Verdichtetes Bauen ermöglichen

08.12.2022

Die Schweiz will verdichten und attraktiven Raum für Wohnen, Arbeiten und Freizeit schaffen. Wie viel Dichte es sein darf? Darüber scheiden sich die Geister. Verschiedene Initiativen und zunehmende Auflagen erschweren den Bau von neuen Quartieren. Verdichtung wird dadurch gerade in den Städten unattraktiv. Pragmatische und breit abgestimmte Ansätze sind nun gefordert.

Bauland ist in der Schweiz knapp. Doch sowohl die Bevölkerung als auch das Arbeitsplatzangebot wachsen in unserem Land aller Voraussicht nach weiter. Die Städte werden einen beträchtlichen Teil dieses Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstums auffangen. Es ist deshalb für die Wirtschaft von entscheidender Bedeutung, dass verfügbare Flächen effizient genutzt werden. Verschiedene Initiativen – allen voran die Biodiversitätsinitiative – bedrohen jedoch diese Entwicklung. Sie verlangen etwa die Stärkung des Heimat- und Naturschutzes, formulieren umfassende Eingriffe in die Eigentumsfreiheit oder schränken bauliche Möglichkeiten ein. Dies macht es in Städten immer schwieriger, einen wirksamen Beitrag gegen die Zersiedelung zu leisten.

Infrastrukturen gezielter ausnutzen, Wohnersatzneubau zulassen

Die Vorteile einer wirksamen Verdichtung sind bekannt. Bestehende Infrastrukturen in den Zentren können wirksamer ausgenutzt werden. Verdichtungsareale punkten mit attraktiven Aussenräumen, welche das soziale Zusammenleben stärken. Innenverdichtung verlangt aber auch funktionale Dichte: Arbeiten, Wohnen, Mobilität und Freizeit müssen in relativer Nähe zu einander ermöglicht und sinnvoll angeordnet werden, damit keine Nutzungskonflikte entstehen. Verdichtung entsteht durch das Füllen von Lücken in bestehenden Überbauungen, durch das Nachverdichten bereits bebauter Parzellen oder über den umfassenden Ersatzneubau auf bestehenden Arealen. Städte, Gemeinden und Kantone müssen sich deshalb deutlich zu Wachstum und Veränderung bekennen, damit Innenentwicklung überhaupt gelingt. Innenentwicklung wird nur durch gezielte Bautätigkeit erreicht, welche von Investoren und deren Risikobereitschaft mitgetragen werden muss. Hierfür müssen entsprechende Anreize gesetzt werden.

Überbordende Forderungen hemmen Innenverdichtung

Die politischen Forderungen links-grüner Kreise setzen einer wirksamen Innenverdichtung gleich auf mehreren Ebenen zu. Mit der Biodiversitätsinitiative sollen der Heimat- und Naturschutz auch in den Städten verstärkt werden. Bei einer Annahme der Initiative würden denkmalpflegerische Auflagen und die Unterschutzstellung von ganzen Gebäudeteilen Verdichtungsprojekte erschweren. Mehrere Städte wenden bereits sogenannte «Ästhetikparagraphen» an, die eigens geschaffene Kommissionen beurteilen – was oft zu Mehrkosten in der Planung und Umsetzung führt. In der Stadt Zürich etwa schränkt der Ortsbildschutz den Ausbau von Dachgeschossen ein. Hemmend wirken auch immer rigidere Vorschriften unter dem Deckmantel des Lärmschutzes. So werden die Lärmwerte auch bei offenem Fenster gemessen, um Einschränkungen leichter durchzusetzen. Dies erscheint absurd, da moderne Fenster hinsichtlich Lärm- und Wärmedämmung optimiert sind. Die aktuell hängige Vorlage zur Teilrevision des Umweltschutzgesetzes bietet zwar das Potenzial, für mehr Rechtssicherheit zu sorgen, wartet aber ebenfalls mit einigen schwer umsetzbaren Lärmschutzvorschriften auf. Selbst langwierig austarierte Bebauungspläne reichern die Kantonsparlamente vor deren Verabschiedung mit weiteren Auflagen an, etwa mit einer Residenzpflicht oder überzogenen Quoten zugunsten des gemeinnützigen Wohnungsbaus.

