Wer zahlt in Basel wieviel Steuern?

12.03.2020

Steuern sind in einem modernen Gemeinwesen wohl grundsätzlich unbestritten. Die Höhe und Ausgestaltung der Steuern hängt im Wesentlichen von der politischen Frage ab, wieviel staatliche Leistungen erbracht und wieviel Mittel umverteilt werden sollen. Wer aber zahlt konkret wieviel?

von Prof. Dr. Urs Müller, Präsident des Verbands Schweizerischer Kantonalbanken

Wenn wir den Steuerertrag pro Kopf der Bevölkerung im Kanton Basel-Stadt mit dem Durchschnitt aller Kantone (inklusive Gemeinden) vergleichen, so fällt dieser Ertrag rund 65 Prozent höher aus. Dies liegt zu einem guten Teil am überdurchschnittlichen Basler Ressourcenpotenzial, das aktuell 46 Prozent über dem schweizerischen Mittel liegt. Es hat aber auch damit zu tun, dass die Steuerausschöpfung im Kanton deutlich – das heisst etwa 13 Prozent – über dem Schweizer Durchschnitt liegt. Aussenstehende würden wohl erwarten, dass dank der starken Wirtschaft und dem entsprechend überdurchschnittlichen Steuersubstrat die Steuerbelastung im Basler Stadtkanton unterdurchschnittlich sein müsste, wie das in einigen Zentralschweizer Kantonen der Fall ist. Die Realität ist anders: Wir könnten in Basel-Stadt alle Steuern um 40 Prozent senken – und hätten dann immer noch gleich viel Fiskalertrag pro Kopf wie im Schnitt der anderen 25 Kantone.

Woher kommt das Geld?

Ausgegeben ist Steuerertrag meist rasch. Es lohnt sich aber auch, einen Blick darauf zu werfen, woher das Geld kommt. Im Jahr 2018 betrug der Ertrag an kantonalen Steuern im Basler Stadtkanton insgesamt CHF 2'852 Mio. Davon kamen CHF 1'889 Mio. – oder 66 Prozent – von natürlichen und CHF 762 Mio. von juristischen Personen. Dazu kommen noch verschiedene Spezialsteuern im Betrag von CHF 200 Mio. Die mit Abstand grösste Position sind die Einkommenssteuern, welche rund die Hälfte aller Steuererträge ausmachen. Deshalb soll im Folgenden diese Steuerkategorie etwas gründlicher analysiert werden. Dabei werden alle 115'742 ordentlichen Veranlagungen von natürlichen Personen in Basel-Stadt (ohne Wochenaufenthalter, Unterjährige und Auswärtige) im Steuerjahr 2016 betrachtet. Der Steuerertrag umfasst Kantons- und Gemeindesteuern; Datenquelle ist das Statistische Amt Basel-Stadt.

Analyse Reineinkommen

Für die Analyse werden alle Veranlagungen entlang der Grösse des Reineinkommens sortiert, von den tiefsten (mit null) bis zu den höchsten (mit Einkommen von über einer Million). In der Grafik werden die sortierten Veranlagungen in zehn gleich grosse Gruppen (sogenannte «Dezile» mit je 11'574 Veranlagungen) unterteilt. Für jedes Dezil kann nun berechnet werden, wie gross der Anteil dieser Gruppe am Reineinkommen und am Steuerertrag ist. Das Reineinkommen (Position 739 in der Steuererklärung) ist der Saldo aller steuerrelevanten Einkünfte (Löhne, Renten, Unterhaltsbeiträge, Vermögenserträge) und Ausgaben (Berufskosten, Unterhaltsbeiträge, Sozialversicherungsbeiträge, Krankheitskosten, Zuwendungen). Subtrahiert man vom Reineinkommen noch die Sozialabzüge, so ergibt sich das steuerbare Einkommen.

Abb1_Anteile nach Reineinkommen Saeulengrafik Abb. 1 Anteile der nach dem Reineinkommen geordneten Dezile

Die Säulengrafik (Abb. 1) zeigt, dass die einkommensschwächsten 20 Prozent der Veranlagungen gar keine Einkommenssteuern zahlen. Teilt man die Veranlagungen in der Mitte auf, so ergibt sich ein Schwellenwert (oder Median-Reineinkommen) von CHF 49'333. Die Hälfte, die ein geringeres Reineinkommen aufweist, bringt zusammen ein Sechstel des gesamten Reineinkommens auf und zahlt knapp acht Prozent der gesamten Einkommenssteuern. Umgekehrt vereint die obere Einkommenshälfte gut 83 Prozent des kantonalen Reineinkommens und bezahlt gut 92 Prozent aller kantonalen Einkommenssteuern. Die obersten 10 Prozent (ab einem Reineinkommen von CHF 133'000) bezahlen fast 50 Prozent der Einkommenssteuern. Das oberste Einkommensprozent (ab einem Reineinkommen von CHF 383'000) trägt gar knapp 20 Prozent der Einkommenssteuern bei. Unter Berücksichtigung der Vermögenssteuern, die noch ungleicher verteilt sind, und des kantonalen Anteils an den direkten Bundessteuern, die stärker progressiv sind als die kantonalen Steuern, dürfte der Anteil des obersten Prozents sogar über 20 Prozent liegen.

