Verordnung über eine Stromreserve für den Winter

21.11.2022

Die Handelskammer beider Basel befürwortet die Grundzüge der vorgeschlagenen Verordnung über eine Stromreserve für den Winter (Winterreserveverordnung, WResV) grundsätzlich. Bei der konkreten Ausgestaltung, insbesondere der Motivation und Verpflichtung von Unternehmen zur Teilnahme, sehen wir jedoch noch Nachbesserungsbedarf.

Zusammenfassung unserer Forderungen
  • Wir unterstützen die Schaffung einer Winterstromreserve als wichtigen Beitrag an die Versorgungssicherheit.
  • Die Reserve muss grundsätzlich technologieoffen ausgestaltet sein. Anlagen, die perspektivisch mit CO2-neutralen Brennstoffen, wie beispielsweise grünem Wasserstoff oder grünem Methanol betrieben werden können, sollten jedoch priorisiert werden. Eine Befreiung von der CO2-Abgabe könnte für solche Anlagen einen finanziellen Anreiz darstellen.
  • Weiteres Potenzial sehen wir auf der Verbraucherseite beim Lastmanagement. Durch gezielte Anreize könnte der Verbrauch im kritischen Umfang reduziert werden.
  • Eine Verpflichtung von Eigentümern zur Bereitstellung einer Winterstromreserve lehnen wir grundsätzlich ab. Vergütung und Entschädigung für die Zurverfügungstellung der Winterstromreserve müssen so attraktiv ausgestaltet werden, dass eine Verpflichtung ultima ratio erfolgt. Artikel 4 der WResV ist daher für uns zentral.
  • Die Finanzierung durch eine Anpassung des Netzentgeltes befürworten wir im Sinne des Verursacherprinzips.
  • Die Massnahmen sind temporär. Langfristig braucht es für ein nachhaltiges Energiesystem ein Zusammenspiel von Versorgungssicherheit, Ökologie und Wirtschaftlichkeit.
  • Insbesondere die gelockerten Vorschriften zur Errichtung der Anlagen sind zu dokumentieren und danach zu analysieren. Dies im Sinne eines Learnings, wie auch ordentliche Verfahren zumutbar optimiert werden könnten.
Zur Vernehmlassungsvorlage

Am 7. September 2022 hat der Bundesrat die Verordnung zur Einrichtung einer Wasserkraftreserve verabschiedet und per 1. Oktober 2022 in Kraft gesetzt. Der Bundesrat schlägt zur Sicherstellung der Stromversorgung ab Winter 2022/23 die Schaffung der Winterreserveverordnung (WResV) vor.
Diese soll den Einsatz der Wasserkraftreserve sowie von Reservekraftwerken und Notstromgruppen regeln.

Konzeption

Im Detail umfasst die Vorlage folgende Elemente (übernommen aus den Dokumenten des Bundes):

  • Die Reservekraftwerke sollen eine Leistung von insgesamt bis zu 1000 MW zur Verfügung stellen. Sie ergänzen die Wasserkraftreserve. Teilnehmen können Betreiber von Kraftwerken, die mit Gas oder anderen Energieträgern betrieben werden. Wichtig: Die Kraftwerke produzieren Strom ausschliesslich für die Reserve und nicht für den Markt.
  • Notstromgruppen können ebenfalls an der Reserve teilnehmen. Zu den Betreibern von Notstromgruppen, die bereits per Februar 2023 an der Reserve teilnehmen, könnten im späten Winter 2022/23 oder im darauffolgenden Winter weitere dazu kommen.
  • Die ersten Reservekraftwerke können bereits im Februar 2023 in Betrieb gehen. Kann die Reserve nicht im notwendigen Umfang gebildet werden, können Inhaber geeigneter Reservekraftwerke oder andere Unternehmen zur Teilnahme verpflichtet werden. Weiter können Ausschreibungen für Bau und Betrieb neuer Reservekraftwerke durchgeführt werden, die dann in einigen Jahren bereitstehen könnten.
  • Die Betreiber der Reservekraftwerke und der Notstromgruppen erhalten eine Vergütung für die fixen Kosten und eine Entschädigung bei einem tatsächlichen Abruf der Reserve, die auch die Kosten der Betriebsbereitschaft beinhaltet. Übermässige Gewinne können begrenzt werden.
  • Die Finanzierung erfolgt über das Netznutzungsentgelt für das Übertragungsnetz. Somit tragen die Stromverbraucherinnen und Stromverbraucher die Kosten der Reserve.
  • Die Verordnung macht Vorgaben für den Einsatz und Abruf der Reserve sowie zur Reihenfolge und zum Umfang der Energie, die aus den beiden Reserveteilen (Wasserkraftreserve und Reservekraftwerke) eingesetzt wird. Die ElCom wird die Details festlegen.
  • Es erfolgt auch eine Anpassung der CO2-Verordnung. Damit wird sichergestellt, dass die Reservekraftwerke am Emissionshandelssystem (EHS) teilnehmen müssen, so dass sie die CO2-Bilanz gesamthaft nicht belasten.
  • Damit die Anlagen rechtzeitig zur Verfügung stehen, sind temporäre Lockerungen der Vorschriften zum Lärmschutz und zur Luftreinhaltung sowie der Vorschriften insbesondere betreffend Bau und Erschliessung erforderlich. Die nötigen Rechtsanpassungen erfolgen parallel zur Verordnung.
Forderungen

Die Handelskammer setzt sich seit geraumer Zeit mit politischen Forderungen für eine Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit im Bereich Energie ein. Die Schaffung einer erweiterten Winterstromreserve sowie der Winterreserveverordnung insgesamt kann hier einen Beitrag leisten, weshalb wir diese begrüssen. Wir sehen den vorliegenden Entwurf grundsätzlich als geeignet an, die bereits unternommenen Massnahmen des Bundes zu ergänzen.

