen Verkehr (LITRA) gegen Tempo 30 auf verkehrsorientierten Strassen aus. Die von den Befürwortern vorgeschlagenen «flankierenden Massnahmen» zur Priorisierung des öffentlichen Verkehrs – insbesondere der Bau eigener Trassees – würden gerade in den beengten städtischen Verhältnissen zu enormen Mehrkosten führen, sofern sie überhaupt umsetzbar sind. Die Priorisierung des ÖV ist zudem nur auf Kosten der Benachteiligung anderer Verkehrsträger wie der Fussgänger und Velofahrenden, insbesondere aber des motorisierten Individualverkehrs möglich. Bei Letzterem führt die Priorisierung des ÖVs allerdings zu zusätzlichem Stop-and-Go-Verkehr, verbunden mit negativen Auswirkungen wie Zeitverlust, Mehrverbrauch an Treibstoff, zusätzlichen Schadstoffemissionen und mehr Lärm. Zudem würde sich eine flächendeckende Tempo 30 Signalisation auch negativ auf die Innovation im Bereich der Elektro-Mobilität auswirken. So würde etwa die Attraktivität von E-Bikes eingeschränkt, welche bis zu 45 km/h erreichen können. Nicht nur der öffentliche Verkehr und E-Bikes, sondern auch Blaulichtorganisationen würden durch das Vorhaben ausgebremst. Die Problematik besteht dabei nicht allein bei den Einsatzfahrzeugen von Ambulanz, Feuerwehr und Polizei, sondern beispielsweise auch bei einrückenden Feuerwehrleuten. Da in vielen Fällen jede Sekunde zählt, werden mit Tempo 30 die Opfer benachteiligt, welche sich auf die Einsatzdienste verlassen. Schliesslich zeigt auch eine repräsentative, vom Link-Institut schweizweit durchgeführte Umfrage, dass überwältigende 84 Prozent der Befragten am derzeitigen System festhalten möchte, welches eine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h innerorts vorsieht. Ein klares Votum, das auf dem Land wie in der Stadt geteilt wird. Das Ansinnen einer undifferenzierten und flächendeckenden Einführung von Tempo 30 auf allen Strassen im Basler Siedlungsgebiet – insbesondere auch auf den verkehrsorientierten, nicht nur auf den siedlungsorientierten Strassen – erscheint vor diesem Hintergrund untragbar. Die Akzeptanz von Tempo 30 beispielsweise auf dem gut ausgebauten Heuwaage-Viadukt, welcher nicht direkt an lärmschutzbedürftige Häuser angrenzt, dürfte äusserst gering sein. Aus all diesen Gründen spricht sich die Handelskammer gegen die integrale Einführung von Tempo 30 in Basel-Stadt aus.

Wir bitten Sie, die Motion nicht zu überweisen

Traktandum 12.10: Motion Niggi Daniel Rechsteiner und Konsorten betreffend Runder Tisch zwischen Kantonen und Bund zum Thema "eine verlässliche und belastbare Zusammenarbeit mit der Europäischen Union"

Die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU sind für die Region Basel absolut zentral. Rund die Hälfte der Exporte aus den beiden Basel gehen in die EU. Von den 24'000 LkW, die täglich die Schweizer Grenze passieren, kommen die meisten über einen Grenzübergang in unserer Region. Über 60'000 Grenzpendler aus Deutschland und Frankreich kommen jeden Tag in die Region Basel zur Arbeit. Für die Forschungsinstitutionen unserer Region ist der volle Zugang zum EU-Forschungsprogramm essentiell. Aufgrund dieser engen Verflochtenheit ist unser Wirtschaftsstandort deshalb besonders betroffen von der aktuellen europapolitischen Unsicherheit. Ein runder Tisch zwischen Kantonen und Bund würde dem Kanton Basel-Stadt und gleichgesinnten Kantonen eine Möglichkeit bieten, frühzeitig auf die Europapolitik des Bundesrates einzuwirken. Ein solcher Austausch könnte dazu beitragen, dass die Europapolitik in Zukunft verlässlicher und weniger krisenanfällig ist.

Wir bitten Sie, die Motion zu überweisen.

