Biodiversitätsstrategie des Kantons Basel-Stadt

29.07.2022

Der Biodiversität kommt nicht nur eine grosse ökologische, sondern auch eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung zu. Ein effektiver, aber auch effizienter Schutz der Biodiversität ist deshalb wichtig. Gleichzeitig darf dieser Schutz keine unverhältnismässigen Nutzungseinschränkungen nach sich ziehen. Mit der kantonalen Biodiversitätsstrategie legt der Regierungsrat ein umfassendes Koordinationsinstrument vor. Die Handelskammer beider Basel unterstützt die darin aufgeführte Massnahme zur Prüfung eines Ersatzmassnahmenpools als sinnvolles marktnahes Instrument. Dieses muss zwingend grenzüberschreitend gedacht und zusammen mit Akteuren aus der Wirtschaft konzipiert werden. Insgesamt halten wir die Biodiversitätsstrategie jedoch in der vorliegenden Form für unausgewogen und lehnen sie daher entschieden ab. Das Strategiepapier weist keine Mechanismen zur Interessenabwägung, d.h. zur Berücksichtigung weiterer legitimer, insbesondere wirtschaftlicher Interessen auf. Gleichzeitig sind die meisten in der Strategie enthaltenen Massnahmen sehr vage formuliert, was eine detaillierte Einschätzung ihrer Auswirkungen verunmöglicht. Dadurch verschlechtert sich die Planungs- und Rechtssicherheit von Investoren und Unternehmern in Basel-Stadt.

Zusammenfassung der Hauptforderungen

Die Handelskammer beider Basel stellt folgende Forderungen an den Regierungsrat:
• Die einzelnen Massnahmen des Aktionsplans müssen konkreter ausformuliert werden. Deren potenzielle Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft sind ähnlich einer Regulierungsfolgenabschätzung aufzuzeigen.
• Eine angemessene Interessenabwägung zum Austarieren aller legitimen Interessen (Biodiversität, Klimaschutz, Nutzungsinteressen der Wirtschaft und der Bevölkerung, etc.) soll als strategischer Grundsatz in die Strategie integriert werden. Der Regierungsrat soll dazu einen effektiven Mechanismus konzipieren. Eine wirksame Interessenabwägung soll namentlich bei der Unterschutzstellung von Flächen durchgeführt werden.
• Die Anforderungen an den Ersatz und die Wiederherstellung von wertvollen Flächen sind liberal und unter Berücksichtigung der legitimen Nutzungsinteressen auszugestalten. Dabei müssen klare Spielregeln aufgestellt werden, die für alle Parteien verbindlich sind.
• Bei der Konzeption eines Ersatzmassnahmenpools sollen interessierte Wirtschaftsverbände miteinbezogen werden. Diese Massnahme muss unabhängig von einer Biodiversitätsstrategie dringend umgesetzt werden. Der Perimeter für Ersatz muss grenzüberschreitend gedacht werden (funktionaler Naturraum).
• Bei der Vernetzung von Biotopen müssen Nutzungseinschränkungen auf ein verhältnismässiges Mass reduziert werden. Übergeordnete Interessen wie die Verfügbarmachung von wichtigen Wirtschafts- und Logistikflächen sowie die Kapazitätserweiterung von Verkehrsinfrastrukturen müssen angemessen berücksichtigt werden. Dies nicht zuletzt bei Verkehrsprojekten, welche zur Verlagerung von der Strasse auf die Schiene beitragen und damit einen Beitrag an die Klimaziele leisten.
• Die Umsetzung von Zielwerten zu Grün-, Freiraum- und Biodiversitätsflächen bei Arealentwicklungen muss möglichst liberal ausgestaltet werden und den Entwicklern ein angemessenes Mass an Flexibilität belassen.