Wir geben jedoch zu bedenken, dass die Regelung zur Schaffung der Winterstromreserve technologieoffen erfolgen sollte. Wo fossile Energieträger zum Einsatz kommen, ist mit entsprechenden Anreizen darauf hinzuwirken, dass diese im Sinne der Nachhaltigkeit für den perspektivischen Einsatz von beispielsweise grünem Wasserstoff und anderen synthetischen und CO2-neutralen Brennstoffen geeignet sind. Die Ausnahme von der CO2-Abgabe für diese Anlagen stellt einen möglichen finanziellen Anreiz dar.

Wir fordern darüber hinaus den Grundsatz der Freiwilligkeit zur Bereitstellung der Reserve durch Private zu wahren. Eine Verpflichtung von Eigentümern zur Bereitstellung einer Winterstromreserve darf nur als ultima ratio erfolgen. Artikel 4 der WResV ist für uns daher zentral. Schliesslich haben Unternehmen in diese Sicherheitsinfrastrukturen investiert, um im Krisenfall abgesichert zu sein. Die Zurverfügungstellung von Reservekraftwerken und insbesondere Notstromgruppen als Netzreserve stellt daher ein grosses Entgegenkommen der Betreiber dar. Die damit einhergehenden Investitionskosten und auch der entstehende Nutzen sind somit grundsätzlich Sache der Eigentümer. Es gilt die betreffenden Unternehmen mittels attraktiver Anreize für eine Teilnahme zu motivieren.

Sowohl die Vergütung als auch die Entschädigung für die Zurverfügungstellung der Winterstromreserve muss attraktiv ausgestaltet sein. Es gilt zu verhindern, dass ein Einbezug der Anlagen in das Emissionshandelssystem (EHS) diese Attraktivität, d.h. den Ertrag, deutlich schmälert. Wichtig ist auch, dass jegliche zukünftige Kapazitätserweiterungen ausgeschrieben werden. Für weitere Reservekraftwerke sollen zwingend, und nicht nur in der Regel, Auktionen durchgeführt werden.

Bisher noch zu wenig beachtet wird in der vorliegenden Verordnung das Potenzial von Notstromaggregaten. Koordiniert eingesetzt, könnten diese einen wichtigen Beitrag zur Vermeidung einer schweren Mangellage leisten. Die Handelskammer fände es sinnvoll einen entsprechenden Pool für den Eigenbedarf, welcher das Potenzial der Reservekraftwerke erweitert, aufzubauen. Um dieses Potenzial im Ernstfall auch nutzen zu können, braucht es aber zusätzlich eine temporäre Anpassung der Luftreinhalteverordnung (LRV). Notstromaggregate, welche Teil der ergänzenden Reserve sind, müssten von der zeitlichen Begrenzung der Betriebszeit von 50 Stunden pro Jahr ausgenommen werden, wie dies für die eigentlichen Reservekraftwerke vorgesehen ist. Sobald es die Versorgungslage zulässt, sollen für diese Anlagen jedoch die gleichen gesetzlichen Grundlagen gelten wie für die bestehenden.

Weiteres Potenzial machen wir auf der Verbraucherseite aus. Wir fordern der Thematik «abschaltbare Lasten» auch in der Winterreserverordnung Rechnung zu tragen und für die grössten Verbraucher einen markgerechten Anreiz zur Einsparung zu schaffen. Dieser Ansatz könnte nicht nur zu einem geringeren Verbrauch, sondern unter den richtigen Voraussetzungen auch zu reduzierten Kosten führen.

Die Finanzierung dieser erweiterten Winterstromreserve durch eine Anpassung des Netznutzungsentgelts halten wir im Sinne des Verursacherprinzips für gerechtfertigt.
Bei der Ausgestaltung der Vereinbarungen mit Betreibern von Reservekraftwerken bitten wir auf Einheitlichkeit zu achten, sodass möglichen Diskriminierungen vorgebeugt werden kann.

Die temporären Lockerungen betreffend Vorschriften zum Lärmschutz und zur Luftreinhaltung sowie der Vorschriften insbesondere betreffend Bau und Erschliessung, sind im Sinne eines Learnings zu dokumentieren und im Nachhinein zu analysieren. Aufwendige Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie strenge Vorschriften führen in der Praxis häufig zu einem Verzug oder der Verunmöglichung von Projekten. Es ist daher zu prüfen, ob und inwiefern temporäre Lockerungen auch langfristig und ordentlich Anwendung finden könnten.
Die Massnahmen sind temporär ausgestaltet, was angesichts der akuten Situation sinnvoll ist. Langfristig braucht es ein Zusammenspiel von Versorgungssicherheit, Ökologie und Wirtschaftlichkeit im Energiesystem. Nur eine sichere, saubere und bezahlbare Energie sehen wir als tatsächlich nachhaltig an. Damit wir dieses Ziel erreichen können, müssen die Planungs- und Genehmigungsverfahren optimiert werden, um sowohl den Ausbau der erneuerbaren Energien als auch die saisonale Speicherung voranzutreiben. Die Arbeiten am Stromabkommen mit der Europäischen Union müssen prioritär und unabhängig vom Rahmenabkommen fortgeführt werden.

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