Stellungnahmen zu den Grossratssitzungen vom 10. und 17. November 2021

05.11.2021

Die Handelskammer beider Basel nimmt zu diversen Traktanden der Grossratssitzungen vom 10. und 17. November 2021 Stellung.

Traktandum 5: Bericht der Gesundheits- und Sozialkommission zum Ratschlag betreffend Staatsbeitrag an das lnstitute of Molecular and Clinical Ophthalmology Basel (IOB) für die Jahre 2022-2025

Das Institute of Molecular and Clinical Ophthalmology Basel (IOB), ist ein laufendes Leuchtturmprojekt für den Life Sciences Cluster Basel. Das Ende 2017 gegründete Forschungsinstitut und als Stiftung konstituierte IOB wurde vom Universitätsspital Basel (USB), der Universität Basel (Universität) und von Novartis gegründet. An der Seite des IOB steht ein Scientific Advisory Board, welches die wissenschaftliche Leistung unabhängig evaluiert. Das Institut verfolgt das Ziel, Augenkrankheiten besser zu verstehen, um Behandlungen für diese zu entwickeln und die betroffenen Patientinnen und Patienten zu heilen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist ein substanzielles Forschungsinvestment notwendig. Novartis ist bereit, 10 Mio. Franken pro Jahr einzubringen. Das USB und die Universität wiederum haben sich verpflichtet, dazu 3 bzw. 2 Mio. Franken pro Jahr beizutragen. Um die hälftige öffentliche Beteiligung sicherzustellen, soll also der Kanton Basel-Stadt jeweils den Beitrag des USB und der Universität verdoppeln. Die auf maximal 25 Prozent festgelegte kantonale Beteiligung bedeutet 5 Mio. Franken pro Jahr. Es handelt sich um die zweite Etappe der bisherigen Staatsbeiträge. Bereits 2018 wurde dargelegt, dass die finanzielle Unterstützung des IOB durch den Kanton Basel-Stadt voraussichtlich während der ersten zehn Betriebsjahre (2018–2027) in Anspruch genommen werden muss und das IOB entsprechende Anschlussgesuche für die Jahre 2022–2025 sowie für die Jahre 2026–2027 stellen wird.

Wir bitten Sie daher, den Staatsbeitrag für die Jahre 2022 bis 2025 zu bewilligen.

Traktandum 8: Bericht der Umwelt-, Verkehrs- und Energiekommission zum ÖV-Programm 2022-2025 sowie zum Vernehmlassungsbericht ÖV-Programm 2022-2025

Im ÖV-Programm 2022 – 2025 werden wichtige strategische Schwerpunkte gesetzt. So soll etwa die Multimodalität vermehrt gefördert und bestehende Mobilitätsformen mit neuen Angeboten der Mikromobilität (E-Velos und E-Trottinettes) ergänzt werden. Auch wird dem wichtigen Ausbau der trinationalen S-Bahn Basel die entsprechende Bedeutung zugewiesen. Jedoch bestehen aus Sicht der Handelskammer gegenüber dem ÖV-Programm noch gewichtige Vorbehalte. So wird im Programm der Nutzen des ÖV-Ausbaus für die Erschliessung von Entwicklungsarealen noch kaum berücksichtigt. Dies ist angesichts der Bedeutung dieser Flächen für die Wirtschaft besonders stossend. Zudem muss der Kongruenz zwischen der S-Bahn Planung und dem Ausbau des Tramnetzes stärkere Beachtung geschenkt werden. Dies ist entscheidend, um die künftige Leistungsfähigkeit der trinationalen S-Bahn und des gesamten ÖV-Systems der Region Basel zu optimieren. Auch stehen wir der geplanten Tramlinie zur Entlastung der Buslinie 30 äusserst kritisch gegenüber. Die möglichen Linienführungen sind begrenzt und hätten einen hohen Anteil neu zu errichtender Strecken zur Folge. Es ist absehbar, dass es hierbei zu teils erheblichen Behinderungen anderer Verkehrsmittel kommen würde, welche bereits heute auf den in Frage kommenden Streckenabschnitten verkehren. Diese Bedenken werden wir im Rahmen des nächsten Berichts zur Tramnetzentwicklung erneut zum Ausdruck bringen. Wir fordern den Regierungsrat auf, die genannten Anliegen bei der konkreten Umsetzung der Verkehrsprojekte zu berücksichtigen. Da das ÖV-Programm 2022 – 2025 trotz der oben genannten Bedenken wichtige strategische Schwerpunkte setzt, ist es schliesslich zu befürworten.

