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Um Vertrauen gewinnen und bewahren zu können,
sind Respekt, Fairness und Dialog sowie Ehrlichkeit,
Offenheit und wertegeleitetes Handeln zentral.
Was bedeutet das für Unternehmen?
Von Prof. Dr. Antoinette Weibel und Dr. Anastasia Sapegina
Die Philosophin und Vertrauensforsche- Laut dem Sorgenbarometer 2020 von Credit ternehmen scheint das Ausmass von for-
rin Annette Baier meinte: Vertrauen ist Suisse erfreuen sich die Schweizer Politik- malen Regeln und Compliance eher zuzu-
wie Luft – erst wenn sie uns ausgeht, mer- landschaft und insbesondere der Bundesrat nehmen. Das Fatale dabei ist: Je mehr wir
ken wir, wie wichtig Atmen ist. Vertrauen eines spürbaren Vertrauensgewinns. Auch auf Regeln und Kontrolle setzen, desto
bedeutet im Kern, sich auf eine andere das Vertrauen in die NGOs ist gestiegen. weniger kann neues Vertrauen wachsen.
Person oder eine Organisation einzulas- Das Vertrauen in die Wirtschaft hat sich Ein negativer Kreislauf entsteht.
sen, ja sogar sich ihr aussetzen zu wollen, dagegen kaum erholt. So gaben 42 Prozent
weil man hofft, dass das Gegenüber ehr- der Befragten an, dass die Wirtschaft ihrer Vertrauen ermöglicht uns zudem, dort zu
bar ist und die Situation nicht im eigenen Meinung nach oft versage. handeln, wo keine Kontrolle möglich ist. In
Interesse ausnützt. «Aussetzen» hört sich unserer komplexen Umwelt müssen wir
dramatisch an, aber wir machen es trotz- VERTRAUEN IST WERTVOLL der Expertise von anderen vertrauen. Das
dem häufig – wir teilen unser Wissen und Ein Rückgang oder die Abwesenheit von zeigt sich gerade schmerzhaft in der Pan-
hoffen, dass die andere Person sich nicht Vertrauen ist immer mit sogenannten demie. Sind wir bereit, uns freiwillig an
mit fremden Federn schmückt. Wir ver- Transaktionskosten verbunden, sprich krankheitseindämmende Massnahmen zu
trauen einer Kundenberaterin einer Bank Kosten für Überwachung und Kontroll- halten? Dies dürfte dann der Fall sein,
unser Geld an, weil wir auf «treue Hände» durchsetzung. Ein Blick in Studien zeigt, wenn wir einerseits der Politik und der
hoffen. Wir zahlen die Rechnung des Hand- dass die Transaktionskosten in westli- Wissenschaft unser Vertrauen schenken –
werkers, ohne dass wir mit der Stoppuhr chen Ländern relativ hoch sind – Schät- auch wenn wir deren Modelle nicht immer
neben ihm stehen und seine Handgriffe zungen gehen von 50 bis 60 Prozent des verstehen – und wir andererseits auch
überprüfen. An diesen Beispielen lässt sich Bruttosozialproduktes aus. Auch in Un- selbst Vertrauen und damit Freiräume er-
erahnen, wie wertvoll Vertrauen für unsere
Gesellschaft ist.
VERTRAUEN IN
Leider geht uns wohl langsam die Luft aus,
denn Vertrauen in die Wirtschaft schwin- DIE WIRTSCHAFT
det seit Jahren. Das Jahr 2016 markierte
laut dem Edelman-Vertrauensbarometer WELTWEIT
einen weltweiten Tiefpunkt im Vertrauen
in die Wirtschaft: Nur 52 Prozent der Be-
fragten gaben an, in die Wirtschaft zu ver-
trauen. Aktuell zeigen die Umfrageergeb-
nisse des Edelman-Vertrauensbarometers
eine knappe Erholung, denn die Vertrau- 52 % 56 %
enswerte in die Wirtschaft stiegen im Co- Quelle: Edelman Trust Barometer 2021
rona-Jahr 2020 um vier Prozent auf insge-
samt 56 Prozent. Die Schweiz steht im 2016 2020
internationalen Vergleich etwas besser da.
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