Ausgangslage

Der Biodiversität kommt grosse ökologische, aber auch eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung zu. Eine intakte Natur ist Voraussetzung für eine hohe Lebensqualität und nachhaltiges Wirtschaften. Einige Branchen sind unmittelbar an biologische Vielfalt und intakte Ökosysteme gebunden, darunter die Pharma- und die Kosmetikindustrie, der Tourismus und die Wasserkraftwerke. Ein effektiver Schutz der Biodiversität ist deshalb auch aus wirtschaftlicher Sicht wichtig.

Gleichzeitig darf dieser Schutz keine zusätzlichen, unverhältnismässigen Nutzungseinschränkungen nach sich ziehen. Denn bereits heute beobachten wir tiefgreifende Nutzungseinschränkungen durch den Natur- und Heimatschutz. Weitere restriktive Schutzbedingungen und striktere Biodiversitätsauflagen würden sich negativ auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Basel auswirken. Vor dem Hintergrund des zunehmenden Bevölkerungs- und Arbeitsplatzwachstums in der Region Basel werden Naturschutz und Nutzungsinteressen im dichtbesiedelten Stadt-Kanton vermehrt konfligierend aufeinandertreffen. Es braucht deshalb sorgfältig austarierte Mechanismen, welche zum Schutz der Biodiversität beitragen und zugleich die Flächenbedürfnisse der Unternehmen nicht einschränken.

Bereits heute engagieren sich viele Unternehmen für die Biodiversität. So setzten beispielsweise Immobilieninvestoren auf innere Verdichtung und minimieren so die Versiegelung von zusätzlichen Bodenflächen. Die Biodiversität fördern sie in ihren Bauprojekten – etwa mit naturnaher Umgebungsgestaltung sowie Dach- und Fassadenbegrünungen. Einzelne Energieinfrastrukturen werden so konzipiert, dass sie als Korridore für Flora und Fauna dienen können. Auch die Investitionsentscheidungen bei der Finanzierung von Infrastrukturen wirken sich auf die Biodiversität aus. Diese Biodiversitätsleistungen der Wirtschaft sind von der Politik anzuerkennen. Die Unternehmen sind bereit, ihre Verantwortung zu übernehmen. Bei der Umsetzung und konkreten Ausgestaltung brauchen diese jedoch Handlungsfreiheit zur kreativen Umsetzung und eben keine strikten Vorschriften seitens der Behörden.

Konzeption

Mit der Vernehmlassungsvorlage legt der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt den Entwurf der behördenverbindlichen kantonalen Biodiversitätsstrategie inklusive Aktionsplan vor. Das Papier soll die nationalen und internationalen Vorgaben auf die Verhältnisse des Kantons Basel-Stadt übersetzen und allen Stakeholdern für die nächsten vier bis acht Jahre als Leitlinie und Umsetzungsinstrument für die Arbeiten im Bereich Biodiversität dienen. Dabei berücksichtigt das Dokument die bereits bestehenden Teilstrategien des Kantons wie auch der Gemeinden Riehen und Bettingen.

Die Biodiversitätsstrategie enthält sieben Handlungsfelder, 27 Massnahmen und fünf strategische Grundsätze. Letztere lauten wie folgt:

1. Schützen, aufwerten, fördern
2. Überwachen, priorisieren, kontrollieren
3. Steuern, gestalten
4. Interdisziplinär, überregional arbeiten und handeln
5. Informieren, bilden / sensibilisieren, motivieren

Unter den Massnahmen werden bereits laufende, wie auch neue Projekte aufgeführt. Für die neuen Massnahmen weist die Strategie geschätzte externe Kosten von knapp drei Millionen Franken aus.

Gesamtwürdigung

Die Handelskammer beider Basel begrüsst es grundsätzlich, dass der Regierungsrat mit der vorliegenden Strategie ein Instrument zur Koordinierung der Anstrengungen zur Erhaltung der Biodiversität schafft. Dies vor dem Hintergrund, dass auch die Wirtschaft auf ein funktionierendes Ökosystem und eine intakte Biodiversität angewiesen ist. Entsprechend teilen wir grundsätzlich auch die meisten Ziele der Strategie – etwa den Schutz von Flora und Fauna, ein minimiertes Vorkommen von invasiven Arten, den Schutz der Lebensräume etc. Zentral ist jedoch aus unserer Sicht, auf welche Weise diese Ziele umgesetzt werden und wie mit daraus erwachsenden Zielkonflikten, insbesondere mit wirtschaftlichen Interessen, umgegangen wird.