Wir bitten Sie, den Beschlussentwurf der UVEK anzunehmen.

Traktandum 17.4: Michael Hug und Tobias Christ betreffend freiwillige Abgabe auf Flugtickets und CO2-Reduktionen am EAP fördern

Der EuroAirport verkündete am 5. Oktober 2021 seine Partnerschaft mit der Plattform myclimate. Interessierten Personen ist es möglich den CO2-Fussabdruck eines Fluges ab dem EuroAirport sowie den notwendigen Betrag zur Kompensation mit geringem Aufwand zu ermitteln. Der Rechner ist auf der Website des Flughafens verlinkt. Dieses Angebot ermöglicht die freiwillige Kompensation von CO2-Emissionen durch Flüge und entspricht damit dem im Anzug angeregten Ansatz. Zu betonen ist ausserdem, dass die grösste am EuroAirport tätige Passagier-Airline EasyJet bereits seit rund zwei Jahren sämtliche CO2-Emissionen ihrer Flüge freiwillig kompensiert.

Wir bitten Sie den Anzug nicht zu überweisen.

Traktandum 17.22: Olivier Battaglia und Beat von Wartburg betreffend Digitalisierung der Bildungsvermittlung auf allen Stufen

Die Schulen stehen vor einer grossen Herausforderung bezüglich der rasch fortschreitenden Digitalisierung. Die Corona-Zeit hat jedoch Schwung in den digitalen Wandel in Bezug auf die Schulinfrastruktur gebracht. Diese Dynamik gilt es jetzt beizubehalten, denn noch immer zeigt der Digitalisierungsgrad von Schule und Wirtschaft teilweise besorgniserregend grosse Unterschiede auf. Wichtig ist, dass sich Kinder und Jugendliche von der Primarstufe bis zur Sekundarstufe II stufengerecht digitale Kompetenzen aneignen. Voraussetzung dafür ist einerseits die entsprechende Infrastruktur und andererseits sollen Lehrpersonen verpflichtet werden, sich weiterzubilden. Die Kantone müssen einen Weg finden, um die Weiterbildung in digitalen Kompetenzen trotz der Teilautonomie von Schulen verbindlich durchzusetzen. Mit dem vorliegenden Anzug wird der Digitalisierungsstand der Schulen, sowie die Aus- und Weiterbildungspläne von Lehrpersonen transparent aufgezeigt.

Wir bitten Sie, den Anzug zu überweisen.

Traktandum18: Stellungnahme des Regierungsrates zum Antrag Beat von Wartburg und Catherine Alioth auf Einreichung einer Standesinitiative betreffend Massnahmen für eine Vollassoziierung der Schweiz am Forschungsprogramm Horizon Europe

Mit dem Abbruch der Verhandlungen zum Rahmenabkommen ist nun auch die Teilnahme der Schweiz am weltweit grössten Forschungsprogramm in Gefahr. Das betrifft einerseits die universitäre  Forschungslandschaft aber eben auch die Forschungs- und Innovationsbestrebungen von Unternehmen. Es ist daher auch für den Wirtschafts- und Forschungsstandort Basel zentral, dass der Bundesrat schnellstmögliche Verhandlungen über die Assoziierung der Schweiz zu Horizon Europe aufnimmt. Das Thema Schweiz in der Europäischen Forschungslandschaft muss einen prioritären Platz auf der Agenda aller relevanter politischer Akteure erhalten.

Wir bitten Sie, dem Antrag des Regierungsrats und den Initianten zu folgen und die Standesinitiative zur sofortigen Erfüllung zu überweisen.