Traktandum 44: Schreiben des Regierungsrates zum Anzug Raphael Fuhrer und Konsorten betreffend Lärm- und Klimaschutz durch gute Zugsverbindungen

Der Verkehrsknoten Basel zeichnet sich durch einen hervorragenden Anschluss an die verschiedenen Mobilitätsträger Motorisierter Individualverkehr (MIV), Fernbus-, Bahn- und Luftverkehr aus. Die Motion 19.5154.01 sieht vor, dass Flughafentaxen des binationalen EuroAirports zur Finanzierung eines Kompetenzzentrums zur Förderung internationaler Bahnanbindungen in der Region Basel verwendet werden. Eine einseitige Zweckentfremdung von Flughafentaxen wäre nicht nur ein Affront gegenüber den französischen Partnern, sie würde auch den Wettbewerb zwischen den verschiedenen Mobilitätsträgern MIV, Fernbus-, Bahn- und Luftverkehr weiter verzerren und wäre weder dem Lärm- noch zum Klimaschutz zuträglich. Wie die Motionäre schildern, besteht bereits heute ein gut ausgebautes Bahnfernverkehrsnetz, welches aufgrund teils ungenügender Nachfrage über die vergangenen Jahre angepasst und konkurrenzfähiger gemacht wurde. Das angeführte Argument, dass das einmalige Umsteigen in den hervorragend angeschlossenen Städten Zürich oder Mulhouse zum Erreichen einer Destination, welche mehrere Zugstunden entfernt liegt, unzumutbar sei, ist absurd.

Wir bitten Sie, dem Regierungsrat zu folgen und den Anzug abzuschreiben

Traktandum 45: Schreiben des Regierungsrates zum Anzug David Wüest-Rudin und Konsorten betreffend einer finanziellen Belastung des CO2-Ausstosses des Flugverkehrs am Euroairport via Flughafentaxe

Der EuroAirport ist der einzige binationale Flughafen der Welt. Als dritter Landesflughafen der Schweiz, sichert er die Erreichbarkeit der Region Basel auf dem Luftweg. Er ist ein wichtiger Standortfaktor, und darf daher weder durch eine übertriebene Regulierung, noch durch unverhältnismässig hohe Kosten in seiner Wettbewerbsfähigkeit eingeschränkt werden. Sofern Gebühren im Zusammenhang mit der Nutzung des Verkehrsträgers erhoben werden sollten, müssen diese daher dringend international abgestimmt sein, um keine Nachteile zulasten der Region Basel zu schaffen. Es stellt sich aufgrund der binationalen Eigentümerschaft des Flughafens ohnehin die Frage, ob Gebühren auf die vorgeschlagene Weise überhaupt erhoben und einseitig verwendet werden könnten. Zahlreiche ökonomisch-empirische Studien zeigen zudem, dass der Lenkungseffekt durch Abgaben im Verkehrsbereich gering ist. Ursächlich hierfür ist eine geringe Bereitschaft zum Wechsel/Verzicht („Elastizität") der Nachfrager in der Nutzung der Verkehrsträger. Als Grund dafür gilt, u.a., die Notwendigkeit von Reisetätigkeiten in Kombination mit mangelhaften alternativen Fahrangeboten. Zusätzliche Steuern oder Abgaben verteuern das Produkt daher, ohne einen nennenswerten Effekt, in Form einer Lenkung, auf die Nachfrage zu haben. Im Endeffekt zahlen Kunden dann mehr für das gleiche Produkt, was insbesondere Personen mit geringem Einkommen überproportional belastet.

Wir bitten Sie, dem Regierungsrat zu folgen und den Anzug abzuschreiben

Traktandum 52: Stellungnahme des Regierungsrates zum Antrag Erich Bucher und Konsorten auf Einreichung einer Standesinitiative betreffend die Digitalisierung des Schweizer Gesundheitswesens vorantreiben – datenbasiertes Ökosystem für Forschung und Gesellschaft entwickeln

Wir bitten Sie, geschätzte Grossrätinnen und Grossräte, dem Antrag Erich Bucher und Konsorten auf Einreichung einer Standesinitiative betreffend «die Digitalisierung des Schweizer Gesundheitswesens vorantreiben - datenbasiertes Ökosystem für Forschung und Gesellschaft entwickeln» gutzuheissen und dem Antrag des Regierungsrates des Kantons Basel-Stadt zu folgen.

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