Demokratie braucht Medienvielfalt

05.05.2020

Andreas Häuptli, Geschäftsführer Schweizer Medien, zeigt auf, welche Rolle die Medien in einer Demokratie spielen und warum die Sicherung einer hochstehenden und flächendeckenden Medienvielfalt im Interesse aller ist.

Die Presse steht unter Druck. Unter wirtschaftlichem Druck. Dies, obwohl sie kein Nachfrageproblem hat. Gerade in bewegten Zeiten wird nach verlässlichen Quellen gesucht. Die Nachfrage nach publizistischen Inhalten ist sehr gross, vor allem auf digitalen Kanälen. Aber auch die Printpresse erfüllt eine sehr wichtige Rolle: Gedruckte Zeitungen und Zeitschriften erreichen in der Schweiz über 90 Prozent der Bevölkerung, wie die WEMF ausweist. Eine Tageszeitung wird gemäss der Time Use Study von WEMF/SRG/Mediapulse im Schnitt rund 49 Minuten gelesen. Bei Zeitschriften ist die Dauer sogar 65 Minuten.

Finanzierung gefährdet

Das Problem ist der Einbruch im Werbemarkt. In zehn Jahren hat die gedruckte Presse rund 1,4 Milliarden Franken oder zwei Drittel an Inserateeinnahmen verloren. Nicht kumuliert, sondern jährlich. Mit der Online Werbung konnte dieser Wegfall nur marginal kompensiert werden. Zu gross ist die Konkurrenz von Google und Co. mit ihren immensen Nutzerdatenbanken.

Journalismus ist ein zeit- und personalintensives Geschäft, das durch den schnell voranschreitenden Wegfall der Werbeeinnahmen stark unter Druck gekommen ist. Trotz aller Erleichterungen durch die Digitalisierung in der Recherche und in der Produktion ist Qualität nur mit gut ausgebildetem Personal zu gewährleisten, das die nötige Zeit hat, seinem Handwerk nachzugehen. Erfreulich ist, dass der Beruf des Journalisten, der Journalistin nach wie vor eine grosse Faszination ausstrahlt und kein Nachwuchsproblem besteht.

Zeitungen - bedeutenste Quellen der Meinungsbildung 

Wie wichtig die Zeitungen für die direkte Demokratie sind, zeigt die regelmässig im Auftrag des Bundes durchgeführte Nachwahlbefragung (VOTO-Studie) nach eidgenössischen Volksabstimmungen. Redaktionelle Beiträge aus Zeitungen sind die wichtigsten Quellen für die politische Meinungsbildung, noch vor dem Abstimmungsbüchlein, vor TV und sehr weit vor Social-Media-Kanälen. Rund 90 Prozent der Urnen- gänger informieren sich vor Abstimmungen mit Artikeln aus Presseprodukten – gedruckt oder digital über die politischen Fragestellungen.

Weniger Medienvielfalt, geringere Stimmbeteiligung 

In der kleinräumigen Schweiz ist die Medienvielfalt aber auch auf lokaler Ebene entscheidend für die politische Partizipation der Bevölkerung. Eine Studie der Universität Zürich zeigt auf, dass die Wahlbeteiligung zurückgeht, wenn die mediale Versorgung abnimmt. Dies konnten die Politologen Daniel Kübler und Christopher Goodman anhand von Daten aus sechs Metropolitanräumen (Zürich, Genf, Basel, Lausanne, Luzern, Lugano) mit insgesamt 408 Gemeinden und mehr als drei Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern belegen.

2020 – medienpolitisch entscheidendes Jahr 

Für die mediale politische Meinungsbildung in der Schweiz sind drei Faktoren entscheidend: Erstens und am wichtigsten: Eine flächendeckende Medienvielfalt, auf den verschiedensten Kanälen, welche alle Bevölkerungsgruppen erreicht. Eine starke SRG genügt nicht. Wie obige Auswertung zeigt, erbringen die Zeitungsverlage die grösste Service-public-Leistung für die politische Meinungsbildung. Damit diese Vielfalt und flächenmässige Abdeckung gewährleistet bleibt – gedruckt wie auch digital –, muss der Bund die Verlage in den nächsten Jahren verstärkt unterstützen, bis ein tragfähiges Onine-Geschäftsmodell etabliert ist. Hierfür werden 2020 mit dem medienpolitischen Paket von Frau Bundesrätin Simonetta Sommaruga die Weichen gestellt. Wird jetzt nicht mit hoher Dringlichkeit gehandelt, wird in den nächsten drei Jahren ein Drittel der Zeitungen verschwinden.

Zweitens wird eine hohe Medienkompetenz immer wichtiger. Darunter zu verstehen ist die Fähigkeit, sich eine eigene, unabhängig geformte Meinung zu bilden. Die Kanäle, über die heute Nachrichten empfangen werden können, haben sich vervielfacht. Qualitätsmedien, Politiker, Unternehmen, Influencer auf Social-Media-Kanä len und verdeckt agierende Akteure mit zweifelhaften Absichten, Stichwort «Fake News», buhlen um Auf-merksamkeit. Gerade für Junge ist es schwierig einzuschätzen, welcher Quelle sie vertrauen sollen. Hier engagiert sich unser Verband in Zukunft verstärkt, damit Schulen die Arbeitsweise im Journalismus besser erklären können.

Drittens ist es wichtig, dass auf internationaler Ebene eine Regulierung geschaffen wird, die den national, regional und lokal agierenden Medien gegenüber den grossen Plattformen aus den USA und zunehmend auch aus China in Bezug auf Datenschutz, Urheberrecht und Besteuerung gleich lange Spiesse sichert. 

ANDREAS HÄUPTLI ist Geschäftsführer Verband Schweizer Medien. Der Artikel ist in der aktuellen Ausgabe vom twice zum Thema politische Verantwortung erschienen. 

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