OECD-Steuerreform als Kampfansage an «Steueroasen»?

04.05.2021

Wer die erste Rede zur Lage der Nation von US-Präsident Joe Biden mit einer Schweizer Brille verfolgte, musste aufhorchen, als dieser Folgendes sagte: «Viele Unternehmen vermeiden Steuern durch Steueroasen von der Schweiz über Bermuda bis zu den Cayman-Islands.» Die OECD-Steuerreform darf nicht zum Ersatzspielfeld der US-amerikanischen Politik werden.

Die Schweiz auf eine Stufe gestellt mit Bermuda und den Cayman-Islands? Dieser Vergleich ist bei einer nüchternen Sicht auf die Standortbedingungen sachlich schlicht nicht haltbar. Finanzminister Ueli Maurer stellte dies gegenüber der US-Regierung erfreulicherweise sofort klar. Warum also dieses öffentliche Anprangern?

US-Innenpolitik als Treiber

Es wäre naiv zu glauben, Joe Biden oder seine Redenschreiber seien von James Bond-Filmen geprägt, in denen Geld für riskante Aktionen von einem Schweizer Banker vorbeigebracht werden. Vielmehr steht dahinter amerikanische Innenpolitik. Drei wesentliche Punkte sind dabei zu beachten:

Erstens hat Joe Biden nach dem Corona-Konjunkturpaket («American Rescue Plan») und dem Infrastrukturpaket («American Jobs Plan») inzwischen mit einem Sozialpaket («American Families Plan») bereits das dritte billionenschwere Reformpaket seiner noch jungen Amtszeit vorgelegt. Die drei Pakete bringen massive Mehrausgaben für den amerikanischen Staatshaushalt mit sich, die finanziert werden wollen.

Zweitens lässt sich nicht von der Hand weisen, dass die USA auch vor ihrer eigenen Türe wischen sollten. Es ist bekannt, dass der Bundesstaat Delaware – dessen Senator während 36 Jahren Joe Biden hiess – sehr attraktive steuerliche Standortbedingungen bietet und bei der Überprüfung der Herkunft der Gelder weit hinter Schweizer Anti-Geldwäscherei-Vorschriften zurückbleibt. Allerdings ist die Steuerpolitik in den USA sehr föderalistisch organisiert, sodass die Bundesregierung dem nur begrenzt entgegenwirken kann. Beispielsweise wie kürzlich geschehen, als der US-Kongress beschloss, dass die Herkunft von Geldern stärker überprüft werden müssen.

Drittens ist der innenpolitische Handlungsspielraum auch auf Bundesebene begrenzt. Steuererhöhungen auf Bundesebene müssen durch beide Kammern des Kongresses bewilligt werden. Im Senat fehlen Biden derzeit die notwendigen 60 Stimmen, um einen Filibuster – also die Blockade eines Geschäfts durch endloses Reden – zu überwinden. Es bleibt daher im Moment offen, wie viel von seinen ambitionierten Plänen Biden überhaupt durchsetzen können wird.

Auswirkungen auf die Schweiz und Basel

Und was hat das jetzt alles mit der Schweiz und der Region Basel zu tun? Weil es aufgrund der eben geschilderten Gründe schwierig sein wird, die nötigen finanziellen Mittel durch Steuererhöhungen im Inland zu beschaffen, kommt die internationale Steuerpolitik ins Spiel. Seit Jahren sind Bestrebungen im Gang, durch Mindeststeuersätze die Konkurrenz im internationalen Steuerwettbewerb zu begrenzen. Vordringliches Ziel ist es dabei, mehr Steuersubstrat für das eigene Land zu generieren. Die OECD verfolgt schon länger ein Reformprojekt, das einerseits Mindeststeuersätze für Unternehmen vorsieht und andererseits die Besteuerung von international tätigen Konzernen ändern will. Tendenziell profitieren von solchen Massnahmen primär Hochsteuerländer.

Mit der Wahl von Joe Biden haben diese Pläne eine neue Dynamik erhalten. Noch ist nicht klar, wie die Reform genau aussehen wird. Die Verhandlungen sind im Gang und haben sich zuletzt mehrfach verzögert. Doch es zeichnet sich ab, dass die Reform Auswirkungen auch auf die Schweiz haben wird. Als Standort mehrere international tätiger Unternehmen wäre die Region Basel ebenfalls davon betroffen.

Mit Round Table Handlungsspielraum ausloten

Die Handelskammer beider Basel will nicht warten, bis das Verhandlungsergebnis vorliegt. Wir haben deshalb bereits im Herbst 2020 einen regionalen Round Table ins Leben gerufen. An diesem kommen die Regierungen der beiden Basel, Vertretungen der hier ansässigen Unternehmen sowie Expertinnen und Experten beispielsweise aus der Bundesverwaltung zusammen. Wir wollen uns dadurch frühzeitig eine Meinung bilden und analysieren, welche Auswirkungen die Reform haben könnte. Und wir wollen die Perspektive der Region Basel in die Verhandlungen einbringen und ausloten, welcher Handlungsspielraum besteht.

Der Erfolg unserer Wirtschaftsregion baut auf attraktiven Standortbedingungen. Wir werden auch bei diesem Thema die Interessen der Wirtschaft und der Gesellschaft mit Nachdruck vertreten.

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