Klarstellung Meldeverfahren bei der Verrechnungssteuer

05.03.2015

Die Handelskammer beider Basel unterstützt den Antrag, dass sowohl die Deklaration der Verrechnungssteuer als auch die Geltendmachung der Anwendung des Meldeverfahrens neu auch nach Ablauf der Deklarationsfrist von 30 Tagen möglich sein soll, ohne dass das Recht, vom Meldeverfahren Gebrauch zu machen, verwirkt. Die Handelskammer hofft jedoch, dass eine Lösung ohne gesetzliche Anpassung möglich ist.

Zur Vernehmlassungsvorlage

Die Anpassung von Art. 16 bzw. 20 des Bundesgesetzes über die Verrechnungssteuer ist notwendig, um eine Praxis wieder aufleben zu lassen, die über Jahrzehnte Gültigkeit hatte. In dieser Praxis wurde die Frist von dreissig Tagen zur Meldung als Ordnungsfrist und nicht als Verwirkungsfrist verstanden.

 

Im Urteil des Bundesgerichts vom 19. Januar 2011 (2C_756/2010) wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass es sich nach Ansicht des Bundesgerichts bei der Frist um eine Verwirkungsfrist handeln würde. Das Urteil wurde von namhaften Autoren (u.a. RENÉ MATTEOTTI, Fristen mit Fallstricken im verrechnungssteuerrechtlichen Meldeverfahren, ASA 80 <2011/2012> 469; ROBERT WALDBURGER, Aus der Rechtsprechung im Jahr 2011, IFF 2012/4, S. 280 ff.; PETER BRÜLISAUER, 30-Tage-Frist zur Anwendung des Meldeverfahrens bei Dividenden, ST 2011, S.1042 ff.) heftig kritisiert. Dementsprechend kann festgehalten werden, dass die herrschende Meinung von einer Ordnungsfrist ausgeht und nicht von einer Verwirkungsfrist. Trotz dieser klaren Stellungnahme von namhaften Steuerrechtlern hat die Eidgenössische Steuerverwaltung ihre Praxis nicht angepasst.

Die Schweiz zeichnete sich im Bereich des Steuerrechtes bisher dadurch aus, dass zwischen Steuerpflichtigen und Steuerverwaltung – innerhalb des gesetzlichen Rahmens – adäquate Lösungen gefunden wurden. Eine durch und durch formalistische Rechtsanwendung – wie sie in anderen Ländern praktiziert wird – war uns bisher fremd. Rechts- und Planungssicherheit werden als entscheidende Voraussetzungen für einen prosperierenden Wirtschaftsstandort angesehen. Rechts- und Planungssicherheit gründen aber nicht auf Bundesgerichtsentscheiden, auf die nicht selten jahrelang gewartet werden muss. Rechtsnormen werden traditionell und willentlich offen formuliert, um auf dem Weg der Aus-legung eine praktikable Rechtsanwendung im Einzelfall zu ermöglichen. Dabei galt bis anhin, dass die Rechtsanwendung eher zu Gunsten als zu Ungunsten der Unternehmen erfolgte.

 

Im vorliegenden Fall besteht der Eindruck, dass Bussen und Verzugszinsen nicht primär der Durchsetzung von materiellem Recht dienen sollen, sondern als Einnahmequellen verstanden werden. So schwollen im Jahr 2013 Bussen und Verzugszinsen auf CHF 323 Mio. an (Vorjahr 32 Mio.). Wenn noch ausgeführt wird, dass drei Viertel dieses Betrages nur gerade 36 Verzugszinsforderungsrechnungen betreffen, keimt der Verdacht auf, dass sich die Eidgenössische Steuerverwaltung mit ihrer vom Bundesgericht sanktionierten Praxis verrannt hat, und sich nicht mehr in der Lage fühlt, die Praxis zu korrigieren. Insgesamt sind von diesem Vorgehen tausende Steuerpflichtige betroffen– unter anderem auch Klein- und Mittelbetriebe, für welche Liquidität Voraussetzung für das Überleben ist.

 

Anliegen

Die schweizerische Wirtschaft und insbesondere kleine und mittlere Unternehmen sind durch die Aufhebung des EUR/CHF-Mindestkurses besonders betroffen. Wirtschaft und Bundesbehörden betonen in diesem Zusammenhang, wie wichtig ein freiheitlicher Wirtschaftsstandort sei und dass bürokratische Hindernisse abzubauen seien. Die vorliegende Gesetzesvorlage wäre unnötig, wenn bei den Bundesbehörden die Einsicht für den Bürokratieabbau tatsächlich vorhanden wäre. Sollte es nicht möglich sein, die alte Praxis auf einfachem und direktem Weg wieder aufleben zu lassen, führt kein Weg darum herum, eine formelle Gesetzesanpassung vorzunehmen. Zumal das Bundesverwaltungsgericht erst kürzlich entschieden hat, dass eine Verwirkungsfrist vorliegen würde (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-1878/2014 vom 28. Januar 2015).

 

Dem Antrag der Mehrheit bezüglich Art. 16 Abs. 2bis und 2ter stimmt die Handelskammer zu. Wobei gemäss Art. 64 VStG bereits heute eine Ordnungsbusse bei pflichtwidriger Unterlassung der Meldung möglich ist. Dies zeigt wiederum, dass die Revision eigentlich unnötig wäre. Eine Übergangsbestimmung nach Art. 70c VStG macht für die Handelskammer beider Basel nur Sinn, wenn es sich um rechtskräftige Steuerforderungen handelt, was im diesbezüglichen Artikel festzuhalten wäre. Steuerforderungen, die noch nicht in Rechtskraft erwachsen sind, können automatisch (Lex „mitior“) auf die neue Bestimmung zurückgreifen. Insofern wäre es auch angezeigt, wenn unter jedem Titel vermieden würde, dass bis zur Inkraftsetzung der Bestimmung Veranlagungen in Rechtskraft erwachsen würden, was wohl primär Fälle vor dem Bundesgericht betreffen würde. Derzeit scheint es, dass die Übergangsbestimmungen gemäss Antrag der Mehrheit auch nicht rechtskräftige Steuerforderungen umfassen. Dies könnte der Überzeugung, dass es sich um eine Verwirkungsfrist gehandelt hätte, Vorschub leisten.

 

Die Handelskammer beider Basel unterstützt den Antrag der Mehrheit unter Berücksichtigung der Änderung der Übergangsbestimmungen, hofft jedoch, dass noch eine Lösung ohne gesetzliche Anpassung gefunden wird.

 

Stellungnahme

Fragebogen Meldeverfahren

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