Die Handelskammer beider Basel hält die Biodiversitätsstrategie in der vorliegenden Form für unausgewogen und bedauert, dass diese über einen zu engen, monothematischen Fokus verfügt.
Das Strategiepapier weist keine Mechanismen zur Interessenabwägung, d.h. zur Berücksichtigung weiterer legitimer Interessen – beispielsweise im Zusammenhang mit der Energiestrategie des Bundes oder mit dem Ziel der inneren Verdichtung von Siedlungsgebieten – auf und berücksichtigt damit die weiteren Bedürfnisse der Bevölkerung und der Unternehmen zu wenig. Dies obwohl auch der Anzug Grossenbacher (18.5028), welcher dem Regierungsrat den Auftrag zur Erarbeitung einer Biodiversitätsstrategie erteilte, den Einbezug weiterer Politikfelder (Raumplanung, Bildungspolitik, Stadtentwicklung, Verkehrsplanung, Wirtschaftspolitik) forderte.

Gerade bei grösseren Infrastrukturprojekten müssen unterschiedliche Aspekte berücksichtigt werden. Neben der Biodiversität sind dies u.a. der Klimaschutz, die Nutzungsinteressen der Bevölkerung oder die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens. Das Projekt für ein trimodales Containerterminal «Gateway Basel Nord» zeigt auf, dass ein eindimensionales Verständnis von Naturschutz den Ansprüchen an Nachhaltigkeit im grösseren Kontext nicht gerecht wird. Um die verschiedenen Bedürfnisse miteinander in Einklang zu bringen, wird eine unvoreingenommene Interessenabwägung und eine Gesamtschau aller relevanter Aspekte benötigt. Dies sollte denn auch als strategischer Grundsatz in die kantonale Biodiversitätsstrategie integriert werden. Eine solche Interessenabwägung würde dazu beitragen, dass Massnahmen zum Schutz der Biodiversität bei allen beteiligten Akteuren auf grössere Akzeptanz stossen und damit nachhaltiger wirken.

Allgemein muss davon ausgegangen werden, dass einige der im Aktionsplan vorgeschlagenen Massnahmen potenziell gravierende Nutzungseinschränkungen – beispielsweise bei der Umsetzung von Bauprojekten – nach sich ziehen können. So etwa die Unterschutzstellung von Flächen (Massnahme 1.2), die Anforderungen an Ersatzflächen (M1.3), die Aufwertung von Biotopverbundachsen (M2.2) oder die Zielwerte für Arealentwicklungen (M4.1). Generell sind liberale Anreize zum Schutz der Biodiversität Verboten und Auflagen sowie den daraus folgenden Nutzungseinschränkungen vorzuziehen. Heute sind die Anreize bedauerlicherweise so gesetzt, dass aus Sorge um eine dauerhafte Inventarisierung verhältnismässig wenig freiwilliger Naturschutz stattfindet. Wenn Rechtssicherheit und entsprechende Anreize vorhanden wären, würden sich Firmen auch ohne restriktive Massnahmen vermehrt in der Aufwertung von naturnahen Flächen engagieren.