Traktandum 20: Motion der UVEK betreffend einen raschen Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Autos in Basel-Stadt

Die Handelskammer beider Basel unterstützt die Förderung von Ladestationen für E-Mobilität grundsätzlich. Die sehr umfassenden Forderungen der Kommissionsmotion betreffend eines raschen Ausbaus der Ladeinfrastruktur in Basel-Stadt beurteilen wir jedoch als übereilt und lehnen sie daher ab. Für einen so umfassenden Ausbau muss vorab eine Bedürfnisanalyse durchgeführt werden. Des Weiteren muss die Technologieneutralität weiterhin gewahrt bleiben. So setzen unsere Nachbarländer und vermehrt auch der Bund auf Wasserstoff als möglichen Speicher von Strom aus erneuerbaren Energien. Autos, die mittels Brennstoffzelle betrieben werden, und auf Wasserstoff als Antrieb angewiesen sind, existieren bereits. Auch die Möglichkeit «grünen Wasserstoff» zu synthetischem Kraftstoff weiterzuverarbeiten und ebenfalls CO2-neutral im Bereich des Individualverkehrs einzusetzen, existiert bereits. Es ist aus heutiger Sicht unklar, ob sich letztlich eine Antriebstechnologie durchsetzen wird oder ob es langfristig beide Antriebe (oder weitere) geben wird. Es gilt daher, bei den Fördermassnahmen nicht einseitig auf den batterieelektrischen Antrieb zu setzen und ein Überangebot zu schaffen.

Wir bitten Sie, die Motion dem Regierungsrat als Anzug zu überweisen.

Traktandum 24: Stellungnahme des Regierungsrates zur Motion Jürg Stöcklin und Konsorten betreffend Aufbruch ins Solarzeitalter – mehr Photovoltaik-Anlagen auf Basels Dächern und Fassaden

Die Handelskammer begrüsst den angestrebten Produktionsausbau erneuerbarer Energien im Stadtkanton. Die vorgeschlagene und sehr unflexible Pflicht zur Installation von Photovoltaikanlagen auf allen Gebäuden mit einer guten oder sehr guten Eignung lehnen wir aber ab. Ausgehend von den bestehenden Förderungsinstrumenten werden im Zuge von periodischen Sanierungsarbeiten ohnehin weitere Photovoltaikanlagen installiert. Wir befürchten, dass die vorgeschlagene Pflicht andere sinnvolle Dachnutzungen, wie beispielsweise Dachterrassen, technische Anlagen, Autoabstellplätze oder Biodiversitätsflächen benachteiligt und einen nicht angemessenen Eingriff in die Eigentumsrechte bedeutet. Eine regionale Umsetzung von effizienten und sinnvollen Projekten zur Förderung erneuerbarer Energien scheitert in der Praxis häufig an Einsprachen und Auflagen. Diese müssen angepasst werden, um Unternehmer, Investoren und private Bauherren bei ihren Vorhaben zu unterstützen.

Wir bitten Sie, die Motion nicht zu überweisen.

Traktandum 36: Anzug betreffend Pilotversuch mit Mobility Pricing in Basel-Stadt

Die Antwort des Regierungsrates auf den Anzug von David Wüest-Rudin und Konsorten betreffend Pilotversuch mit Mobility Pricing in Basel-Stadt skizziert das Projekt «Basel Flow-Taxe». Dieses ist – anders als von der Handelskammer beider Basel gefordert und vom federführenden Bundesamt für Strassen beabsichtigt – lediglich auf den MIV und nicht auf den öffentlichen Verkehr ausgelegt. Ein reines «Road Pricing-Modell» verspricht dabei einen geringen Erkenntnisgewinn, da somit nicht sämtliche Verkehrsträger aus der ursprünglichen Simulationsstudie in die empirische Anwendung einbezogen werden. Zudem fokussiert das Projekt ausschliesslich auf die Stadt Basel, obwohl die Auswirkungen auf die Gesamtregion umfassend wären. Um den Ansatz des Mobility Pricings unter realitätsnahen Bedingungen empirisch zu untersuchen, sollte daher das Umland als funktionaler Raum, d.h. kantons- und länderübergreifend, in den Untersuchungsperimeter eingeschlossen werden. Für das Pilotprojekt muss daher die regionale Zusammenarbeit mit den Nachbarkantonen sowie dem südbadischen Raum und dem Elsass, beispielsweise im Rahmen des Agglomerationsprogramms Basel, gesucht werden. In der vorliegenden Form können wir das Projekt «Basel Flow-Taxe» nicht unterstützen.

