Zone Zukunft: Wirtschaft braucht Raum

30.09.2021

Wirtschaft braucht Raum, um florieren und innovativ sein zu können. Dazu müssen Areale optimal und vor allem zeitnah weiterentwickelt werden. Doch welchen Ansprüchen müssen sie genügen? Und vor welchen Herausforderungen steht die Raumplanung insgesamt? Darüber diskutierten Ende September über 20 hochkarätige Referentinnen und Referenten sowie rund 140 Gäste beim ersten Fachkongress «Zone Zukunft» der Handelskammer beider Basel. Schauplatz war das Klybeck-Areal mit seiner über 100-jährigen Geschichte.

In den Sessions diskutierten die Teilnehmenden unterschiedliche Fragestellungen wie die Umwelt- und energierechtliche Herausforderungen und Chancen der Raumplanung, die Finanzierung von Immobilienprojekten, die veränderten Ansprüche und Anforderungen an Lebensräume und Standorte sowie die verstärkte regionale Zusammenarbeit auf Gemeindeebene.

«Sei es das Transformationsareal Klybeck, das Entwicklungsgebiet Salina Raurica oder das Wirtschaftsareal Bachgraben. Viele ehemalige Industrieareale in der Region Basel sind im Umbruch. Aber auch in der Agglomeration muss die Raumplanung künftig unterschiedlichste Bedürfnisse wie Freizeit und Wohnen berücksichtigen. Unser Anliegen ist es, die Ansprüche der Wirtschaft aufzuzeigen. Denn die Raumentwicklung hat direkten Einfluss auf die Attraktivität unseres Wirtschaftsstandorts», nannte Martin Dätwyler, Direktor der Handelskammer beider Basel, das Ziel des hochkarätig besetzten Anlasses. So benötigt eine erfolgreiche Wirtschaftsregion neben gut qualifizierten Arbeitnehmenden und einem wettbewerbsfähigen Steuersystem auch ausreichend geeignete Wirtschaftsflächen.

 

Den fachlichen Auftakt zur «Zone Zukunft» machte Pierre de Meuron. Der Stararchitekt setzte sich in seinem Kurzreferat mit den Perspektiven der Raumplanung im Spannungsverhältnis von Gesellschaft, Wirtschaft und Politik auseinander: «Raumplanung ist: für die Menschen den spezifischen Ort verantwortungsbewusst zu planen, den Lebensraum als dauerhaftes Ganzes nachhaltig zu entwickeln, räumliche Voraussetzungen für die Wirtschaft schaffen und erhalten und den Lebensraum der Menschen zu verschönern. Darin liegt die konkrete Vision, darin liegen die kurz-, mittel- und langfristigen Perspektiven der Raumplanung heute.» Notwendig seien vor allem Strategien, die den Städten insgesamt, den Metropolitanregionen als Ganzes und in letzter Instanz dem gesamten Planeten zugute kämen.

Martin Dätwyler im Talk mit Baudirektorin Esther Keller und Baudirektor Isaac Reber.
Strukturwandel verändert Ansprüche

Nicht nur die Industrie 4.0, sondern auch die Arbeitswelt der Zukunft stellt neue Ansprüche an Gebäude und Flächen, wie Hans-Jörg Fankhauser, CEO von Fankhauser Arealplanung, am Beispiel von Uptown Basel erläuterte. So reichen genügend Parkplätze und gute Zufahrtsstrassen alleine nicht mehr aus. Um den Bedürfnissen der Unternehmen gerecht zu werden, müssten vielmehr die zwölf Megatrends wie Gesundheit, Wissenskultur und New-Work als Treiber des Wandels berücksichtigt werden. Das Arbeitsumfeld von morgen müsste dementsprechend den sogenannten «Future Skills» wie der Fähigkeit zu Kollaboration, Kreativität und Design-Thinking gerecht werden und interaktives, vernetztes Arbeiten etwa durch Co-Workingspaces ermöglichen.

Dass neben veränderten Produktionsprozessen auch neue Formen des Arbeitens wie Homeoffice oder die sogenannte «Campus-Mentalität» vermehrt mitgedacht werden sollten, bestätigte auch Prof. Dr. Rolf Weder von der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel, der zusammen mit Dr. Christian Rutzer und mit Unterstützung der Handelskammer beider Basel ein Forschungsprojekt zur De-Industrialisierung der Schweiz durchführte. Der spürbar dynamische Strukturwandel in der Schweizer Wirtschaft und der Gesellschaft stelle die Raumplanung vor besondere Herausforderungen. Dr. Maria Lezzi, Direktorin des Bundesamtes für Raumentwicklung, sprach sich in diesem Zusammenhang für mehr Spielraum und Experimentierfreude aus: «Es gibt bereits Raum für Wandel im geltenden Rechtsrahmen. Man muss ihn einfach nutzen.» Als Beispiel nannte sie etwa das Modellvorhaben «Nachhaltige Raumentwicklung» auf Bundesebene. Auf Kantons- und Gemeindeebene führte sie u. a. die Zone für Wohnexperimente in der Stadt Bern an.