Gleichzeitig sind die meisten Massnahmen sehr vage formuliert, was eine detaillierte Einschätzung ihrer Auswirkungen verunmöglicht. Dadurch wird den an der Vernehmlassung teilnehmenden Akteuren eine informierte Stellungnahme erschwert. Dies ist besonders stossend, da es sich bei der Strategie aufgrund ihrer Behördenverbindlichkeit um ein sehr starkes Instrument handelt. Zudem kann das Fehlen des Grundsatzes der Interessenabwägung in Kombination mit den unklar formulierten Massnahmen dazu führen, dass die Verwaltung und monothematische Interessenvertreter die verabschiedete Strategie als Legitimation zur Durchführung von unverhältnismässigen Massnahmen wahrnehmen. Dies gilt es durch die Ausbesserung der erwähnten Aspekte zu verhindern. Keinesfalls darf die behördenverbindliche Biodiversitätsstrategie zu einem Freibrief für einseitige Massnahmen zulasten von Wirtschaft und Bevölkerung führen.


Strategische Grundsätze


Wie oben ausgeführt, fordern wir, dass ein zusätzlicher strategischer Grundsatz mit Querschnittscharakter eingeführt wird, wonach bei der Umsetzung von Biodiversitätsmassnahmen jeweils eine Interessenabwägung durchgeführt wird. Hierbei sollen in Fällen mit weiter Tragweite neben den entsprechenden Fachstellen der Verwaltung auch die entscheidenden Akteure aus Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft angemessen einbezogen werden.

Dieser Grundsatz müsste als Rahmen, innerhalb dessen sich die weiteren Grundsätze bewegen können, konzipiert werden. So soll etwa der Grundsatz «Schützen, aufwerten, fördern», welcher u.a. als Grundlage für die Schaffung und Förderung neuer Flächen mit hohem Naturwertpotenzial dient, durch das Prinzip der Interessenabwägung beschränkt werden. Es dürfen nur dort neue potenziell geschützte Flächen entstehen, wo dies keine wichtigen Nutzungsinteressen unverhältnismässig einschränkt. Fokussierung des Schutzes auf wenige wichtige Objekte, statt eine grossangelegte Unterschutzstellung muss das Ziel sein. Insbesondere bei der Nutzung zur Produktion von erneuerbaren Energien, was im Rahmen der Energiestrategie des Bundes als «nationales Interesse» eingestuft wurde, dürfen Biodiversitätsinteressen nur im Ausnahmefall höher gewichtet werden. Die dadurch verbesserten Realisierungschancen von nachhaltigen Energieprojekten würden der langfristigen Gewährleistung der Versorgungssicherheit zugutekommen und wären gleichzeitig elementar zur Realisierung der Energiestrategie des Bundes. Zudem ist eine Dekarbonisierung der Energieproduktion global gesehen auch ein Beitrag zur Biodiversität. Wir fordern den Regierungsrat deshalb auf, einen Mechanismus zur Interessenabwägung zu konzipieren und als strategischen Grundsatz in die Vorlage zu integrieren.

Das in Grundsatz 3 verankerte Steuern der Nutzung von «privaten Flächen (z.B. über Bauvorhaben) und des Freizeitverhaltens mittels geeigneter Lenkung der Besuchenden», lehnen wir aus ordnungspolitischen Gründen ab.

Aktionsplan mit Massnahmen

Wir lehnen den Aktionsplan in der vorliegenden Form entschieden ab. Dies, weil die einzelnen Massnahmen wie oben erwähnt so knapp und vage formuliert werden, dass eine ernsthafte Einschätzung ihrer Auswirkungen verunmöglicht wird. Wir fordern den Regierungsrat deshalb auf, die einzelnen Massnahmen konkreter auszuformulieren und deren potenzielle Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft ähnlich einer Regulierungsfolgenabschätzung aufzuzeigen. In der Folge äussern wir uns zu einigen ausgewählten Massnahmen, bei welchen unserer Einschätzung nach ein besonderes Risiko für Nutzungseinschränkungen besteht.