Wir bitten Sie, den Anzug abzuschreiben.

Traktandum 59: Stellungnahme des Regierungsrates zur Motion Edibe Gölgeli und Konsorten betreffend Offenlegung der Finanzierung von Parteien und Wahl- und Abstimmungskomitees

Als Wirtschaftsverband ist der Handelskammer beider Basel Transparenz wichtig. Transparenz ist jedoch kein Selbstzweck. Sie dient dazu Informationen offenzulegen, die für den Informationsempfänger relevant sind. Sie darf dabei aber nicht zur Scheintransparenz verkommen. So wird den Wahl- und Stimmberechtigten beispielsweise ein falsches Bild vermittelt, wenn nur ein Teil der Informationen über Politikfinanzierung offengelegt wird. Wie der Bundesrat in seiner Botschaft zur nationalen Transparenz-Initiative festgehalten hat, bietet eine Offenlegung der Finanzierung von Abstimmungs- und Wahlkämpfen keinen wesentlichen Mehrwert. Die Handelskammer teilt diese Haltung. Beschränken sich die Transparenzregelungen auf Einnahmen und Zuwendungen, wird ein wesentlicher Teil der Politikfinanzierung ausser Acht gelassen. So plädieren Wirtschaftsverbände immer wieder dafür, dass Arbeitgeber ihren Mitarbeitenden die notwendigen Freiräume zur Verfügung stellen, um ein politisches Amt auszuüben. Und gerade Interessenverbände und Gewerkschaften – aber auch der Staat selbst - stellen ihren Mitarbeitenden häufig Zeit und Infrastruktur für ein politisches Amt zur Verfügung. Nimmt man Transparenz ernst und will man verhindern, dass ein falsches Bild der Politikfinanzierung vermittelt wird, müssten auch diese Leistungen erfasst und offengelegt werden. Dies würde es für Arbeitgeber jedoch deutlich unattraktiver machen, ihren Mitarbeitenden Zeit oder Infrastruktur für ihr politisches Engagement bereitzustellen. Die Folge wären enorme Abgrenzungsprobleme und grosse bürokratische Aufwände. Die eingangs der Motion erwähnten Berichte, die die Schweiz mit anderen Ländern vergleichen, sind nicht statthaft. In vielen europäischen Ländern, wie z.B. Deutschland und Frankreich, sind die politischen Parteien zu grossen Teilen staatlich finanziert. Damit befinden sich die dortigen Parteien in einer kritischen finanziellen Abhängigkeit zum Staat, obwohl eine ihrer Hauptfunktionen dessen Kontrolle ist. Das politische System der Schweiz baut ganz wesentlich auf dem Milizprinzip auf. Die vorgeschlagene Regelung würde zwangsläufig einen beträchtlichen Verwaltungsaufwand und erhöhte Kosten verursachen. Abgrenzungsprobleme sind bereits jetzt absehbar. Ehrenamtlich engagierte Milizpolitikerinnen und -politiker müssten sich deshalb in ihrer Freizeit vermehrt mit unnötiger Bürokratie beschäftigen, statt ihre Zeit ihrer politischen Tätigkeit widmen zu können. Es ist offensichtlich, dass dies zu einem Verdruss führt, der den Mangel an Milizpolitikerinnen und -politikern weiter verschärfen wird. Die Handelskammer lehnt aus diesen Gründen die Motion auch weiterhin ab. Eine allfällige Transparenz-Regelung müsste sich klar an den neuen bundesrechtlichen Regelungen orientieren, um eine möglichst einheitliche und einfache Umsetzung zu gewährleisten.

Wir bitten Sie, die Motion nicht zu überweisen.

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