Stellungnahme: Änderung der Postverordnung – neue Erreichbarkeitsvorgaben

30.08.2018

Die «Änderung der Postverordnung (VPG; SR 783.01) – Neue Erreichbarkeitsvorgaben» strebt neu eine Festlegung der Erreichbarkeitsvorgaben auf Ebene Kanton an. Die Handelskammer beider Basel teilt die Ansicht, dass Dienstleistungen bei Post und Zahlungsverkehr in hoher Qualität als Service public zur Verfügung zu stellen sind. Die vorgeschlagenen Änderungen schiessen aber deutlich über das Ziel hinaus.

Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK), wurde durch den Bundesrat beauftragt ein Vernehmlassungsverfahren zur «Änderung der Postverordnung (VPG; SR 783.01) – Neue Erreichbarkeitsvorgaben» durchzuführen.

Eine von Bundesrätin Doris Leuthard eingesetzte Arbeitsgruppe wurde im vergangenen Jahr mit dem Ausarbeiten von Lösungsansätzen zur Ausgestaltung des künftigen Postnetzes betraut. Diese Arbeitsgruppe wurde durch das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) geleitet. Im weiteren waren die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Berggebiete, der Schweizerische Gemeindeverband, der Schweizerische Gewerbeverband, die Schweizerische Post, der Schweizerische Städteverband sowie die Volkswirtschaftsdirektorenkonferenz darin vertreten. Die Vorlage nimmt auf die Empfehlungen der Arbeitsgruppe Bezug, ergänzt diese jedoch um diverse politische Forderungen.

Die Grundversorgung mit Dienstleistungen der Post und des Zahlungsverkehrs stellt einen Service public dar, welcher von einer Mehrheit der Gesellschaft als wichtig anerkannt wird. Auch für die Wirtschaft ist die Sicherstellung des Angebots genannter Dienstleistungen von grossem Interesse und Nutzen. Inwiefern es von Seiten des Gesetzgebers verbindliche und unflexible Vorgaben zur Erreichbarkeit der Grundversorgung mit Dienstleistungen der Post und des Zahlungsverkehrs braucht, und wie diese ausgestaltet sein sollten, wird bisweilen jedoch kontrovers diskutiert. Die Handelskammer beider Basel nimmt daher die Möglichkeit wahr, im Rahmen des laufenden Vernehmlassungsverfahrens Stellung zu den Erreichbarkeitsvorgaben generell sowie deren Anpassung zu nehmen.

 

Grundversorgung mit Postdiensten

Die Vorlage beabsichtigt die Erreichbarkeit der Grundversorgung mit Post und Zahlungsverkehrsdiensten von einer nationalen Betrachtung zukünftig auf Ebene des Kantons zu begutachten (VPG, Art. 33, Abs. 4). Im gegenwärtigen System ist eine Versorgung von 90% der schweizweiten Bevölkerungen mit den genannten Dienstleistungen vorgesehen. Diese Betrachtung eines nationalen Durchschnittswertes birgt gemäss Vorlage jedoch das Risiko, dass an einem Ort Überversorgung stattfindet, während andernorts Unterversorgung herrscht, ohne, dass die Kriterien der landesweiten Versorgung verletzt würden.

Grundsätzlich teilt die Handelskammer beider Basel die Einschätzung, dass im jetzigen System die Gefahr einer Überversorgung, d.h. Überkapazitäten, von Post und Zahlungsverkehrsdiensten an gewissen Orten besteht. Zweifel bestehen hingegen daran, ob es tatsächlich Gebiete gibt, welche mit genannten Dienstleistungen unterversorgt sind. Die Handelskammer beider Basel vertritt die Ansicht, dass auch Dienstleistungen, die unter den Service public fallen, sich generell an der vor Ort vorhandenen Nachfrage zu orientieren haben. Während es aufgrund der bestehenden Erreichbarkeitsvorgaben also durchaus sein kann, dass einige Gebiete der Schweiz mit genannten Dienstleistungen überversorgt sind, scheint eine faktische Unterversorgung zwar möglich, ist jedoch vor allem eine direkte Folge dessen, was als „Unterversorgung" unter den Erreichbarkeitsvorgaben definiert wird.

Zusätzlich soll gemäss Vorlage neu in städtischen Gebieten und Agglomerationen (gemäss Definition des Bundesamts für Statistik) mindestens ein bedienter Zugangspunkt gewährleistet sein. Pro weitere 15'000 Einwohner soll ein weiterer Zugangspunkt betrieben werden müssen. (VPG, Art. 33, Abs. 5bis) Die Kantone stehen ausserdem im regelmässigen Austausch zur Planung und Koordination des Poststellen- und Postagenturnetzes in ihrem Gebiet, wobei die Kantone die Kommunikation mit ihren Gemeinden sicherstellen. (VPG, Art. 33, Abs. 8) Die Post soll ausserdem eine im Internet aufrufbare Karte der Schweiz unterhalten, welche über die Standorte der Zugangspunkte Auskunft gibt. (VPG, Art. 33, Abs. 9)

