«Mensch sein heisst, Verantwortung tragen»

12.03.2018

Unternehmensverantwortungs-Initiative: Klaus H. Endress, Verwaltungsratspräsident Endress+Hauser Gruppe, schreibt über Verantwortung und was es bedeutet, Verantwortung zu übernehmen für sein Handeln – als Mensch, als Ehemann und Vater, als Unternehmer.

Für mich geht es bei dem Thema darum, Verantwortung zu erkennen, sie anzunehmen und nicht anderen zuzuschieben, aber auch zu überlegen, was zu tun ist, wenn doch etwas verkehrt gelaufen ist. Ich bin mir sicher: Wenn viele Menschen ihrer Verantwortung – für sich, für andere, in der Familie, im Freundeskreis, am Arbeitsplatz, in der Gesellschaft – gerecht würden, wäre es um unsere Welt im Grossen wie im Kleinen besser bestellt. 

Erfolg und Verantwortung

Bei Endress+Hauser stellen wir uns schon seit vielen Jahren unserer unternehmerischen Verantwortung (oder Corporate Social Responsibility). Der Gedanke der Nachhaltigkeit ist tief verwurzelt in der Kultur unseres Familienunternehmens. Ganzheitliche Verantwortung ist für uns ein zentraler Wert. Dahinter steckt die Überzeugung, dass ein Unternehmen nur dann dauerhaft erfolgreich sein kann – auch wirtschaftlich erfolgreich –, wenn es seiner Verantwortung gegenüber Menschen, Umwelt und Gesellschaft gerecht wird. 

In der Beziehung zwischen Kunden, Mit­arbeitenden und Gesellschaftern – den wesentlichen Anspruchsgruppen eines Unternehmens – geht es um den gegenseitigen Nutzen. Dieser Nutzen beschränkt sich nicht auf das Materielle – auf leistungsfähige Produkte, einen guten Lohn oder eine angemessene Dividende. Kunden wollen mit Partnern Geschäfte machen, die sich ethisch verhalten. Mitarbeitende suchen Arbeitgeber, die fair mit ihren Beschäftigten umgehen. Und auch wir Gesellschafter möchten stolz sein können auf unser Unternehmen.

Der Verantwortung gerecht werden

Verantwortlich handeln bedeutet für uns also, Endress+Hauser stark zu machen für die Zukunft. Wir wollen der nächsten Generation ein gesundes Unternehmen übergeben, damit auch sie ihrer Verantwortung gut gerecht werden kann. 

Der «Code of Conduct»

Was aber ist der Massstab für unsere Verantwortung? Und woran messen wir ganz konkret unser Handeln? Bei Endress+Hauser haben wir uns 2010 einen «Code of Conduct» gegeben, der alle Mitarbeitenden zu gesetzeskonformem, fairem und ethischem Verhalten verpflichtet. In unseren Produktionsgesellschaften haben wir Umweltmanagementsysteme nach ISO 14001 installiert. Und in unserer Strategie «2020+» haben wir mit dem Nachhaltigkeits-Audit von EcoVadis erstmals einen Schlüsselindikator für unternehmerische Verantwortung definiert. 

Unabhängige Beurteilung ist wichtig

EcoVadis ist eine unabhängige globale Plattform, die Zulieferer nach öko­logischen, sozialen und ethischen Ge-sichtspunkten beurteilt. Die Bewertung basiert auf 21 Kriterien und deckt die Bereiche der Umwelt, des Sozialen, der Ethik und des Lieferkettenmanagements ab. Die Methodik basiert auf internationalen Standards, etwa der «Global Reporting Initiative», des «Global Compact» der Vereinten Nationen und der ISO 26000.

Das Resultat kann sich sehen lassen

Seit 2013 lassen wir uns durch EcoVadis bewerten. Seitdem haben wir uns Jahr für Jahr verbessert. 2017 haben wir im Audit 66 von 100 Punkten erhalten und damit Gold-Status erreicht. Wir bewegen uns mit unserem Resultat unter den besten zwei Prozent der zertifizierten Unternehmen. Die Auditoren bestätigen mit ihrer guten Bewertung, dass Endress+Hauser dem Thema hohen Stellenwert beimisst und einen strukturierten und vorausschauenden Ansatz verfolgt. 

Ziele umsetzen

Wir haben in der Endress+Hauser Gruppe unsere Ziele, Prozesse und Richt­linien ganz auf die Vorgaben des Eco­Vadis-Reports abgestimmt. Dies hatte weitreichende Auswirkungen auf viele Bereiche des Unternehmens und stellt insbesondere an unsere Kompetenzzentren mit Fertigungsstandorten in aller Welt hohe Anforderungen.

Nehmen wir die Endress+Hauser Flowtec AG als Beispiel. Unser Kompetenzzentrum für Durchflussmesstechnik mit Sitz in Reinach BL und weltweit mehr als 1'900 Mitarbeitenden produziert mit unterschiedlicher Fertigungstiefe an Standorten in Frankreich, den USA, China, Indien und Brasilien. Für die Rohre der dort hergestellten Durchflussmessgeräte, die in vielen Branchen eingesetzt werden, benötigen wir Metall, und selbstverständlich steckt in diesen Feldgeräten eine leistungsfähige Elek­tronik, für die wir zahlreiche Komponenten einkaufen. 

