OECD-Mindestbesteuerung
Die Handelskammer beurteilt die Vorlage als wenig ambitioniert und als absolutes Minimum. Der Kanton Baselland sollte die Ambition haben, die zusätzlichen Mittel wirksam zu nutzen, um die Verschlechterung der Standortattraktivität durch die OECD-Mindeststeuer abzufedern. Die Handelskammer fordert deshalb drei konkrete Anpassungen an die Vorlage.
1. Ausgangslage
Seit 1. Januar 2024 gilt in der Schweiz die sogenannte Ergänzungssteuer. Diese Steuer gilt für grosse, international tätige Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 750 Millionen Euro pro Jahr. Die Ergänzungssteuer stellt sicher, dass alle betroffenen Unternehmen mindestens 15 Prozent Gewinnsteuer bezahlen, wie es die Vorgaben der OECD-Mindestbesteuerung vorsehen.
Der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft schlägt zur Umsetzung dieser OECD-Mindestbesteuerung vor, dass der Kantonsanteil an den Einnahmen aus der Ergänzungssteuer (75 Prozent) zu einem Drittel (35 Prozent) an die Gemeinden fliessen soll. Diese Einnahmen werden vom Regierungsrat auf 5 bis 10 Millionen Franken geschätzt. Die Aufteilung unter den Gemeinden soll nach Einwohnerzahl erfolgen. Weitere Massnahmen oder eine Zweckbindung der Einnahmen sind nicht vorgesehen.
2. Einschätzung der Vorlage
Die Vorlage beschränkt sich darauf, die erwarteten Mehreinnahmen zwischen dem kantonalen Finanzhaushalt und den Gemeindekassen aufzuteilen.
Aus Sicht der Handelskammer vermag dies dem Anspruch an eine ambitionierte und weitsichtige Umsetzung der OECD-Mindeststeuer nicht zu genügen. Die OECD-Mindeststeuer stellt für die betroffenen Unternehmen eine grosse Herausforderung dar. Nicht nur ist die Berechnung des Gewinnsteuersatzes gemäss OECD-Vorgaben überaus komplex, sie stellt für die Unternehmen zudem eine finanzielle Mehrbelastung dar, ohne dass dem ein Mehrwert gegenüberstehen würde.
Auch wenn die geschätzten Mehreinnahmen keine allzu grossen Sprünge erlauben, sollte der Kanton die Ambition haben, diese zusätzlichen Mittel zu nutzen, um die Verschlechterung der Standortattraktivität abzufedern und in die langfristige Attraktivität des Standorts zu investieren.
3. Anpassungen der Vorlage
Die Handelskammer fordert den Regierungsrat dazu auf, in drei Punkten eine Anpassung der Vorlage vorzunehmen:
3.1. Verteilung der Einnahmen an die Gemeinden
Vorschlag des Regierungsrates
Der Regierungsrat schlägt vor, den Gemeinden – entsprechend dem maximalen kommunalen Gewinnsteuerfuss im Verhältnis zum kantonalen Gewinnsteuersatz – 35 Prozent der Einnahmen zuzuweisen und den Anteil der Gemeinden nach Einwohnerzahl aufzuteilen.
Kritik
Die Handelskammer erachtet diesen Verteilungsmechanismus als nicht zielführend. Die Verteilung nach Einwohnerzahl mag zwar einfach sein, sie würde aber faktisch zu einem zweiten innerkantonalen Finanzausgleich führen.
Zahlen des kantonalen Amtes für Daten und Statistik zeigen, dass im Jahr 2023 (aktuellste öffentlich verfügbare Daten) die juristischen Personen den Gemeinden rund 110 Millionen Franken entrichtet haben. Rund 75% davon entfallen auf die zehn Gemeinden mit den höchsten Steuereinnahmen von juristischen Personen. Eine Verteilung nach Einwohnerzahl würde also faktisch dazu führen, dass eine Umverteilung von diesen zehn Gemeinden auf die übrigen Gemeinden des Kantons erfolgt. Dies geht weitgehend zu Lasten derjenigen Gemeinden, die bereits beim innerkantonalen Ressourcenausgleich zu den Geberkantonen gehören. Das Ungleichgewicht, welches von den Gebergemeinden schon heute beklagt wird, würde sich dadurch noch weiter verschärfen. Ein zweiter Verteilungsmechanismus mit praktisch denselben belasteten und begünstigten Gemeinden ist nicht gerechtfertigt.