Die Handelskammer beider Basel ist gegen jegliche Festschreibung einer minimal zur Verfügung stehenden Anzahl von bedienten Zugangspunkten. Auch wenn dies auf dem Verordnungsweg – und nicht auf dem Gesetzesweg – geschieht, ist es aus ordnungspolitischer Sicht inakzeptabel, strikte Vorgaben zum Angebot einer Dienstleistung festzuschreiben und hierbei die Nachfrageseite gänzlich unberücksichtigt zu lassen, da die Gefahr einer lokalen Überversorgung besteht. Dass ein regelmässiger Dialog zwischen der Post und den Kantonen zur Planung und Koordination des Poststellen- und Postagenturnetzes stattfinden soll, ist generell begrüssenswert. Die Planung und Koordination sollte sich hierbei jedoch an der tatsächlichen Nachfrage ausrichten, die am jeweiligen Ort vorhanden ist. Die Festschreibung eines solchen Austauschs in der Postverordnung lehnt die Handelskammer beider Basel aus gesetzestechnischen Gründen ab. Analoges gilt für den Unterhalt einer Karte mit sämtlichen Standorten der Zugangspunkte durch die Post, welche die Handelskammer prinzipiell ebenfalls begrüssen würde.

Neu soll mindestens sechs Monate vor der Schliessung oder Verlegung einer Poststelle oder Postagentur eine Anhörung der Behörden und betroffenen Gemeinden durch die Post stattfinden. (VPG, Art. 34, Abs. 1) Die PostCom führt ein Schlichtungsverfahren zwischen der Post und den Behörden der beteiligten Gemeinden durch. Sie kann die betroffenen Stellen zu einer Verhandlung einladen und den betroffenen Kantonen Gelegenheit zur Stellungnahme geben. (VPG, Art. 34, Abs. 4)

Grundversorgung mit Dienstleistungen des Zahlungsverkehrs

Während das aktuelle Messsystem grundsätzlich beibehalten wird, soll die Post verpflichtet werden, Dienstleistungen des Zahlungsverkehrs für 90% der ständigen Wohnbevölkerung eines Kantons innerhalb von 20 Minuten (gegenwärtig 30 Minuten) zu Fuss oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln anzubieten. (VPG, Art. 44, Abs. 1) Sofern nur eine Postagentur vorhanden ist, soll die Post Bareinzahlungen an der Wohnadresse des Kunden durchführen. (VPG, Art. 44, Abs. 1bis) Die übrigen Kriterien der Erreichbarkeit für Dienstleistungen des Zahlungsverkehrs entsprechen jenen, die auch für den Zugang zum Poststellen- und Postagenturnetz formuliert sind. (VPG, Art. 44, Abs. 1ter, 4 und 5)

Wie im Falle der Postdienste, sieht die Handelskammer beider Basel bei Dienstleistungen des Zahlungsverkehrs die Gefahr einer Überversorgung, wenn die Nachfrageseite bei der Definition des Angebots vernachlässigt wird. Dass in Zeiten zunehmender Digitalisierung die zeitliche Distanz zur Erreichung von Dienstleistungen des Zahlungsverkehrs von 30 Minuten auf 20 Minuten abgesenkt werden soll, ist für die Handelskammer beider Basel weder zeitgemäss noch nachvollziehbar.

 

Forderungen

Die Handelskammer beider Basel unterstützt eine gute Erreichbarkeit und Qualität von Post und Zahlungsverkehrsdiensten. Die in dieser Vorlage vorgeschlagenen Änderungen der Postverordnung (VPG) schiessen jedoch deutlich über das Ziel hinaus. Wir sehen durch die Einführung weiterer Erreichbarkeitskriterien sowie deren deutliche Verschärfung bei gleichzeitigem Ausblenden der Nachfrageseite für angesprochene Dienstleitungen die Gefahr des Aufbaus massiver Überkapazitäten.

Die Handelskammer beider Basel setzt sich auch bei Post und Zahlungsverkehrsdiensten für eine nachfrageorientierte Ausgestaltung des Angebots ein und lehnt einen Zwang zum Ausbau dieser Dienstleistungen auf dem Verordnungsweg entschieden ab.

 

Fazit


Angesichts einer zunehmenden und beschleunigten Digitalisierung des täglichen Lebens, insbesondere im Bereich der Post und des Zahlungsverkehrs, ändert sich das Marktumfeld sowie die Präferenzen der Kunden und somit die Nachfrage nach bestimmten Produkten rasant. Die Anbieter müssen auf diesen Wandel mit einem angepassten Angebot reagieren und sich nachfrage-orientierter ausrichten. Die in dieser Vorlage dargelegte Verschärfung zur Grundversorgung von Dienstleitungen rund um Post und Zahlungsverkehr, unterminieren jegliche Anstrengungen der Anbieter jedoch, da die Nachfrageseite ausgeblendet wird. Stattdessen werden die Dienstleistungen mit der vorgeschlagenen Änderung der Postverordnung noch angebotsorientierter, als dies schon jetzt der Fall ist. Aus Sicht der Handelskammer wird dies einen Aufbau massiver Überkapazitäten nach sich ziehen, und damit den Service public nicht stärken, sondern langfristig schwächen, indem eine Modernisierung des Angebots behindert und verzögert wird. Darunter leiden neben den Unternehmen, welche diese Dienstleistungen in Anspruch nehmen möchten, auch die Konsumenten und letztlich die Anbieter aufgrund sinkender Kundenzahlen.

 

Stellungnahme Änderung der Postverordnung

Member.HUB