Auch die Initiative «Basel baut Zukunft» im Kanton Basel-Stadt verlangt, dass auf Transformationsarealen mindestens 50 Prozent preisgünstige Wohnungen angeboten werden – ein erheblicher Bremsklotz für eine erfolgreiche Transformation. So droht das Ansinnen unter anderem das Vorzeigeprojekt «Dreispitz Nord» in Basel und damit den Bau von 800 Wohnungen zu verunmöglichen. Dieses wird von der gemeinnützigen Christoph Merian Stiftung (CMS) vorangetrieben und sieht Wohnraum für 1'400 Menschen – auch preisgünstigen – vor. Die Initiative «Basel baut Zukunft» führt dazu, dass die CMS das Projekt «Dreispitz Nord» unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten kaum realisieren kann. Beispiele aus Städten wie Genf, Stockholm oder Berlin zeigen längst, dass bei zu starken Eingriffen in den Bau- und Wohnungsmarkt Investitionen wegen des Risikos oder der fehlenden Rendite schlicht ausbleiben. Es entstehen weniger Neubauten und es wird weniger in die Erneuerung von Altliegenschaften investiert. Überreglementierungen führen zu Fehlanreizen und befeuern den Wohnungsmangel, welcher wiederum die Preisentwicklung antreibt. Dabei gilt auch hier das volkswirtschaftliche Grundprinzip von Angebot und Nachfrage.

Behörden als Partner der Entwicklungsträger?

Obwohl allen Akteuren bewusst ist, wie notwendig die Siedlungsentwicklung nach innen ist, tut sich die Schweiz bei der Verdichtung ihrer Baugebiete oft schwer. Überforderte Behörden regulieren zu stark in isolierten Fachdisziplinen wie Städtebau, Heimat-, Umwelt- oder Lärmschutz und verfügen Auflagen ohne materielle Koordination. Dabei wäre die Ausbildung aller Fachleute inner- und ausserhalb der öffentlichen Verwaltung ebenso gefordert wie Methodenwissen und die Bereitschaft zu einer engen Zusammenarbeit über Departements- und Institutionsgrenzen hinweg. Weitere Faktoren, die von den Städten mitgedacht werden müssen, sind demografische Entwicklungen und Unterschiede in den individuellen Lebensentwürfen. Verdichtung setzt immer Kooperation und Kompromissbereitschaft voraus – sowohl von Bevölkerung, Politik, Behörden als auch von Grundeigentümern, Verbänden und der Bau- und Immobilienwirtschaft. In welchem Ausmass ein haushälterischer Umgang mit dem Boden möglich wird, hängt von den Veränderungsprozessen in Wirtschaft und Gesellschaft ab. Sie bestimmen, über welche Fläche die Menschen für das Wohnen, Arbeiten und die Freizeit verfügen.

Deregulieren und liberale Ansätze fördern

Damit verdichtetes Bauen gelingt, ist es notwendig, Natur-, Denkmal- oder Heimatschutzeinschränkungen zu überdenken und entmutigende Bewilligungsverfahren zu entschlacken. Zonenplanung und Bauordnung müssen deshalb gezielte Anreize vorsehen: Innovative Ansätze zu neuem Wohnen, aber auch moderne Kooperationsformen, energetische Sanierungen oder das Stadtklima sind zu fördern. Anreize für Private, welche über die Parzellengrenzen hinaus zusammenarbeiten, könnten dabei helfen. Eine höhere Ausnützungsziffer, also eine höhere zugelassene bauliche Nutzung, könnte dazu beitragen, dass verdichtete Ersatzneubauten an den Platz aktueller Bebauungen treten. Bei grösseren Arealentwicklungen muss ein Mix aus ausreichend Wirtschaftsflächen und sozialen Funktionen – etwa Kitas, Gastronomie, Verpflegung – möglich bleiben, damit eine hohe funktionale Dichte erzielt werden kann. Übertriebene Quoten zum Anteil des gemeinnützigen Wohnungsbaus sind dabei nie hilfreich. Wenn Städte ihre verschiedenen Fachstellen besser abstimmen und als Labor für künftige Trends wirken, stärkt dies eine zukunftsorientierte Siedlungsentwicklung. Es ist wichtig, dass Bauordnungen Experimente zulassen, aber auch klare Anreize setzen, um gutes Bauen im Sinne der Innenverdichtung zu belohnen.

Siedlungsentwicklung nach innen

Grundsätzlich meint Siedlungsentwicklung nach innen, dass nach einer Verdichtung mehr Menschen als zuvor auf gleichem Raum wohnen und arbeiten. Dafür gibt es zwei zentrale Messgrössen: die Raumnutzerdichte und die bauliche Dichte. Die Raumnutzerdichte bezeichnet die Anzahl Menschen, die auf einer bestimmten Fläche wohnen und arbeiten. Die häufigste Messung dieses Werts erfolgt über die Anzahl Menschen, die pro Hektar Bauzone wohnen. Die bauliche Dichte ist von den baulichen Gegebenheiten abhängig und kann als die Anzahl m2 Geschossfläche pro m2 Bauzone definiert werden.

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