Abb2_Anteile nach Reineinkommen Kurve Abb.2 Anteile der nach dem Reineinkommen geordneten Dezile

Die Grafik mit den Lorenzkurven (Abb. 2) zeigt dieselben Daten aus einer anderen Perspektive. So sieht man auch hier, dass bei den unteren 50 Prozent der Veranlagungen etwa 16 Prozent der Reineinkommen und 8 Prozent der Einkommenssteuern anfallen.

Ungleiche Verteilung

Die Analyse zeigt zum einen, wie ungleich die Einkommen in Basel-Stadt verteilt sind. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass im Kanton etwa 20'000 volljährige Schüler, Studenten und Lehrlinge wohnen, die kaum ein Einkommen erzielen. Noch deutlicher zeigen die Daten jedoch, wie massiv die Umverteilung ausfällt. Stellen wir uns vor, der heutige Steuerertrag würde gleichmässig in Rechnung gestellt. Dann müsste jeder Steuerhaushalt rund CHF 10'000 «Kopfsteuer» pro Jahr entrichten, was einem Reineinkommen von rund CHF 75'000 (respektive einem steuerbaren Einkommen von rund CHF 45'000) entspricht. Wer darüber liegt, ist im Schnitt Nettozahler; wer darunter liegt, Nettoleistungsempfänger, wird also subventioniert. Die dadurch ausgelöste Umverteilung «von oben nach unten» beträgt alleine bei der Einkommenssteuer rund CHF 540 Mio. pro Jahr! Damit das so bleiben kann, gilt es dem obersten einen Prozent der Steuerzahlenden Sorge zu tragen. Sie zahlen 20 Prozent der Einkommenssteuern und mehr als die Hälfte der Vermögenssteuern. Wandern sie ab, verliert der Kanton CHF 400 Mio. an Steuerertrag im Jahr.

Grenzsteuersatz und Realität

Der Grenzsteuersatz gibt an, wie stark sich die Steuerlast verändert, wenn sich das steuerbare Einkommen um einen gewissen Betrag erhöht oder reduziert. Dieser Satz beträgt in Basel-Stadt 29 Prozent. So steht es zumindest im Steuergesetz. Doch wie sieht die Steuerbelastung für einen im Kanton wohnhaften Erwerbstätigen effektiv aus? Dazu braucht es eine Definition des Begriffs Steuer. Steuern sind staatlich geregelte, unbedingt geschuldete Zahlungen ohne Anrecht auf eine konkrete Gegenleistung. Für einen Lohnempfänger gibt es neben der direkten Bundessteuer insbesondere auch die Solidaritätszuschläge in der AHV (ab einem Einkommen von CHF 85'320) und in der ALV (ab CHF 148'200) zu berücksichtigen, da Lohnbestandteile über diesen Schwellen wohl beitragspflichtig sind, aber nicht zu höheren Leistungen führen. Auch im Bereich der obligatorischen Unfallversicherungen gemäss Unfallversicherungs-Gesetz bringen höhere Beiträge keine höheren Leistungen, weshalb sie faktisch Steuern darstellen. Selbst bei den Pensionskassenbeiträgen werden Teile der überobligatorisch versicherten Beiträge zur Umverteilung verwendet und sind damit nicht rentenbildend, da der Umwandlungssatz im Überobligatorium tiefer als im Obligatorium (gemäss BVG) ist. Bei einem Lohneinkommen von CHF 1 Mio. setzt sich der Grenzsteuersatz demnach wie folgt zusammen: Kanton 29 Prozent, Bund 11,5 Prozent, AHV/IV/EO 5,275 Prozent, ALV 0,5 Prozent, BVG circa 1 Prozent und UVG ungefähr 0,6 Prozent. Das ergibt total rund 48 Prozent. Dass diese Grenzsteuerbelastung von fast 50 Prozent voll in die Umverteilung «von oben nach unten» geht, sei nur am Rande vermerkt. Würden zusätzlich auch noch die lohnabhängigen Arbeitgeberbeiträge an die Sozialversicherungen (AHV/IV/EO, ALV, BVG, UVG und Familienausgleichskassen) mitberücksichtigt, so stiege die Grenzsteuerbelastung bei hohen Löhnen auf gegen 60 Prozent!

Offensichtlich will die Basler Stimmbevölkerung ein hohes Staatsleistungsniveau und viel Umverteilung mit entsprechend hohen Steuern. Das ist für eine Stadt nicht unüblich. Dabei darf aber nicht vergessen gehen, dass alleine das tendenziell mobile potenteste, oberste Prozent der Steuerzahlenden in Basel-Stadt jedes Jahr CHF 400 Mio. Steuern abliefert. Mit ihm sollte man es sich also tunlichst nicht verderben – umso mehr, als in der Steuerkategorie der juristischen Personen mit den beiden Pharmariesen Novartis und Roche ein Klumpenrisiko in ähnlicher Höhe besteht.

 

Prof. Dr. Urs Müller
ist seit 2012 Präsident des Verbands Schweizerischer Kantonalbanken. Daneben liest er als Titularprofessor an der Universität Basel «Öffentliche Finanzen» und berät Kantone und Städte in finanzpolitischen Fragestellungen. Davor war er Direktor und Chefökonom von BAK Economics und von 1996 bis 2005 Chef der Finanzverwaltung Basel-Stadt.

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