Page 8 - Grundsatzpapier_Bildung
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BILDUNGSPOLITISCHE                                                                                                                                    MINT-FACHKRÄFTE-
                              HANDLUNGS                                                                                                                              MANGEL




                              FELDER                                                                                                                                 Infolge des tiefgreifenden Strukturwandels der Schweizer Volkswirt-


                                                                                                                                                                     schaft hin zu einer technologieorientierten Wissensgesellschaft hat sich
                                                                                                                                                                     die Nachfrage nach MINT-Fachleuten vervielfacht. Die Ausbildung auf
                                                                                                                                                                     Hochschul- und Berufsbildungsebene mag bis heute mit dieser Entwick-
                                                                                                                                                                     lung nicht Schritt halten. Der Blick in die nahe Zukunft zeigt sogar, dass
                                                                                                                                                                     die Verschiebung der Kompetenzen noch grösser wird. Darauf muss die
                                                                                                                                                                     Bildungslandschaft reagieren.
                                              Die Wirtschaft hält folgende Entwicklungen für problematisch und sieht
    08                                                                                                                                                               Studienanfängerinnen und Studienanfänger der Schweiz neigen dazu,    09
                                              in diesen Bereichen besonderen bildungspolitischen Handlungsbedarf.
                                                                                                                                                                     «weichere» Wissenschaften wie Geistes- und Sozialwissenschaften zu wäh-
                                                                                                                                                                     len. Auch in der beruflichen Grundbildung entfällt nur gut ein Drittel der
                                                                                                                                                                     Abschlüsse auf den MINT-Bereich und der Anteil an Frauen in techni-
                                              VERLAGERUNG ZU                                                                                                         schen Lehrberufen beträgt nur gerade 10 Prozent.   In der Schweiz rich-
                                                                                                                                                                                                               3
                                                                                                                                                                     ten zu wenig Jugendliche ihre berufliche Zukunft auf die Fachbereiche
                                              ALLGEMEIN BILDENDEN                                                                                                    Naturwissenschaften und Technik aus. Es gilt, Schülerinnen und Schüler
                                              BILDUNGSGÄNGEN                                                                                                         im Unterricht in den MINT-Fächern vermehrt erleben zu lassen, wie
                                                                                                                                                                     spannend und herausfordernd naturwissenschaftliches und technisches
                                                                                                                                                                     Lernen und Arbeiten sind. In der beruflichen Orientierung sollen die Ju-
                                              Der Trend zu allgemeinbildenden Bildungsgängen, insbesondere zum                                                       gendlichen erfahren, dass Naturwissenschaften und Technik zukunfts-
                                              Gymnasium, hält wegen ihres hohen Prestiges weiter an. Gesamtschwei-                                                   trächtige Beschäftigungsfelder mit interessanten beruflichen Perspek-
                                              zerisch liegt die Quote   der gymnasialen Maturität bei 21 Prozent, wäh-                                               tiven darstellen. Insbesondere Frauen gilt es, verstärkt von einer Berufs-
                                                                 1
                                              rend sie im Kanton Basel-Stadt fast 30 Prozent und im Kanton Basel-Land-                                               ausbildung oder einem Studium im MINT-Bereich zu überzeugen.
                                              schaft 23 Prozent beträgt. Damit liegen beide Kantone über dem Schnitt,
                                              Basel-Stadt sogar sehr deutlich.                                                                                       Fehlende Laufbahnorientierung führt zu Umwegen
                                                                                                                                                                     In der Schweiz sind die Hochschulabgängerinnen und -abgänger in der
                                              Die Prognose für die Region Nordwestschweiz geht von einem Rückgang                                                    Regel deutlich älter als im angelsächsischen und asiatischen Raum. Als
                                              der Abschlüsse auf Sekundarstufe bis 2023   aus. Diese resultiert haupt-                                               Folge dieser Entwicklung sind die Abgängerinnen und Abgänger des
                                                                                  2
                                              sächlich aus der Bevölkerungsprognose des Bundesamts für Statistik. Ab                                                 schweizerischen Bildungssystems trotz sehr guter Qualifikationen gegen-
                                              2024 ist ein leichter Wiederanstieg prognostiziert. Dabei soll es zu einer                                             über ihren ausländischen Konkurrentinnen und Konkurrenten auf dem
                                              interessanten Verschiebung kommen: Während im Kanton Basel-Land-                                                       Arbeitsmarkt oft benachteiligt, da diese im vergleichbaren Alter häufig
                                              schaft eine Abnahme der Abschlüsse der beruflichen Grundbildung und                                                    mehr Arbeitserfahrung vorweisen können. Obwohl die direkten Übertritte
                                              eine Zunahme der allgemeinbildenden Abschlüsse prognostiziert sind,                                                    aus der obligatorischen Schule in die berufliche Grundbildung sinken,
                                              wird in Basel-Stadt ein umgekehrter Trend angenommen. Man geht davon                                                   während die Übertritte in Gymnasien, in Fachmittelschulen und in Über-
                                              aus, dass sich die Anzahl der Abschlüsse in der beruflichen Grundbildung                                               gangslösungen steigen, sind die Abschlussquoten in der beruflichen
                                                                                                                                                                                                                    4
                                              viel positiver entwickelt als jene der allgemeinbildenden Mittelschulen.                                               Grundbildung bei rund 60 Prozent gleichbleibend hoch:   Aus den Brü-
                                                                                                                                                                     ckenangeboten, aus Gymnasialabbrüchen und aus den Fachmittelschulen
                                              In den letzten Jahren hat die Entwicklung hin zu den Mittelschulen dazu                 ¹   Bundesamt für Statistik. Bildungsindika­  erfolgt also ein beträchtlicher späterer Zustrom in die berufliche Grund-
                                                                                                                                        toren 2020 (Nettoquote 2015–2018)
                                                                                                                                                                            5
                                              geführt, dass nicht genügend geeignete Lernende für anspruchsvolle Be-                  ²   Bildungsbericht Nordwestschweiz 2017  bildung.   Solche Umwege beim Eintritt in die berufliche Grundbildung
                                                                                                                                      ³  Angaben aus Bundesamt für Statistik (2019)
                                              rufslehren im kaufmännischen oder in den MINT-Bereichen (Mathema-                         zur beruflichen Grundbildung: Frauen­  verlängern die Ausbildungszeit der Jugendlichen zunehmend. Mit einer
                                              tik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) rekrutiert werden                       anteil in Informatik ist 8,1 %, in Ingenieurs­  gezielten Laufbahnorientierung auf allen Schulstufen können unnötige
                                                                                                                                        wesen 6,9 % und in Architektur 13,8 %
                                              konnten. Sollten sich die Prognosen für den Raum Nordwestschweiz be-                    ⁴   https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/  Umwege in der Ausbildung reduziert werden.
                                              wahrheiten, wird sich diese Problematik auch in den kommenden Jahren                      home/statistiken/kataloge­datenbanken/
                                                                                                                                        tabellen.assetdetail.14715815.html
                                              nicht entschärfen.                                                                      ⁵   Vgl. Bildungsbricht Schweiz 2018, S. 107



               Bildungspolitische Handlungsfelder                                                                                                                                                          Bildungspolitische Handlungsfelder
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