Änderungsvorschlag
Die Handelskammer schlägt stattdessen vor, dass die Verteilung auf die Gemeinden gemäss Einnahmen aus der Gewinnsteuer erfolgt. Dies stellt sicher, dass die Einnahmen dorthin verteilt werden, wo die Gewinne auch effektiv anfallen und wo aufgrund der Ergänzungssteuer grösserer Handlungsbedarf besteht. Dies gibt den betroffenen Gemeinden den finanziellen Spielraum, um Massnahmen zur Steigerung der Standortattraktivität zu ergreifen, um die Mehrbelastung der Unternehmen abzufedern.
Dies entspricht im Übrigen auch der Verteilungslogik der Ergänzungssteuer zwischen Bund und Kantonen. Art 197 Ziff. 15 Abs. 6 der Bundesverfassung sieht vor, dass der Rohertrag der Ergänzungssteuer den Kantonen zusteht, denen die Geschäftseinheiten steuerlich zugehörig sind. Es ist eine Fortführung dieser Logik, den kommunalen Anteil der Ergänzungssteuer ebenfalls denjenigen Gemeinden zuzuweisen, denen die Geschäftseinheiten steuerlich zugehörig sind.
Schliesslich sei darauf hingewiesen, dass aktuell eine Gemeindeinitiative zur Teilrevision des Finanzausgleiches hängig ist. Diese Gemeindeinitiative, die von Gebergemeinden getragen wird, fordern eine Anpassung des Finanzausgleichs, weil die finanzielle Last zu einseitig verteilt sei. Eine Anpassung des Verteilungsmodells im vorgeschlagenen Sinn würde die betroffenen Gebergemeinden entlasten und könnte deshalb als Gegenvorschlag zu dieser Gemeindeinitiative dienen.
3.2. Zweckbindung der Einnahmen
Vorschlag des Regierungsrates
Der Regierungsrat sieht keine Zweckbindung der Einnahmen vor, weder für den Kanton noch für die Gemeinden. Er begründet dies mit der Höhe der erwarteten Einnahmen.
Kritik
Art 197 Ziff. 15 Abs. 9 der Bundesverfassung sieht vor, dass der Bund seinen Anteil an der Ergänzungssteuer zur zusätzlichen Förderung der Standortattraktivität der Schweiz vorsieht.
Die Kantone sind demgegenüber in der Verwendung ihrer Einnahmen aus der Ergänzungssteuer grundsätzlich frei. Mit Blick auf den sich verschärfenden internationalen Standortwettbewerb, ist es für die Handelskammer jedoch nicht gerechtfertigt, die Einnahmen einfach in den allgemeinen Staatshaushalt fliessen zu lassen. Der Vorbehalt des Regierungsrates, allenfalls zu einem späteren Zeitpunkt «zumindest teilweise» Standortförderungsmassnahmen in Betracht zu ziehen ist zu unverbindlich und lässt alles offen.
Änderungsvorschlag
Die Handelskammer fordert, dass die Einnahmen sowohl des Kantons als auch der Gemeinden zweckgebunden zur Standortförderung eingesetzt werden müssen.
Die betroffenen Unternehmen haben sehr unterschiedliche Strukturen und unterschiedliche Bedürfnisse. Zudem untersagen die OECD-Richtlinien eine zu spezifische Förderung, die exklusiv wenigen von der Mindeststeuer betroffenen Unternehmen zugutekommt. Im Fokus müssen deshalb Massnahmen stehen, die einerseits allen Unternehmen offenstehen und andererseits im Idealfall die Kosten der Unternehmen wirksam senken. Soweit dies möglich ist, sind diese Massnahmen so auszugestalten, dass im Effekt diejenigen Unternehmen stärker profitieren, die von der Ergänzungssteuer betroffen sind.