Erhalt und Förderung der Biodiversität

Dieses gebietsübergreifende Massnahmenpaket hat unseres Erachtens mitunter das grösste Potenzial, zu gravierenden Nutzungseinschränkungen zu führen. Dies gilt insbesondere für die Massnahmen 1.2 und 1.3. So führt die Unterschutzstellung von Flächen (M1.2) dazu, dass diese für bestimmte Nutzungen nicht mehr verfügbar sind. Sie sollen explizit der «Überbauung bzw. der baulichen Verdichtung» entzogen werden. Bei Flächen, welche keiner wirtschaftlichen oder sonstigen intensiven gesellschaftlichen Nutzung dienen, mag dies unproblematisch sein und einen Beitrag zum Schutz der Biodiversität leisten. Diese Massnahmen dürfen jedoch nicht dazu führen, dass die kantonale Verwaltung – ohne eine angemessene Interessenabwägung und die Anhörung der relevanten Akteure – einen Freibrief für die Unterschutzstellung von Flächen erhält, welche für anderweitige Nutzungen attraktiv sind. Wir fordern, dass dies in der Massnahme 1.2 entsprechend festgehalten wird. Zudem sehen wir es als nicht zielführend an, wenn künstlich geschaffene Lebensräume – etwa Kiesgruben – unter Schutz gestellt werden und damit wichtige wirtschaftliche Nutzungen verunmöglicht werden. Die vor allem, wenn solche Gebiete auch an einem anderen, weniger nutzungsintensiven Ort nachgebildet werden können.

Massnahme 1.3 soll die Anforderungen an Ersatz, Wiederherstellung und ökologischen Ausgleich präzisieren. Es werden Grundanforderungen, Standards, Bewertungsmethoden, Qualitätsansprüche sowie Typen möglicher Ersatz- und Ausgleichsmassnahmen definiert und eine Broschüre für Fachleute und die interessierte Öffentlichkeit publiziert. Wir begrüssen, dass damit mehr Kohärenz, Transparenz sowie die Einführung einer Bewertungsmethode, welche besser auf die urbanen Verhältnisse abgestimmt und einfacher in der Handhabung ist, ermöglicht werden sollen. Wir teilen die Einschätzung, dass das Spannungsfeld zwischen Naturschutz und der intensiver werdenden Nutzung, insbesondere vor dem Hintergrund des zunehmenden Bevölkerungs- und Beschäftigungswachstum, einer geregelten Koordination bedarf. Wir fordern diesbezüglich jedoch, dass die Anforderungen an den Ersatz und die Wiederherstellung von wertvollen Flächen liberal ausgestaltet werden. Dabei müssen klare Spielregeln aufgestellt werden, die für alle Parteien verbindlich sind. Ersatz und Wiederherstellung müssen finanziell tragbar und rechtlich umsetzbar sein. Es darf nicht sein, dass Projekte verunmöglicht werden, indem das Ausscheiden von Ersatzflächen verhindert wird. Es muss für die Unternehmen, welche Arbeitsplätze und volkswirtschaftliche Wertschöpfung generieren oder für die Gesellschaft essenzielle Leistungen – etwa im Transport- oder Mobilitätsbereich (beispielsweise Gateway Basel Nord) – erbringen, möglich sein, die Parzellen mit einem angemessenen Ressourcen- und Zeitaufwand zu überbauen. Gleichzeitig muss eine interkantonale Abstimmung der Anforderungen erfolgen. Denn Bauherren im Kanton Basel-Stadt stehen bereits heute aufgrund der begrenzten Platzverhältnisse vor einer schwierigen Situation bezüglich Ausgleichs- und Ersatzmassnahmen. Höhere Anforderungen als in den benachbarten Kantonen würden einer zusätzlichen Benachteiligung gleichkommen.

Des Weiteren werden Grundeigentümer und Entwickler durch bereits existierende planerische Auflagen, politische Forderungen nach weiteren Vorschriften (Stichwort Initiative «Basel baut Zukunft»), langsame Verwaltungsprozesse oder Mehrwertabgaben bei Arealentwicklungen stark herausgefordert. Damit das allseits geforderte Verdichten nach innen dennoch möglich bleibt, darf die Belastung von Investoren und Unternehmen durch die Biodiversitätsstrategie nicht weiter zunehmen. Dies ist auch im Sinne der Biodiversität. Denn verdichtetes Bauen verhindert die für die Biodiversität schädliche Zersiedelung und die zusätzliche Versiegelung von Flächen.