Einmaliges Entwicklungspotenzial nutzen

Im Rahmen von Pilotversuchen neue Möglichkeiten und Lösungsansätze auszuloten, sei ein guter Weg, betonte auch Regierungsrätin Esther Keller. Die Baudirektorin des Kantons Basel-Stadt sieht bei der Arealgestaltung grosse Chancen: «Damit wir auf Planungsseite bereit sind, haben wir vor ein paar Wochen in der Regierung entschieden, 20 Millionen Franken in den nächsten Jahren nochmals in eigenen Ressourcen zu investieren.» Denn Raum für Flächenentwicklung gibt es genügend: Alle grossen Transformationsareale der Stadt Basel zusammen nehmen eine Fläche von rund 220 ha ein. Das entspricht rund 8,3 Prozent der kantonalen und sogar 10,6 Prozent der städtischen Siedlungsfläche. Auch im Kanton Basel-Landschaft sind mit dem Bachgrabenareal, Uptown Basel und dem Entwicklungsgebiet Salina Raurica Veränderungen im Gange. Regierungsrat Isaac Reber, Baudirektor des Kantons Basel-Landschaft, erkennt hier ebenfalls grosses Entwicklungspotenzial: «Unsere Region bietet ganz viel Transformationsmöglichkeit. Diese Chance müssen wir nutzen.» Entwickler, Investoren, Gemeinden und Kantone müssten dabei eng zusammenarbeiten und alle Kräfte bündeln.

Beim Wirtschaftspodium ging es nicht nur um Erfolgsgeschichten, sondern auch um Herausforderungen in der Praxis. Es diskutierten Benoît Demierre, Leiter Immobilien und Mitglied der Konzernleitung, Marti Holding AG, Stefan Frehner, Leiter Bau und Entwicklung Immobilien der Baloise Asset Management AG und Verwaltungsrat Rhystadt AG, Jan Leibundgut, Head Real Estate Management, F. Hoffmann-La Roche AG, Dr. iur. Christoph Mettler, Partner, ADVOTECH ADVOKATEN, Renato Piffaretti, Head Real Estate Schweiz, Swiss Life Asset Management AG, Beat Röthlisberger, Leiter des Geschäftsbereichs Unternehmenskundenberatung und Mitglied der Geschäftsleitung, BLKB.
Flächenentwicklung ist Wirtschaftsentwicklung

Im Talk mit Beat Aeberhard, Leiter Städtebau & Architektur Kanton Basel-Stadt, und Thomas Waltert, Kantonsplaner Basel-Landschaft, zeigte sich, dass rein industrielle bzw. gewerbliche Nutzungen relativ rasch realisierbar sind. Mischnutzungen werden hingegen zum Teil von langwierigen Abstimmungsprozessen begleitet. Dr. Sebastian Deininger, Leiter Verkehr, Raumplanung, Energie und Umwelt, verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass zunehmende Nutzungsauflagen und eine wachsende Flächenkonkurrenz vermehrt zu Konflikten und der Verdrängung einzelner Branchen führen. Dies geschieht etwa im Bereich der Logistik – einer Leitbranche der Region, die eine wichtige Querschnittsfunktion innerhalb der Wirtschaft erfüllt. Eindrücklich ist in diesem Zusammenhang auch die Angebotsentwicklung von Wirtschaftsflächen in der Region Basel: Gemäss dem Bundesamt für Statistik gingen die Gewerbe- und Industrieflächen in Basel-Stadt zwischen 1979/85 und 2013/18 um 17 Prozent zurück.

Klare Forderungen seitens Wirtschaft

Die Wirtschaft stellt daher klar Forderungen an die Raumplanung: Neben einer nachfrageorientierten Weiterentwicklung der bestehenden Wirtschaftsflächen ist die Abstimmung zwischen den beiden Basler Kantonen zentral. Von grosser Bedeutung sind auch mehr Flexibilität in der Nutzung und schnellere Prozesse in der Planung und der Genehmigung von Bebauungen. «Die bedarfsorientierte Weiterentwicklung unseres Wirtschaftsraumes ist notwendig, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben», plädierte Martin Dätwyler abschliessend für eine enge Zusammenarbeit auf allen Ebenen und auf einen intensiven Dialog mit allen Beteiligten – von den Investoren über die künftigen Nutzerinnen und Nutzer bis hin zu Politik, Verwaltung, Gesellschaft und Wirtschaft.

Handelskammer vernetzt: Follow up auf Swissbau

Die nächste Gelegenheit sich mit Politik, Wirtschaft und Fachpublikum zum Thema auszutauschen, bietet sich bereits am 18. Januar 2022. Unter dem Titel «Nachhaltigkeit in der Raumentwicklung: Dynamik oder Stillstand?» geht es bei der Werkstatt auf der Swissbau konkret um die Fragen: Kann Raumentwicklung ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltiger werden? Wie können Projekte in nützlicher Frist und zu akzeptablen Kosten durchgeführt werden? Wie müssen die Rahmenbedingungen ausgestaltet sein, um den wirtschaftlichen Strukturwandel raumplanerisch zu unterstützen? Seien Sie dabei und diskutieren Sie mit.

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