Ja zum Gasversorgungsgesetz des Bundes

04.02.2020

Die Schweiz verfügt bislang über kein umfassendes Bundesgesetz für die Gasversorgung. Dies führte, vor allem in der jüngeren Vergangenheit, zu Rechtsunsicherheit bei den Unternehmen. Die Handelskammer begrüsst daher die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage ausdrücklich, sieht jedoch Verbesserungsbedarf in der konkreten Ausgestaltung.

Bislang existiert auf nationaler Ebene kein Gesetz für die Gasversorgung in der Schweiz. Die gegenwärtige gesetzliche Regelung des Gasmarktes in der Schweiz muss als rudimentär bezeichnet werden. So beinhaltet das Rohrleitungsgesetz (RLG) von 1963 lediglich eine Transportpflicht für Gas. Alle übrigen Aspekte des Gasmarktes unterliegen allgemeinen gesetzlichen Grundlagen wie etwa dem Kartellgesetz (KG) oder dem Preisüberwachungsgesetz (PÜG). Streitfälle werden heute auf Basis dieser Gesetze durch das Bundesamt für Energie (BFE) oder die Wettbewerbskommission (WEKO) behandelt, womit eine parallele Zuständigkeit besteht.

Mit der Energiestrategie 2050 wird die zeitlich begrenzte Nutzung von Atomenergie in der Schweiz manifestiert. Je nach Szenario soll die dadurch entstehende Lücke neben erneuerbaren Energien in erster Linie durch Stromimporte oder mit Gas geschlossen werden. Insbesondere Befürworter eines hohen Autarkiegrades vom Ausland sehen in Erdgas daher, zumindest während der Übergangsphase, den zentralen Energieträger. Hinzu kommt synthetisches Gas, das in Zukunft an Bedeutung gewinnen könnte und das Gasleitungssystem zu einer weiterhin bedeutsamen Infrastruktur macht. Ganz wesentlich ist auch die Rolle des Gases im Zusammenhang mit der Versorgungssicherheit in der Schweiz. Die Handelskammer erachtet die Schaffung eines Gasversorgungsgesetzes (GasVG) daher als überfällig und befürwortet den Entwurf vom 30. Oktober 2019, welcher den Gasmarkt umfassend betrachtet, grundsätzlich.

Vollständige Marktöffnung statt Teilmarktöffnung

Der Bundesrat bevorzugt eine Teilmarktöffnung im Gasbereich und sieht dabei keine spätere vollständige Marktöffnung vor. Da die gewählte Schwelle zur Marktöffnung von 100 MWh pro Verbrauchsstätte und Jahr in der Vorlage bereits sehr niedrig angesetzt wurde, sollte stattdessen eine vollständige Marktöffnung angestrebt werden. Eine Teilmarktöffnung, welche bereits einen grossen Teil der Endverbraucher einschliesst, wird in diesem Zusammenhang eher als Behinderung einer effizienten Neuregelung und daher als schädlich gesehen. Zudem stünde eine Teilmarktöffnung der Harmonisierung mit EU-Recht im Wege, welche die Handelskammer im Zusammenhang mit der Versorgungssicherheit der Schweiz als zielführend erachtet.

Weitere wichtige Aspekte

Aus Sicht der Handelskammer werden verschiedene Aspekte der Gasversorgung, die insbesondere die Versorgungssicherheit tangieren, im Entwurf des Gesetzes sowie dem erläuternden Bericht bislang nicht oder nur ungenügend behandelt.