Unter M1.3 fungiert ebenfalls die Prüfung eines Ersatzmassnahmenpools. Dies begrüssen wir explizit, sofern das Projekt so umgesetzt wird, wie wir dies aufgrund von Hintergrundgesprächen verstehen. 1) Es muss deshalb auch unabhängig von der Biodiversitätsstrategie dringend umgesetzt werden. Bereits heute besteht auf der Grundlage von Art. 9 des Natur- und Landschaftsschutzgesetz des Kantons Basel-Stadt sowie von Art. 13 der Natur- und Landschaftsschutzverordnung die Regelung, wonach bei der Überbauung von für die Biodiversität wertvollen Flächen mittels eines Punktesystems derselbe Naturwert an anderer Stelle wiederhergestellt werden muss. Zurzeit sind diese Punkte nicht handelbar. Um der Erhaltung von für die Biodiversität wertvollen Flächen einen adäquaten Preis zuzuordnen und die Flexibilität der Raumplanung zu erhöhen, wäre eine «Börse» der Biodiversitätspunkte jedoch zielführend. Dies möchte der Kanton unserem Verständnis nach prüfen. Dieses Ansinnen unterstützen wir dezidiert, da wir es für eine marktnahe, liberale Lösung halten. Wir sind der Ansicht, dass ein gut konstruiertes Biodiversitätsflächenhandelssystem erfolgversprechender ist als restriktive Schutzbestimmungen. Ein solches Instrument haben wir bereits im Februar 2021 im Rahmen der Stellungnahme zum Areal Wolf gefordert.

Der Ersatzmassnahmenpool könnte analog dem Emissionshandelsprinzip umgesetzt werden. Dadurch entstünden etwa Anreize, brachliegende Flächen zu renaturieren und dafür Biodiversitätspunkte zu erwerben. Diese Punkte könnten dann an Investoren, die ein Bauvorhaben an einer anderen Stelle umsetzen möchten, verkauft werden. Es sollte dabei eine Zusammenarbeit über Kantons- und Landesgrenzen hinweg geprüft werden. Dadurch könnten auch Flächen in weniger urban geprägten Gebieten angerechnet werden. Dies würde beispielsweise den Bau von grösseren Infrastrukturprojekten ermöglichen. So kann die Biodiversität dort gefördert werden, wo dies am einfachsten und effizientesten umsetzbar ist. Damit würde der Ausgleich der verschiedenen Interessen erleichtert. Um eine Umsetzung zu ermöglichen, die auch tatsächlich einen Mehrwert für Bauvorhaben bietet, fordern wir den Regierungsrat auf, interessierte Wirtschaftsverbände in den Prozess der Konzipierung des Ersatzmassnahmenpools miteinzubeziehen.

Sicherung, Erweiterung und Förderung der ökologischen Infrastruktur

Gemäss Massnahme 2.2 sollen bestehende Vernetzungsachsen zwischen einzelnen Biotopen aufgewertet und unvollständige ergänzt werden. Damit soll laut der Strategie auch die Trennwirkung von Verkehrsinfrastrukturen «durch entsprechende Massnahmen» für bodenwandernde Tiere vermindert werden. Die Aufwertung und Ergänzung der ökologischen Infrastruktur werde laufend bei Bauprojekten und Arealentwicklungen einverlangt.

Dies stellt eine Zusatzbelastung für diese Bauvorhaben dar. Die Einschränkungen müssen sich deshalb auf ein verhältnismässiges Mass reduzieren. Übergeordnete Interessen wie die Verfügbarmachung von wichtigen Wirtschafts- und Logistikflächen sowie die Kapazitätserweiterung von Verkehrsinfrastrukturen müssen angemessen berücksichtigt werden. Dies nicht zuletzt bei Verkehrsprojekten, welche zur Verlagerung von der Strasse auf die Schiene beitragen und damit einen Beitrag an die Klimaziele leisten.