Fragen und Antworten

Das wirft unter dem Gesichtspunkt der Verantwortung und der Nachhaltigkeit natürlich Fragen auf: Ist das Erz unter sicheren Arbeitsbedingungen gefördert worden? Stammen die verwendeten Mineralien garantiert nicht aus Konfliktregionen? Und wurden die Materialien und Komponenten auch umweltgerecht hergestellt? 

Alle ins Boot holen

Um dies alles sicherzustellen, wählen wir unsere Lieferanten sorgfältig aus und pflegen langfristige Beziehungen mit ihnen. Wir verpflichten sie zum einen auf unseren «Code of Conduct». Vor allem aber gehen wir selbst vor Ort, um uns bei eigenen Audits davon zu überzeugen, dass neben der Qualität auch sozialen, ethischen und ökologischen Aspekten Rechnung getragen wird. Falls erforderlich, beziehen wir auch die Lieferanten unserer Lieferanten und sogar deren Lieferanten in diese Audits ein. 

Wir haben hohe Ansprüche

Weltweit hat Endress+Hauser Flowtec mit etwa 400 Lieferanten zu tun. Mit etwa 180 von ihnen stehen wir praktisch täglich in Kontakt. Doch auch mit allen übrigen Lieferanten suchen wir mindestens einmal im Jahr das Gespräch. Bei der Auswahl neuer Lieferanten fliessen unsere Anforderungen von Anfang an ein. 

Kritische Einstellung bewahren

Vermutlich erfüllt Endress+Hauser also heute schon das allermeiste, was die Unternehmensverantwortungs-Initiative künftig zur Pflicht für Schweizer Unternehmen machen will. Warum sollte ein verantwortungsvoll handelnder Unternehmer dennoch kritisch eingestellt sein gegenüber dieser sicherlich gut gemeinten Initiative?

Ist die Initiative wirksam?

Erstens stellt sich mir die Frage der Wirksamkeit. Die Initiative will etwas gesetzlich erreichen, das sich die Wirtschaft längst zum Ziel gemacht hat. Im Dialog mit Lieferanten und durch die Entwicklung langfristiger Lieferantenbeziehungen wurden in den vergangenen Jahren grosse Fortschritte erzielt. Auch Endress+Hauser wird von immer mehr Kunden auditiert, die ihrerseits sichergehen wollen, es mit einem verantwortungsvollen Partner zu tun zu haben. 

Wie kann sie umgesetzt werden?

Zweitens sehe ich das Problem der Umsetzbarkeit. Die Initiative will eine sehr weitreichende Verantwortung der Unternehmen festschreiben und sie für Verhalten haftbar machen, das sie selbst gar nicht verantworten. Sie sieht eine Umkehr der Beweispflicht vor und kollidiert mit Grundsätzen des internationalen Rechts. Das wirft vielfältige juristische Fragen auf und kann zu langwierigen Prozessen und rechtlicher Unsicherheit führen. 

Verhältnismässigkeit wahren

Drittens schliesslich fehlt mir die Verhältnismässigkeit. Die Unternehmensverantwortungs-Initiative geht weit über entsprechende Gesetze in den USA oder der EU hinaus. Sie bürdet Schweizer Unternehmen zusätz­lichen bürokratischen Aufwand und besondere haftungsrechtliche Risiken auf. Das schadet gerade den produzierenden Betrieben, die im globalen Wettbewerb bestehen müssen, und schwächt damit den Werkplatz Schweiz. 

Gut gemeint, aber schlecht gemacht

Die Unternehmensverantwortungs- Initiative verfolgt gewiss hehre Ziele, die jeder verantwortungsvoll handelnde Mensch und jedes verantwortungsvoll handelnde Unternehmen unterschreiben kann. Aber wie so häufig ist auch in diesem Fall gut gemeint leider das Gegenteil von gut. 

Die Unternehmens-Verantwortungs-Initiative fordert zusätzliche Haftungsbestimmungen für Unternehmen, die international anerkannte Menschenrechte und internationale Umweltstandards verletzt haben. Diese Regeln wären weltweit einzigartig und führten zu weitreichenden rechtlichen, politischen, aber auch wirtschaftlichen Problemen. Geholfen wäre damit niemandem, denn die Verrechtlichung führt in eine Sackgasse, die dem eigentlichen Ziel mehr schadet wie nützt.

 

Klaus Endress ist Präsident des Verwaltungsrats der Endress+Hauser Gruppe, ein weltweit führender Anbieter von Prozess- und Labormesstechnik, Automatisierungslösungen und Dienstleistungen mit Sitz in Reinach BL. Er absolvierte ein Studium zum Diplom-Wirtschaftsingenieur an der TU Berlin und war bei verschiedenen Firmen in den USA tätig, ehe er 1979 ins väterliche Unternehmen eintrat. 1995 übernahm Klaus Endress als CEO die Leitung der Firmengruppe, die er bis 2014 innehatte. Seit diesem Jahr ist er Gemeinderat in Reinach.

 

Quelle:  Der Artikel ist im aktuellen tribune zum Thema Unternehmensverantwortungs-Initiative erschienen.

 

 

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