So wird in Kapitel 1.4.2 Neue Wachstums-, Energie- und Klimapolitik des erläuternden Berichts zwar erwähnt, dass sich durch die Dekarbonisierung des Energieverbrauchs die Nachfrage nach fossilen Energieträgern wie Erdgas reduzieren wird: «Um ihre Klimaziele zu erreichen, muss die Schweiz die Energieversorgung jedoch längerfristig ohne fossile Energieträger gewährleisten können. [...] der Erdgasverbrauch [muss] deutlich reduziert und die verbleibende Nachfrage nach Gas soweit möglich mit erneuerbarem Gas gedeckt oder aber gesellschaftlich akzeptierte Lösungen für die Abscheidung, Speicherung und Nutzung von CO2 gefunden werden. Weiter heisst es, dass «Gas [...] jedoch kurz- bis mittelfristig ein wichtiger Energieträger bleiben [wird]». Somit ergibt sich ein deutlicher Zielkonflikt der Dekarbonisierung auf der einen Seite und dem Erhalt und Ausbau der Versorgungssicherheit auf der anderen Seite. Schliesslich bleibt im vorliegenden Bericht die Investorensicht, insbesondere in Bezug auf eine Amortisation von Infrastrukturen und weiteren Anlagen aussen vor. Diese Anlagen sind für die Versorgungssicherheit zentral, können, auch aufgrund regionaler Ambitionen zur Stilllegung des Gasnetzes, jedoch nicht gewinnbringend amortisiert werden. Die Handelskammer spricht sich dezidiert gegen eine Stilllegung von Infrastrukturen jeglicher Art aus, die eine wichtige Rolle für die Versorgungssicherheit spielen oder künftig spielen könnten.

Weiter ist im Bericht erwähnt, dass die Schweiz nicht Teil der «Koordinierungsgruppe Erdgas» der EU ist, deren Aufgabe im Informationsaustausch sowie der Entwicklung kurz- und langfristiger konkreter Massnahmen zur Verbesserung der EU-Gasversorgungssicherheit besteht. Eine Massnahme bestand in der Schaffung eines Solidaritätsmechanismus im Falle eines Versorgungsengpasses mit Gas. Wie der Bericht ausführt, ist «[n]ach diesem [...] jeder EU-Mitgliedstaat verpflichtet, einem anderen Mitgliedstaat – sofern dieser über das Gasnetz direkt oder über einen Drittstaat mit ihm verbunden ist – Gas zu liefern, falls der Versorgungs-Notfall ausgerufen wird und bereits alle möglichen anderen Massnahmen zur Sicherstellung der Versorgung ergriffen wurden». Es ist unklar, inwiefern die Schweiz im Falle eines Versorgungsengpasses mit Gas in diesen Solidaritätsmechanismus integriert ist. Diese Frage gilt es zügig zu klären. Sollte sich hierbei herausstellen, dass die Schweiz nicht eingebunden ist, muss im Nachgang darauf hingewirkt werden, dass dies so rasch wie möglich geschieht.

In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, inwiefern ein allfälliges Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU einen Einfluss auf das Gasversorgungsgesetz haben könnte. Dies hätte zum einen Auswirkungen auf den angestrebten Grad der Harmonisierung des Gesetzes mit Regelungen der EU, zum anderen stellte sich somit auch die Frage, ob die vollständige Marktöffnung nicht die Variante darstellt, die dauerhaft Rechts- und Versorgungssicherheit schaffen kann. Schliesslich wurde die vollständige Marktöffnung im Bereich Gas in der EU, wie oben erwähnt, bereits vor über zwölf Jahren erfolgreich eingeführt.

Hier finden Sie unsere Stellungnahme.

 

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Kommentare

04.02.2020 - Thomas Scheurer

Das wird vermutlich darauf hinausgehen, dass die "Erdgas-Grid" nur noch teurer wird, da Geld benötigt wird, um Teile der Erdgas-Rohre wieder aus dem Boden zu holen (Analog Rückstellungskosten für den Rückbau von AKW's). Und diese Kosten werden dann die Konsumenten zu tragen haben.
Und den den gesamten Teil mit Synthetischem Gas zu versorgen? Glauben Sie daran?
Bis in ca. 20 Jahren gibt es weltweit keine CO2-Kompensationsprojekte mehr, da diese alle schon finanziert sind.
Viel Erfolg bei dieser Baustelle

Member.HUB