Erhalt und Förderung der Biodiversität im Siedlungsgebiet

Entwickler und Investoren haben grundsätzlich ein Interesse daran, ein ausreichendes Angebot an Freiflächen sowie die Schaffung einer naturnahen Umgebung zur Steigerung der Attraktivität für die Bewohnerinnen und Bewohner sowie für die Arbeitnehmenden anzubieten. Sie unternehmen deshalb bereits heute Anstrengungen zur Aufwertung von Naturflächen auf Ihren Arealen. Ein Beispiel ist die Gestaltung des Parks Süd und weiterer Grünflächen auf dem Novartis Campus.

Massnahme 4.1 soll nun Zielwerte zu Grün-, Freiraum- und Biodiversitätsflächen bei Arealentwicklungen umsetzen. Eine restriktivere Umsetzung der Zielwerte in den genannten Bereichen bedeutet jedoch eine grosse Zusatzbelastung bei der Entwicklung von Arealen. Kluge Anreize sowie fachliche Unterstützung bzw. die Vermittlung von Fachexpertise zur Umsetzung von Aufwertungsmassnahmen sind dabei wesentlich zielführender als strikte Vorschriften. Die Umsetzung der Zielwerte muss deshalb möglichst liberal ausgestaltet werden und den Entwicklern ein angemessenes Mass an Flexibilität für kreative Lösungen belassen. Ansonsten bleibt das grosse Potenzial an brachliegenden und in Transformation stehenden Flächen ungenutzt und die allseits geforderte Verdichtung nach innen wird zunehmend erschwert. Diese wäre jedoch auch im
im Sinne der Biodiversität. Denn verdichtetes Bauen verhindert die für die Biodiversität schädliche Zersiedelung und die zusätzliche Versiegelung von Flächen.

Erhalt und Förderung der Biodiversität in gewässergebundenen Lebensräumen

Bei Massnahmen zur Förderung der Biodiversität in gewässergebundenen Lebensräumen müssen die Nutzungsinteressen der davon betroffenen Grundstückeigentümer angemessen berücksichtigt werden.

Fazit

Da auch die Wirtschaft auf ein funktionierendes Ökosystem und eine intakte Biodiversität angewiesen ist, begrüsst die Handelskammer beider Basel Anstrengungen zum Schutz der Biodiversität grundsätzlich. Dennoch kann sie die Biodiversitätsstrategie des Kantons Basel-Stadt in der aktuellen Form nicht unterstützen. Dies unter anderem aufgrund der fehlenden Interessenabwägung und der unklaren Formulierungen der im Aktionsplan enthaltenen Massnahmen.

Für eine zielführende Stärkung der Biodiversität und des Landschaftsbildes braucht es nicht weitere Auflagen, Nutzungseinschränkungen oder Schutzflächen, sondern innovative Förderungsmassnahmen. Die Unternehmen sind bereit, ihre Verantwortung zu übernehmen. Strikte Vorschriften seitens der Behörden sind dazu jedoch der falsche Weg. Wir bitten den Regierungsrat daher, unsere Forderungen zu prüfen und das Dokument entsprechend anzupassen.

Gerne sind wir als Handelskammer beider Basel bereit, im Rahmen unserer Möglichkeiten an der Ausgestaltung wichtiger Biodiversitäts-Massnahmen, insbesondere des Ersatzmassnahmenpools und des strategischen Prozesses der Interessenabwägung, mitzuwirken.

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1) Über das Projekt des Ersatzmassnahmenpools wird in der Strategie nichts weiter als der Begriff selbst bekanntgegeben. Was damit gemeint ist, wird der Fantasie des Lesers oder der Leserin überlassen. Ein weiterer Grund dafür, die geplanten Massnahmen klarer auszuformulieren.

Biodiversitätsstrategie des Kantons Basel-Stadt

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