«Alle Branchen profitieren von starken Clustern»

19.09.2023

Sind viele Firmen, Forschungseinrichtungen, Zulieferer und Dienstleister aus einem Wirtschaftssektor in einer Region versammelt, ist von einem Cluster die Rede. Im Interview sprechen Martin Dätwyler, Direktor Handelskammer beider Basel, und Christof Klöpper, CEO Basel Area Business & Innovation, über Bedeutung und Zukunft von Clustern.

Wenn wir in der Basel Area von Clustern reden, meinen wir meistens die starke Life Sciences-Branche. Was hat es damit auf sich?

Martin Dätwyler: Das starke Life Sciences-Cluster in der Region Basel geht auf humanistische Buchdrucker und Anatomen zurück, die vor 500 Jahren in die Region kamen. Sie verbreiteten von hier aus ihr Wissen und zogen weitere kluge Köpfe an. Später kamen Industrielle aus Frankreich nach Basel und produzierten hier Farbstoffe für die Seidenbandindustrie. Daraus entwickelte sich eine starke chemische Industrie, dann die Pharmazie und schliesslich die Life Sciences, wie wir sie heute kennen – mit allen Zuliefererbetrieben, Forschungseinrichtungen und Beratungsfirmen, die es für eine solche Industrie braucht. Die Weichen fürs Life Sciences-Cluster wurden früh gestellt. Ebenso wichtig für unsere exportorientierte Region sind aber auch das Logistikcluster und das erstarkende ICT-Cluster. Dafür setzen wir uns bei der Handelskammer mit unseren drei Cluster-Initiativen engagiert ein.

Welche Vorteile bringt es mit sich, wenn eine Industrie besonders stark ist?

Martin Dätwyler: Die räumliche Nähe erlaubt es den Firmen, intensiv zusammenzuarbeiten. Sie können Wissen und Ressourcen austauschen. Das macht alle Player im Cluster innovativer. Wer sich kontinuierlich mit anderen austauscht, ist näher dran an den Trends. So können Unternehmen schnell auf neue Technologien reagieren, Veränderungen im Markt wahrnehmen und neue Produkte oder Dienstleistungen entwickeln.

Aber nur weil sie nahe beieinander sind, heisst das nicht, dass Firmen auch zusammenarbeiten. Wie bringt man die Akteure zusammen?

Christof Klöpper: Stimmt, der Austausch funktioniert nicht immer von allein. Früher war das Silodenken noch viel ausgeprägter. Heute wird firmenübergreifend viel mehr miteinander kommuniziert. Das liegt daran, dass die Firmen gemerkt haben, dass sie im Austausch miteinander viel gewinnen können. Die Öffnung des Novartis Campus beispielsweise ist mehr als ein Symbol. Dort haben sich zahlreiche externe Firmen angesiedelt, etwa im Switzerland Innovation Park Basel Area, der hier einen Standort betreibt. Aber es braucht auch die aktive Netzwerkpflege. Wir veranstalten regelmässig Workshops für die Community in der Basel Area. Viele kommen, weil das Netzwerk unglaublich offen, interessiert und hilfreich ist.

Was ist mit anderen Branchen und der regionalen Wirtschaft? Wie wirkt sich ein Cluster darauf aus?

Christof Klöpper: Es ist zwar so, dass ein besonders starkes Cluster in der Öffentlichkeit eher wahrgenommen wird. Aber das heisst nicht, dass andere Branchen darunter leiden oder verdrängt werden, im Gegenteil: Zum einen entstehen Arbeitsplätze, was der regionalen Wirtschaft grundsätzlich guttut. Zum anderen wird die Region als attraktiv wahrgenommen, was wiederum weitere Firmen dazu motivieren kann, sich hier anzusiedeln. Ausserdem entwickelt sich das Cluster ständig. Der Wandel von der Chemie zu den Life Sciences ist enorm und schreitet noch immer voran: Die Branche implementiert Künstliche Intelligenz in die Medikamentenentwicklung. Man wendet Blockchain-Technologie bei Lieferketten an. Firmen müssen riesige Mengen an Forschungsdaten auswerten. Die Branche ist auf Firmen angewiesen, die solche Aufgaben erfüllen können. Insofern profitieren alle Branchen von einer starken Life Sciences-Branche. Zudem gibt es in der Region weitere Cluster, etwa im Bereich der Logistik oder ICT. Diese sind kleiner als das Life Sciences-Cluster, sie funktionieren aber nach der gleichen Logik und sind wichtig für unsere Region.

Wie attraktiv werden die Cluster in Zukunft sein?

Christof Klöpper: Stimmen die Arbeitsbedingungen und die Lebensqualität, ist die Life Sciences-Branche in der Lage, internationale Fachkräfte anzuziehen und zu halten. Zentral für die Zukunftsfähigkeit bleiben jedoch eine erstklassige Ausbildung neuer Berufsleute und die Spitzenforschung. Eine Gefahr sehe ich im Ausschluss von europäischen Forschungsprojekten.

Martin Dätwyler: Die Logistik-Branche ist infolge der geopolitischen Entwicklungen unter Druck, ist aber gleichzeitig resilient – dank starken Unternehmen in unserer Region, die sich auch hinsichtlich Automatisierung fit halten. Ein starkes ICT-Cluster ist zentral für die Wirtschaft unserer Region. Die Unternehmen, allen voran die Industrie, sind auf das ICT-Know-how angewiesen, um sich erfolgreich weiterzuentwickeln und im Markt zu bestehen. Deshalb fördert die Handelskammer mit ihrer Cluster-Initiative «be-digital» eine regionale ICT-Community und vernetzt die über 2'000 ICT-Anbieter mit den Anwendern.

Was tun Sie, um die Cluster weiter zu stärken?

Christof Klöpper: Das Life-Sciences Cluster lebt, aber nicht einfach so. Wir kümmern uns darum, dass es lebendig bleibt. Das heisst, es braucht viele Möglichkeiten für Firmen unterschiedlicher Grösse, sich miteinander auszutauschen und so die Innovationskraft zu erhalten. Hier sorgen wir mit unserem Inkubator BaseLaunch dafür, dass Biotechnologie-Startups die Möglichkeit bekommen, ihre innovativen Therapien zu entwickeln. Und mit DayOne unterhalten wir Acceleratoren für Healthtech-Startups. Wir öffnen unser Netzwerk für die Startups, unterstützen sie finanziell und tun alles dafür, dass aus guten Ideen neue Unternehmen werden, die das regionale Wirtschaftssystem bereichern.

Martin Dätwyler: Die Aufgabe der Handelskammer beider Basel ist es, dazu beizutragen, dass die Leitbranchen und Unternehmen unserer Region optimale Rahmenbedingungen vorfinden, um erfolgreich wirtschaften zu können. Dafür setzten wir uns gegenüber der Politik ein, regional ebenso wie national und international, zu Themen wie Aussenhandel, attraktive Steuern, effiziente Infrastrukturen, eine sichere, bezahlbare Energieversorgung, zukunftsfähige Wirtschaftsareale und natürlich für eine gute Aus- und Weiterbildung! Darüber hinaus betreiben wir seit Jahren erfolgreich gemeinsam mit den Unternehmen die drei Cluster-Initiativen «Life Sciences Cluster Basel», «Logistik Cluster Region Basel» und «be-digital Basel». Hierbei steht der Interessensvertretung, das Vernetzten, der Austausch und das Bekanntmachen der Leistungen der Branche und der einzelnen Unternehmen im Zentrum.

Christof Klöpper und Martin Dätwyler Christof Klöpper und Martin Dätwyler

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