Überalterung führt zu Fachkräftemangel

26.02.2020

Fachkräfte zu finden, wird für Unternehmen immer schwieriger. Forschende der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel befassen sich mit der Frage, wie sich die Überalterung der Gesellschaft auf den Arbeitsmarkt auswirkt.

Die geburtenstarken Nachkriegsjahrgänge, die so genannten Babyboomer, verabschieden sich in den kommenden Jahren in den Ruhestand. Somit gibt es immer weniger Menschen im erwerbsfähigen Alter – dies stellt für die Gesellschaft eine immense Herausforderung dar. «Unternehmen bekunden bereits heute Mühe, qualifizierte Fachkräfte zu rekrutieren, und dieser Fachkräftemangel wird sich in den nächsten Jahren verschärfen», sagt Prof. Dr. Conny Wunsch, Professorin für Arbeitsmarktökonomie an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel. Sie und ihr Team befassen sich im Rahmen eines Nationalfonds-Forschungsprojekts mit der Frage, wie sich die Überalterung der Gesellschaft auf den Arbeitsmarkt auswirkt. Die Forschenden analysieren mit einem Modell Veränderungen auf den Arbeitsmärkten und schätzen die Wirkung verschiedener Reformvorschläge auf die gesamtwirtschaftliche und branchenspezifische Entwicklung.

Gesundheitsbranche und Bausektor stark betroffen

«Unsere vorläufigen Resultate zeigen, dass sich der demographische Wandel besonders negativ auf zwei Branchen auswirken wird», erläutert Manuel Buchmann, Doktorand an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät. Dazu zählt die Gesundheitsbranche: Sie steht vor grossen Herausforderungen, weil die älteren Menschen zwar den Arbeitsmarkt verlassen, aber eine grössere Lebenserwartung als früher haben und somit die Nachfrage nach Gesundheitsdienstleitungen steigt. Auch der Bausektor muss mit negativen Folgen des demographischen Wandels rechnen: Dort sind sinkende Investitionen zu erwarten. Wie das Modell zeigt, werden die Effekte der Überalterung für die Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt ab 2030 am stärksten zu spüren sein.

Politische Massnahmen simuliert

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler simulierten in ihrem Modell verschiedene politische Massnahmen. Ihre Berechnungen zeigten auf, dass eine grössere Arbeitsbeteiligung von Frauen und von älteren Arbeitnehmenden gleich viel bringen würde wie eine Erhöhung des gesetzlichen Rentenalters um zwei Jahre. «Dass der positive Effekt dieser Massnahmen so gross ist, hat mich überrascht», bemerkt Doktorand Manuel Buchmann. Wie Conny Wunsch betont, darf bei der Betrachtung des Arbeitsmarkts der Einfluss der Digitalisierung nicht ausser Acht gelassen werden: «Dank der Digitalisierung wird der Fachkräftemangel in gewissen Bereichen, die repetitive und automatisierbare Tätigkeiten aufweisen, weniger stark ausfallen.»

«Es braucht dringend Lösungen»

Die Forschenden schliessen das Nationalfonds-Projekt dieses Jahr ab. «Unsere Ergebnisse und Empfehlungen sind nicht nur für das wissenschaftliche Publikum bestimmt, sondern auch für die Öffentlichkeit», betont Wunsch. «Es braucht dringend Lösungen, um der Überalterung der Gesellschaft zu begegnen.»

Die Grafik zeigt, wie stark die durchschnittlichen Reallöhne in verschiedenen Branchen ansteigen müssten, um einen Fachkräftemangel zu vermeiden, unter der Annahme, dass keine Massnahmen getroffen werden (keine Anreize zur Erhöhung der Erwerbsbeteiligung, keine weiteren Digitalisierungsmassnahmen etc.). Die Werte sind skaliert, so dass die Reallöhne 2020 dem Wert 1 entsprechen. Ein Wert von 1.1 entspricht somit einer Erhöhung um 10% usw. Quelle: eigene Modellberechnungen von M. Buchmann, Universität Basel.

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