Die Handelskammer schlägt vor, insbesondere die folgenden Ansätze zu prüfen, um die Standortattraktivität für die Unternehmen zu verbessern:
- Beiträge an die Kosten der Berufsbildung: Indem der Kanton einen Teil der Kosten der Berufsbildung übernimmt, leistet er einen wichtigen Beitrag zur Förderung der Lehre, senkt wirksam die Kosten der Unternehmen und schafft einen Anreiz, mehr Lehrstellen anzubieten. Zudem trägt diese Massnahme zur Bekämpfung des Fachkräftemangels bei.
- Bessere Erschliessung von Wirtschaftsarealen: Die Unternehmen sind auf eine gute Erschliessung der Wirtschaftsareale angewiesen. Mehrere Areale und Unternehmensstandorte sind nicht ideal erschlossen, der öffentliche Verkehr ist überlastet oder die Anbindung an Knotenpunkte ist nicht optimal. Von gezielten Investitionen in eine bessere Erschliessung mit dem öffentlichen Verkehr profitieren nicht nur die Arbeitnehmenden der betroffenen Unternehmen, es wird auch ein wichtiger Beitrag zur Förderung klimafreundlicher Verkehrsmittel geleistet.
- Standortförderung: Mit einer gezielten Ansiedelungsstrategie kann der Kanton mittel- bis langfristig weitere Unternehmen im Kanton ansiedeln, die zusätzliches Steuersubstrat generieren, womit wiederum weiterer Spielraum für Massnahmen zur Steigerung der Standortattraktivität entsteht, wovon alle Unternehmen profitieren können. Zur erfolgreichen Ausarbeitung und Umsetzung einer solchen Strategie müssen die notwendigen Mittel bereitgestellt werden.
3.3. Fördermassnahmen
Vorschlag des Regierungsrates
Der Regierungsrat sieht keine Fördermassnahmen vor. Er behält sich solche Massnahmen für den Fall vor, dass die Einnahmen aus der Ergänzungssteuer höher ausfallen sollten als erwartet.
Kritik
Aus Sicht der Handelskammer lässt sich der Regierungsrat mit dieser Formulierung alles offen. Das ist zu unverbindlich, zumal nicht klar ist, ab welcher Höhe der Zusatzeinnahmen der Regierungsrat Handlungsbedarf sieht und innert welcher Frist entsprechende Massnahmen umgesetzt werden sollen. Für die Unternehmen besteht dadurch das Risiko, das Standortförderungsmassnahmen hinausgezögert und mit Blick auf die finanzielle Lage des Kantons aufgeschoben werden.
Änderungsvorschlag
Die Handelskammer schlägt vor, dass eine konkrete Schwelle festgelegt wird, bei deren Überschreitung der Regierungsrat verbindlich dazu verpflichtet wird, dem Landrat innert eines Jahres eine Vorlage zu unterbreiten, die konkrete Massnahmen zur Förderung des Standortes vorsieht. Diese Schwelle könnte beim Faktor 1,5 der geschätzten Einnahmen liegen, also bei 15 Millionen Franken.
4. Fazit
Die Vorlage des Regierungsrates entspricht dem absoluten Minimum zur Umsetzung der OECD-Mindeststeuer. Das ist nicht ausreichend. Die Handelskammer fordert den Regierungsrat deshalb dazu auf, dem Landrat eine ambitioniertere Vorlage zu unterbreiten, die den finanziellen Möglichkeiten des Kantons Rechnung trägt, gleichzeitig die Einnahmen aus der Ergänzungssteuer aber zielgerichtet und wirksam zur Verbesserung der Standortattraktivität für die Unternehmen einsetzt.
Die drei vorgeschlagenen Anpassungen zeigen auf, wie die Vorlage in diesem Sinne ausgestaltet werden kann, damit sich der Kanton Basel-Landschaft im Rahmen seiner Möglichkeiten als attraktiver Wirtschaftsstandort positionieren kann.